Finanzen

Asset-Umschichtung bei JPMorgan zwingt Federal Reserve zu Rettungsmaßnahmen

JPMorgan hat eine der größten Umschichtungen von Vermögenswerten in der Firmengeschichte vorgenommen. Damit hat Amerikas größte Bank entscheidend zur Krise im Geldmarkt beigetragen und die Fed zu Geldspritzen in Milliardenhöhe gezwungen.
08.11.2019 11:00
Lesezeit: 2 min
Asset-Umschichtung bei JPMorgan zwingt Federal Reserve zu Rettungsmaßnahmen
Jamie Dimon, CEO von JPMorgan Chase, kurz vor seiner Anhörung vor einem Kongress-Ausschuss zur Finanzkrise im Jahr 2009. (Foto: dpa) Foto: Michael Reynolds

JPMorgan Chase hat seit Jahresbeginn Anleihen im Umfang von netto mehr als 130 Milliarden Dollar zu seinen Vermögenswerten hinzugefügt. Zugleich reduzierte die größte US-Bank den Umfang der von ihr gehaltenen Kredite. Diese extreme Umschichtung erhöhte das Anleihenportfolio der Bank um 50 Prozent auf rund 400 Milliarden Dollar, sodass sich das Verhältnis der verschiedenen Vermögenswerten in ihrer enormen Bilanz stark verändert hat.

Eine Ursache dieser Umschichtung liegt offenbar in den geltenden Eigenkapitalvorschriften, welche Kredite als risikoreicher einstufen als Anleihen. Denn da JPMorgan weiterhin jedes Jahr Milliardensummen in Dividenden an seine Aktionäre auszahlt oder für Aktienrückkäufe aufwendet, hat die Bank weniger Spielraum, riskantere Anlagen zu halten, als einige Konkurrenten.

JPMorgan setzt auf Mortgage Backed Securities

"Es ist unglaublich", zitiert die Financial Times eine Führungskraft bei einem großen institutionellen Investor. "Das Ausmaß dessen, was JPMorgan tut, ist überwältigend." Die dramatische Umschichtung war von JPMorgan erstmals auf einer Investorenveranstaltung im Februar angekündigt worden. Finanzvorstand Marianne Lake sagte damals, dass man nach Jahren als Branchenführer beim Kreditwachstum "die Realität des Kapitalregimes, in dem wir leben, anerkennen" müsse.

Die US-Bank hat den Umfang ihres Kreditportfolios im bisherigen Jahresverlauf um 4 Prozent oder rund 40 Milliarden Dollar geschrumpft. Gleichzeitig mit dem Verkauf von Hypotheken hat die Bank den Bestand an liquiden Mitteln in ihrer Bilanz reduziert. Dass JPMorgan massiv Liquidität aus dem Geldmarkt abzog, war einer der Hauptgründe für die Krise im US-Interbankenmarkt, wo die Zinsen im September vorübergehend so stark anstiegen, dass sich schließlich die Federal Reserve zum Eingreifen mit hohen Milliardensummen gezwungen sah.

Im Gegenzug zum Abbau von Hypotheken und liquiden Mitteln hat JPMorgan im großen Stil Anleihen mit langen Laufzeiten gekauft. Der größte Teil davon waren hypothekarisch gesicherte Wertpapiere (Mortgage Backed Securities). Banken in den USA müssen viel weniger Kapital halten, wenn sie in Hypothekenpfandbriefe investieren, als der Umfang der diesen Pfandbriefen zugrunde liegenden Baufinanzierungen.

JPMorgans größter Konkurrent im US-Markt, die Bank of America, hat mehr Spielraum im Hinblick auf die Kapitalregeln der Federal Reserve und kann daher sein Kreditportfolio weiter ausbauen. Die Bank hat ihrem Portfolio im laufenden Jahr bisher Kredite im Umfang von 43 Milliarden Dollar hinzugefügt. Dabei handelt es sich größtenteils, aber nicht ausschließlich um Hypothekendarlehen.

Massive Aktienrückkäufe und Dividenden

JPMorgan erwirtschaftet starke Gewinne und könnte daher seiner Bilanz mehr Risiko hinzufügen, wenn es wollte. Doch die Bank zieht es vor, die Profite an ihre Aktionäre zurückzugeben. Ihre Pläne für das kommende Jahr beinhalten Aktienrückkäufe und Dividenden in Höhe von zusammen 32 Milliarden Dollar. Das ist mehr als der gesamte Nettogewinn, den die Bank im vergangenen Jahr erwirtschaftet hat.

Der Plan der Bank of America beinhaltet sogar Aktienrückkäufe und Dividenden in Höhe von zusammen 37 Milliarden Dollar, was fast 140 Prozent ihres letzten Jahresüberschusses entspricht. Doch die Tatsache, dass ihr Geschäftsmodell ein vergleichsweise geringeres Risiko aufweist - zumindest in den Augen der Federal Reserve - bedeutet, dass sie in den Stresstests nicht so hart behandelt wird.

Laut Steven Chubak von Wolfe Research tut JPMorgan "das Richtige angesichts seiner eigenwilligen Kapitalrestriktionen". Aber die größere Freiheit, welche die Fed der Bank of America gewährt, bedeute, dass sie "mehr Kapazität hat, Kredite zu vergeben, die typischerweise einen höheren Spread generieren" - und damit mehr Raum für Gewinnwachstum.

JPMorgan zwingt die Fed zum Eingreifen

Charles Peabody von Portales Partners, der einen düstereren Ausblick für die Bankenbranche vertritt, sieht die Bilanzwahl von JPMorgan als Teil einer größeren Strategie zur Risikoreduzierung. Die Bank, zitiert ihn die Financial Times, "hat sich so verhalten, als wäre die [nächste] Rezession schon hier - alles, was die Bank tut, deutet darauf hin".

Zudem ist es JPMorgan auf diese Weise gelungen, die Federal Reserve, deren Miteigentümer sie ist, zu massiven Rettungsmaßnahmen zu bewegen. Denn die Umschichtungen bei der größten US-Bank trugen im September entscheidend zur größten Liquiditätskrise im Interbankenmarkt seit der Finanzkrise bei, mit Übernachtzinsen von bis zu 10 Prozent.

Diese Krise verschlimmerte sich in der Folge so sehr, dass sich die Fed nicht mehr nur auf den Geldmärkten zum Eingreifen gezwungen sah. Vielmehr hat sie im Oktober auch ein neues Anleihen-Kaufprogramm gestartet und ihre Bilanzsumme im Verlauf von nur sieben Wochen um satte 250 Milliarden Dollar auf über 4 Billionen Dollar vergrößert.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen Jetzt Tesla-Aktie kaufen? Welche Erwartungen Investoren an Elon Musk haben
21.12.2025

Visionäre Unternehmer haben an den Kapitalmärkten immer wieder ganze Branchen neu geordnet. Ob Tesla-Aktien weiterhin von technologischem...

DWN
Panorama
Panorama Gaudís Sagrada Família: Der höchste Kirchturm der Welt
21.12.2025

Barcelona feiert 2026 die Architektur – und ein Turm der Sagrada Família soll Geschichte schreiben. Doch hinter dem Rekord stecken Geld,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Leadership-Coach Lars Krimpenfort: „Klopp ist ein gutes Beispiel für klare Führung unter Druck“
21.12.2025

Im Mittelstand steigen die Belastungen gefühlt täglich. Wie gelingt es Führungskräften dennoch, unter Druck richtig zu entscheiden?...

DWN
Politik
Politik EU-Kapitalmarktunion: Warum kleine Staaten um ihre Finanzmacht kämpfen
21.12.2025

Die EU will ihren Kapitalmarkt neu ordnen und zentrale Aufsichtsrechte nach Paris verlagern, während kleinere Staaten den Verlust ihrer...

DWN
Panorama
Panorama DWN-Wochenrückblick KW 51: Die wichtigsten Analysen der Woche
21.12.2025

Im DWN Wochenrückblick KW 51 fassen wir die zentralen wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen der vergangenen Woche zusammen....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Mittelstand vor existenziellen Problemen: Keine Aufträge und schlechte Rahmenbedingungen
21.12.2025

Wie eine aktuelle Umfrage des ifo-Instituts ergab, sehen sich 8,1 Prozent der befragten Firmen direkt in ihrer wirtschaftlichen Existenz...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU-Zölle auf Kleinsendungen: Neue Abgabe trifft Online-Bestellungen aus Drittstaaten
21.12.2025

Der Online-Handel mit günstigen Waren aus Drittstaaten wächst rasant und stellt den europäischen Binnenmarkt vor strukturelle...

DWN
Finanzen
Finanzen Topanalyst enthüllt: Das sind die attraktivsten Rüstungsaktien
21.12.2025

Die globale Sicherheitslage wandelt sich rasant, und die Verteidigungsindustrie gewinnt an Bedeutung für Regierungen und Kapitalmärkte....