Finanzen

EZB-Ratsmitglied deutet erstmals Aktienkäufe durch die Zentralbank an

Lesezeit: 2 min
19.11.2019 16:00
Erstmals hat ein Mitglied des EZB-Rats öffentlich die Möglichkeit angedeutet, dass die Zentralbank künftig auch Aktien in ihre Bilanz aufnehmen könnte. In Japan und der Schweiz praktizieren die Notenbanken bereits diese direkte Finanzierung von Unternehmen mit aus dem Nichts geschaffenen Geld.
EZB-Ratsmitglied deutet erstmals Aktienkäufe durch die Zentralbank an
Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), bei ihrem Amtsantritt am 4. November (Foto: dpa)
Foto: Frank Rumpenhorst

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

EZB-Ratsmitglied Madis Müller hat gesagt, dass die Europäische Zentralbank ihr Programm zum Kauf von Wertpapieren ausweiten könnte, wenn sich die wirtschaftliche Situation im Euroraum deutlich verschlechtert. Zwar nannte er keine konkreten Vermögenswerte, doch seine Ausführungen deuten klar auch auf den möglichen Kauf von Aktien durch die Zentralbank hin.

"Wir machen bereits unkonventionelle Dinge", sagte Müller am Samstag bei einer Veranstaltung der Bundesbank in Frankfurt. "Man könnte sich natürlich noch unkonventionellere Dinge vorstellen, wenn die Situation wirklich schlimm wird", zitiert ihn Bloomberg.

Der Chef der estländischen Zentralbank nannte Japan und die Schweiz als Beispiele dafür, dass andere Zentralbanken größere Programme zur Stützung der Konjunktur unternehmen als die EZB für die Eurozone. Beide genannten Zentralbanken halten im großen Umfang Aktien in ihren Bilanzen. Es gibt "Möglichkeiten, mehr zu tun, als Staatsanleihen und ein paar Unternehmensanleihen und andere Vermögenswerten, die wir jetzt kaufen", sagte Müller.

Im September gehörte Müller zu den Mitgliedern des EZB-Rats, die gegen die vom damaligen EZB-Chef Mario Draghi vorangetriebene Entscheidung stimmten, den monatlichen Kauf von Wertpapieren wieder aufzunehmen. Die EZB kauft derzeit 20 Milliarden Euro an Finanzpapieren pro Monat, nachdem sie in einer früheren Runde, welche im vergangenen Jahr endete, bereits 2,6 Billionen Euro aus dem Nichts geschaffen und investiert hatte. Die Wiedereinführung des Anleihekaufprogramms ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass es im europäischen Finanzsystem einen erneuten Bedarf an liquiden Mitteln gegeben haben muss - ähnlich wie offenbar auch in den USA.

Staatsanleihen machen den größten Teil des aktuellen Kaufprogramms aus. Die EZB verfolgt mit ihre Wertpapierkäufen das erklärte Ziel, die Konjunktur der Eurozone wieder zu beleben. Sie läuft jedoch bereits Gefahr, ihre selbst gesetzten Grenzen im Hinblick darauf zu überschreiten, wie viele Anleihen sie von jedem ihrer 19 Mitgliedsstaaten der Eurozone kaufen kann. Die Zentralbank hat sich das Ziel gesetzt, ihre Wertpapierkäufe so lange fortzusetzen, bis die Inflation der Eurozone die Zielmarke von knapp 2 Prozent einhält. Dies wird jedoch nach ihren eigenen Prognosen erst für frühestens 2021 geschehen - wahrscheinlich aber nie oder sehr viel sdpäter. Die EZB erwartet derzeit keine Rezession, und die Wirtschaft der Eurozone hat sich besser entwickelt als im dritten Quartal prognostiziert.

Müller sagte, die Zentralbank müsse darüber nachdenken, wie niedrig sie die Renditen von Staatsanleihen drücken wolle und welche Vorteile das bringen würde. Die politischen Entscheidungsträger sollten sich auch "der unterschiedlichen Nebenwirkungen bewusst sein und zweimal darüber nachdenken, bevor sie etwas tun", insbesondere angesichts der vielen unkonventionellen Schritte, welche die EZB bereits unternommen hat, so der estnische Zentralbankgouverneur.

Nach Ansicht von Muller, der mit 42 Jahren das jüngste Mitglied des EZB-Rats ist, sind sehr niedrige Zinsen in der aktuellen Wirtschaftslage "sinnvoll". Im EZB-Rat hatte er zwar die Wiederaufnahme der Wertpapierkäufe kritisiert, doch die Absenkung des Einlagensatzes auf minus 0,5 Prozent unterstützte er im September. Allerdings sollte man seiner Ansicht nach nicht viel weiter gehen. "Irgendwann könnte man vor der Frage stehen, wie effektiv das noch ist."


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Yulin Delegation - Erfolgreich veranstaltetes Wirtschafts- und Handelsaustauschtreffen in Berlin

Am 25. April 2024 organisierte eine Delegation aus der chinesischen Stadt Yulin ein erfolgreiches Wirtschafts- und Handelsaustauschtreffen...

Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs oder Investmentfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.

DWN
Politik
Politik Heimatschutz: Immer mehr Bürger dienen dem Land und leisten „Wehrdienst light"
01.05.2024

Ob Boris Pistorius (SPD) das große Ziel erreicht, die Truppe auf über 200.000 Soldaten aufzustocken bis 2031 ist noch nicht ausgemacht....

DWN
Immobilien
Immobilien Balkonkraftwerk mit Speicher: Solarpaket könnte Boom auslösen - lohnt sich der Einbau?
01.05.2024

Balkonkraftwerke aus Steckersolargeräten werden immer beliebter in Deutschland. Insgesamt gibt es aktuell über 400.000 dieser sogenannten...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Weltweite Aufrüstung verschärft Knappheit im Metallsektor
01.05.2024

Die geopolitischen Risiken sind derzeit so groß wie seit den Hochzeiten des Kalten Krieges nicht mehr. Gewaltige Investitionen fließen in...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Nachhaltigkeit als Schlüsselfaktor für Unternehmenserfolg
01.05.2024

Die Studie „Corporate Sustainability im Mittelstand“ zeigt, dass der Großteil der mittelständischen Unternehmen bereits Maßnahmen...

DWN
Finanzen
Finanzen Private Pflegezusatzversicherungen: Wichtige Absicherung mit vielen Varianten
01.05.2024

Die gesetzliche Pflegeversicherung reicht oft nicht aus, um die Kosten im Pflegefall zu decken. Welche privaten Zusatzversicherungen bieten...

DWN
Unternehmen
Unternehmen 22-Prozent unbezahlte Überstunden: Wenn Spitzenkräfte gratis arbeiten
01.05.2024

Arbeitszeit am Limit: Wer leistet in Deutschland die meisten Überstunden – oft ohne finanziellen Ausgleich? Eine Analyse zeigt,...

DWN
Finanzen
Finanzen Die größten Kostenfallen: So sparen Sie bei Fonds, Aktien und Co.
01.05.2024

Viele Anleger unterschätzen die Wirkung von Anlagekosten. Dabei sind Fondsgebühren, Orderkosten und Co. auf lange Sicht enorm...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Konsumstimmung steigt: Die Deutschen shoppen wieder
01.05.2024

Laut aktuellen Erhebungen der GfK steigt die Konsumstimmung in Deutschland für den Mai auf ein Zwei-Jahres-Hoch. Ausschlaggebend sind...