Politik

Ungarn treibt strategische Allianz mit Russland und der Türkei voran

Ungarns Präsident Orbán baut die Beziehungen seines Landes zu Russland und zur Türkei deutlich aus. Ungarn hat mittlerweile als einziges Land in Europa einen Beobachterstatus im Türkischen Rat inne.
08.11.2019 15:00
Lesezeit: 3 min
Ungarn treibt strategische Allianz mit Russland und der Türkei voran
Erdogan und Orban. (Foto: dpa) Foto: Tamas Kovacs

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán ist darum bemüht, Ungarns Beziehungen zu Russland und der Türkei strategisch auszubauen. Er sagte auf dem 7. Gipfeltreffen des Türkischen Rates, einem Gremium für Zusammenarbeit von fünf türkischen Staaten am 5. Oktober 2019 zu den Anwesenden in Baku: "Ungarn kann dem Türkischen Rat eine Verbindung nach Europa anbieten."

Ungarn wurde 2018 Beobachtermitglied des Türkischen Rates, welcher die Türkei, Aserbaidschan, Kirgisistan, Kasachstan und Usbekistan zusammenbringt, um die Zusammenarbeit zwischen den türkischsprachigen Ländern zu verbessern. Der Rat hatte zudem im vergangenen Monat eine Niederlassung in Budapest eröffnet.

Orbáns Vorstoß ist Teil der Politik der “östlichen Öffnung” der Regierung in Budapest. Während wirtschaftliche und sicherheitspolitische Interessen eine wichtige Rolle spielen, beruft sich Orbán auch auf die türkischen Wurzeln der Ungarn. Zu den ersten Völkern welche das heutige Ungarn besiedelten gehörten die Kiptschak-Türken, die dem Blute nach Türken und der Religion nach Christen sind. Orbán sagte auf dem Treffen: “Nicht allen hier ist bewusst, dass es in Ungarn Kiptschaks gibt, dass viele Ungarn Kiptschaken-Blut haben und dass sie eine eigene Selbstverwaltung haben. Präsident Nasarbajew ist auch Präsident der ungarischen Kiptschak-Stämme, und wir senden ihm jedes Jahr eine Botschaft, wenn das jährliche Treffen der Kiptschaks in Ungarn stattfindet.”

Der ungarische Präsident betonte, dass Ungarn und die türkischen Staaten ihre wirtschaftliche Kooperation vertiefen müssen. “Wir haben ein Investitionsprogramm ins Leben gerufen, um ungarische Unternehmen bei Investitionen im Ausland zu unterstützen. Deshalb unterstützen wir diese. Dies ist ein Grund dafür, dass sich das Handelsvolumen zwischen Ungarn und den Mitgliedstaaten des Türkischen Rates während meiner Amtszeit auf vier Milliarden Dollar verdoppelt hat. Ich möchte Sie darüber informieren, dass die ungarische Eximbank eine Kreditlinie für Mitgliedstaaten des Türkischen Rates eröffnet hat. Ihre Unternehmen und ungarischen Unternehmen können gemeinsam darauf zurückgreifen.”, so Orbán.

Besonders bemerkenswert an Orbáns Rede war, dass er die Staaten des Türkischen Rats dazu motivierte, alsbald Freihandelsabkommen mit Großbritannien zu schließen. Er machte Werbung für den Brexit und die Zeit danach. Orbán wörtlich: “Ich rate daher dem Türkischen Rat, die Verhandlungen mit Großbritannien über neue britisch-aserbaidschanische, britisch-türkische, britisch-kasachische, britisch-usbekische und britisch-kirgisische Handelsabkommen so bald wie möglich voranzutreiben. Denn die Möglichkeiten für den Abschluss solcher Abkommen eröffnen sich jetzt. Bisher war dies nicht möglich, wird es aber bald sein. Mein Rat ist, uns auf diese neue Gelegenheit vorzubereiten, und wenn möglich sollten wir sie auch koordinieren.”

Angesichts der engen Beziehungen zwischen Ungarn und den türkischen Staaten wundert es nicht, dass die Regierung in Budapest als einziges EU-Mitglied offen die türkische Invasion “Peace Spring” in Syrien unterstützt hatte.

Einen weiteren Baustein bei der “östlichen Öffnung” Ungarns bilden die ungarisch-russischen Beziehungen. Dies machte Orbán bei seinem jüngsten Treffen mit Russlands Präsident Wladimir Putin am 30. Oktober 2019 in Budapest deutlich. “Die Grundlage unserer politischen Zusammenarbeit ist eine sehr einfache geografische Tatsache, weshalb kein Land seine Hausnummer ändern kann. Wir leben in einem Dreieck Berlin-Moskau-Istanbul”, zitiert die Pressestelle des Kremls Orbán. Ohne Zweifel spielen hier auch energiepolitische Gründe eine Rolle, zumal Ungarn 85 Prozent seiner Energieträgerimporte aus Russland bezieht. Westliche Kritik an Ungarns Annäherung an Russland umschreibt der ungarische Präsident als “Heuchelei”. Schließlich würden auch Deutschland und Frankreich versuchen, ihre geschäftlichen Beziehungen mit Russland aufrechtzuerhalten.

Russland und Ungarn führen auch ein teures gemeinsames Projekt zum Ausbau des einzigen ungarischen Atomkraftwerks in Paks südlich von Budapest durch. 2014 unterzeichnete Orbán mit Putin einen Darlehensvertrag über zehn Milliarden Euro zum Bau von zwei Reaktoren in der Anlage, obwohl sich der Baubeginn verzögerte und die Fertigstellung nicht vor 2030 erwartet wurde.

Putin sagte auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Orbán: “Wie Sie gesehen haben, haben LUKOIL, Transneft und der ungarische Öl- und Gaskonzern MOL Group während dieses Besuchs verschiedene Verträge unterzeichnet. Ihre Umsetzung wird es ermöglichen, die russischen Treibstoffexporte nach Ungarn über die Druschba-Pipeline bis 2025 zu steigern. Russisches Gas wird über Ungarn nach Westeuropa geliefert. In den unterirdischen Gasspeichern ist ausreichend Gas für die ununterbrochene Belieferung der Kunden, auch zu Spitzenzeiten. Wir legen großen Wert auf Rosatoms Projekt, zwei neue Kraftwerke für das ungarische Kernkraftwerk Paks zu bauen. Die vier Kraftwerke der Station produzieren derzeit über 40 Prozent des in Ungarn verbrauchten Stroms.”

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Trumps nächster Coup: Tiefseebergbau in internationalen Gewässern
29.04.2025

US-Präsident Donald Trump verfolgt eine neue wirtschaftspolitische Linie, die das umstrittene Thema Tiefseebergbau in den Fokus rückt....

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis aktuell: Jetzt in Gold investieren – warum Edelmetalle unbedingt ins Portfolio gehören
29.04.2025

Goldpreis aktuell? Weiterhin auf Rekordkurs! Während der US-Dollar und die Weltwirtschaft unter Druck geraten, ist das gelbe Edelmetall...

DWN
Politik
Politik Ehemaliger NATO-Generalsekretär Rasmussen warnt: Der Westen steht vor dem Kollaps – Europa muss sich von den USA emanzipieren
29.04.2025

Der frühere NATO-Generalsekretär und dänische Premierminister Anders Fogh Rasmussen warnt vor dem endgültigen Bruch der...

DWN
Technologie
Technologie AI Continent Action Plan: Wie Europa die USA und China vom KI-Thron stoßen will
28.04.2025

Die Europäische Kommission hat einen ehrgeizigen Plan vorgestellt, um Europa zur führenden Kraft im Bereich der Künstlichen Intelligenz...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft E-Auto-Förderung: Wie geht es weiter und was plant die neue Bundesregierung?
28.04.2025

Das Ziel bleibt eindeutig – der genaue Weg aber offen. "Wir werden die E-Mobilität mit Kaufanreizen fördern", steht im...

DWN
Politik
Politik Üppige Übergangsgelder für Ex-Minister: Steuerzahlerbund kritisiert Selbstbedienung
28.04.2025

Dauerversorgung auf Kosten der Steuerzahler: Bisher bekommen Minister und Kanzler nach ihrem Ausscheiden bis zu 2 Jahren staatliche...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Boeing unter Druck: Zölle verschärfen die Krise beim größten US-Exporteur
28.04.2025

Boeing, der größte US-Exporteur, steckt seit Jahren in einer Krise. Neue Zölle und Handelskonflikte verschärfen sie weiter. Die...

DWN
Panorama
Panorama Stromausfall Spanien und Portugal: Nichts geht mehr - schwierige Suche nach der Ursache
28.04.2025

Ein umfassender Stromausfall Spanien hat am Montagmittag die Iberische Halbinsel erschüttert. Weite Teile Spaniens und Portugals auf dem...