Am 8. Oktober hat Jerome Powell, der Vorsitzende der Federal Reserve, ein neues Programm angekündigt, mit dem die Bank nun regelmäßig US-Staatsanleihen mit kurzen Laufzeiten kaufen wird. Damit diese neue Lockerung der Geldpolitik nicht als Eingeständnis angesehen würde, dass die Wirtschaft in Schwierigkeiten steckt, sagte Powell, dass es sich bei dem neuen Programm mitnichten um ein erneutes Quantitative Easing (QE) handelt würde. Im Rahmen der drei bereits abgeschlossenen QE-Programme, welche die Wirtschaft ankurbeln sollten, kaufte die Fed in den Jahren 2009 bis 2014 im großen Stil Wertpapiere und blähte so ihre Bilanz vorübergehend auf 4,5 Billionen Dollar auf.
Nun will die Fed mit ihrem neuen Programm, das nicht QE genannt werden soll, aber auch noch keinen eigenen Namen hat, US-Staatsanleihen mit kurzen Laufzeiten im Umfang von rund 60 Milliarden Dollar pro Monat kaufen, zumindest bis zum zweiten Quartal des nächsten Jahres. Zudem wird die Zentralbank zumindest bis Januar mit ihren täglichen Käufen im Übernacht-Repo-Markt in Höhe von 75 Milliarden Dollar und den Terminrückkäufen in Höhe von 35 Milliarden Dollar zweimal pro Woche fortfahren. Allerdings könnte der tatsächliche Umfang der Käufe, die erforderlich sind, um einen Zinsanstieg zu verhindern, sich auch als viel größer herausstellen.
In der vergangenen Woche hatte die Fed eine Übersicht veröffentlicht, in der sie die Unterschiede ihre aktuellen geldpolitischen Maßnahmen von den Wertpapierkäufen nach der Finanzkrise betont. Im Rahmen von QE habe man Wertpapiere mit längeren Laufzeiten gekauft, um die Zinsen zu senken und somit das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Die aktuellen Maßnahmen hingegen würden lediglich darauf abzielen, im Bankensystem eine ausreichende Versorgung mit Dollarreserven sicherzustellen - was in letzter Zeit nicht mehr der Fall gewesen war. Die aktuellen Maßnahmen sollten der Fed zufolge kaum einen Einfluss auf die langfristigen Zinsen, auf die Preise von Vermögenswerten oder auf die Wirtschaft insgesamt haben.
Trotz dieser Bemühungen der Fed, Unterschiede zwischen den alten Programmen und dem neuen Programm zu betonen, sind sie im Kern das Gleiche. Die Zentralbank kauft Wertpapiere, um die Zinsen im Geldmarkt beziehungsweise auf den Anleihemärkten nach unten zu drücken und die Banken mit Liquidität zu versorgen. Der einzige tatsächliche Unterschied, dass nämlich die Fed nach der Finanzkrise Papiere mit langen Laufzeiten kaufte und nun Papiere mit kurzen Laufzeiten kauft, ist geringfügig. Zudem scheint der Unterschied nachträglich herbeigeredet, da die Fed in ihrer eigenen Definition von QE diesen Unterschied gar nicht gemacht hat, sondern ihn erst jetzt ins Spiel bringt.
Ein weiterer Unterschied zwischen damals und heute, den Powell betont, ist der geringere Umfang des aktuellen Programms. Die QE-Programme haben die Bilanzsumme der Fed nach eigenen Angaben um mehr als 4 Billionen Dollar aufgeblasen. Dagegen scheinen die 180 Milliarden Dollar, welche die Fed im September in die Märkte gepumpt hat, wenig zu sein. Doch das sind nur die Zahlen für einen Monat, über die Jahre dürfte sich auch das neue Programm summieren. Selbst auf dem Höhepunkt der QE-Programme wuchs die Fed-Bilanzsumme "nur" um 85 Milliarden Dollar pro Monat.
Auch wenn sich die aktuellen Maßnahmen der Fed kaum von den früheren unterscheiden, so gibt es doch einen entscheidenden Unterschied im Hinblick darauf, wo im Finanzsystem die Probleme sich zeigen. Im Jahr 2009, als das erste QE-Programm startete, wollte die Fed die Zinsen für Anleihen mit langen Laufzeiten senken, da dieser Markt infolge wertloser Hypotheken-Papiere eingebrochen war. Inzwischen sind die langfristigen Zinsen auf einem Tiefpunkt angelangt, und Hypothekenausfälle verursachen zumindest für den Moment keine größeren Probleme im Bankensystem. Heute zeigen sich die Probleme bei Papieren mit kurzen Laufzeiten, insbesondere bei den nächtlichen Repo-Geschäften, mit denen sich die Banken kurzfristig gegenseitig Liquidität zur Verfügung stellen.
Denn der Bilanzabbau der Fed um monatlich 50 Milliarden Dollar, der Anfang 2018 begann und im zweiten Quartal 2019 endete, und die erhöhte Staatsverschuldung zogen massiv Liquidität aus dem Repo-Markt. Die Steuersenkungen des letzten Jahres und die wachsenden Staatsausgaben führten dazu, dass das diesjährige Defizit zum ersten Mal seit 2012 wieder über der Marke von 1 Billion Dollar liegt. Wenn die Defizite steigen, kommen mehr neue Staatsanleihen auf den Markt und ziehen Liquidität aus dem System.
Entgegen seinem Wahlversprechen hat Präsident Donald Trump die durchschnittliche Laufzeit der Staatsschulden nicht verlängert, sondern verkürzt. Und kürzere Laufzeiten bedeuten, dass jeden Monat mehr Schulden refinanziert werden müssen. Die Banken müssen diese Anleihen kaufen, so ist es seit der Krise von 2008 gesetzlich vorgeschrieben. In der Folge bleibt nicht genug Geld, um den Repo-Markt ausreichend liquide zu halten. Daher stiegen dort vor einigen Wochen die Renditen vorübergehend auf 10 Prozent und mehr. Zinssätze am Repo-Markt in dieser Höhe hätten die Wirtschaft in erhebliche Probleme bringen können. Daher sah sich die Fed zum Eingriff gezwungen und stellt seit dem 17. September im Schnitt mehr als 50 Milliarden Dollar pro Tag an Liquidität zur Verfügung. Doch das allein reicht offenbar nicht, weshalb sie nun außerdem Staatsanleihen mit kurzen Laufzeiten kauft.
Die Lehre aus den QE-Programmen ist ein berechtigter Zweifel an der Ankündigung der Fed, dass sie ihr neues Programm Mitte nächsten Jahres beenden wird. Denn sie hat bisher noch nie eines ihrer Programme zur Ankurbelung der Wirtschaft vollständig beendet. In diesem Jahr musste sie die geplante Anhebung der Zinsen abbrechen und hat die Zinsen im Juli sogar erstmals wieder gesenkt. Den einst versprochenen Abbau der riesigen Menge an Papieren, die sie im Rahmen der QE-Programme angehäuft hat, musste sie ebenfalls abbrechen. Stattdessen hat die Fed nun eine komplette Umkehr vollzogen und kauft mit ihrem neuen Programm weitere Wertpapiere hinzu.
Als im Jahr 2009 der damalige Fed-Chef Ben Bernanke das QE-Programm startete, betonte er, dass es sich nicht um eine Schuldenmonetarisierung handelt, also um eine Staatsfinanzierung mit der Notenpresse. Er sagte, dass das QE-Programm nur eine vorübergehende Maßnahme sei. Nach der Krise werde die Fed die angehäuften Papiere wieder an den Markt verkaufen. Doch wie sich nun zeigt, war das im besten Fall Wunschdenken. Die Fed hat nur etwa ein Viertel der aufgekauften Vermögenswerte wieder verkauft und mehr wird sie auch nicht verkaufen. Denn nun ist schon die nächste Krise da, sodass die Fed nun sogar zusätzliche Papiere hinzukauft.
Die Behauptung der Zentralbanker nicht nur in den USA, dass sie ihre Wertpapierkäufe irgendwann in der Zukunft wieder rückgängig machen und Bilanzen wieder normalisieren können, ist von den Ereignissen in der Realität widerlegt. Auch das neue Anleihenkaufprogramm der EZB, das im September gegen den Widerstand zahlreicher Eurostaaten durchgesetzt wurde, wird nicht umkehrbar sein. Auch das neue EZB-Programm wird in der Realität nichts anderes sein als Staatsfinanzierung mit der Notenpresse.