Wirtschaft

Nach Umsturz in Bolivien: Neue Regierung beginnt mit dem Ausverkauf des Landes

Die neue Regierung in Bolivien beginnt, die Privatisierung der Wirtschaft voranzutreiben. Damit kehrt eine berüchtigte Phase in der Geschichte des Landes zurück, welche der gestürzte Präsident Morales beendet hatte. Ende der 1990er Jahre war die damalige Regierung soweit gegangen, den Himmel zu privatisieren, wodurch das Sammeln von Regenwasser verboten wurde.
19.12.2019 13:00
Lesezeit: 2 min

Die nach dem Sturz des früheren Präsidenten Evo Morales an die Macht gelangte Interimspräsident Jeanine Añez treibt die Privatisierung der bolivianischen Staatsunternehmen voran. Ihr "Minister für produktive Entwicklung und wirtschaftliche Pluralität", Wilfredo Rojo, sagte in der vergangenen Woche: “Ich bin liberal. Die Regierung sollte erheblich abbauen und den privaten Unternehmen eine größere Rolle einräumen.”

Die Unternehmen, die derzeit vom Staat verwaltet werden und Anzeichen von “Ineffizienz” aufweisen, müssen Rojo zufolge von Privatunternehmen verwaltet werden. Unter dem ehemaligen Präsidenten Evo Morales wurden 17 staatliche Unternehmen gegründet, die nun privatisiert werden sollen. Nach Ansicht von Rojo sollten diejenigen, die keine Anzeichen von angemessenen Gewinnen aufwiesen, vom Staatsapparat nicht weiter unterstützt und stattdessen an ausländische Käufer veräußert werden. Konkret nannte Rojo das bolivianische Telekommunikationsunternehmen Entel. “Warum sollte Entel geschützt werden? Wie strategisch ist es?”, zitiert Die Zeitung Opinión den Minister.

Dieser jüngste Schritt zur Privatisierung der Wirtschaft ist Teil der Bemühungen, “den Apparat des diktatorischen Regimes von Evo Morales zu demontieren”, zitiert die Agencia Fides die Kommunikationsministerin der neuen Regierung, Roxana Lizarraga.

Im Jahr 1996 wurde auf Druck des IWFs die Öl- und Gasindustrie des Landes privatisiert. YPFB (Boliviens staatliches Erdgas- und Erdölunternehmen) wurde in drei Unternehmen aufgeteilt, und 50 Prozent der Aktien wurden an den privaten Sektor versteigert. Dieser Prozess übergab die Kontrolle über die wichtigsten Vermögenswerte von YPFB an private Unternehmen. Die Gewinner der Auktion, darunter Enron, Shell und Repsol YPF, wurden nicht aufgefordert, für ihre Aktien zu zahlen. Stattdessen verpflichteten sie sich lediglich, über einen Zeitraum von sieben Jahren einen Betrag zu investieren, der mindestens dem “Verkaufspreis“ entspricht, schreibt Brent z. Kaup in einem Beitrag von Latin American Perspectives mit dem Titel “A Neoliberal Nationalization”.

Auch das Wasser des Landes wurde privatisiert. Das US-Unternehmen Bechtel erhöhte die Wasserpreise auf ein solches Niveau, das es sich kaum ein Bolivianer leisten konnte, bis zu dem Punkt, an dem Wasser und Abwasser mehr als die Hälfte des durchschnittlichen Jahreslohns eines Bolivianers aufrasen. Bechtel überzeugte die damalige bolivianische Regierung auch, den Himmel zu privatisieren, um das Sammeln von Regenwasser illegal zu machen. Das Ergebnis war ein Massenhunger, der zu landesweiten Protesten und zum berüchtigten “Wasserkrieg von Cochabamba” führte, berichtet The Economist.

Besonders interessant wird zu beobachten sein, wer Zugriff auf die umfangreichen Lithium-Reserven des Landes erhalten wird. Lithium gilt als strategischer Rohstoff für die Elektroauto-Branche. Kurz vor seinem Sturz hatte Morales noch einen großen Deal mit den Chinesen abgeschlossen, welche nun im Rennen um die Rohstoffkonzessionen ins Hintertreffen geraten dürften.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Drohnenabwehreinheit der Bundespolizei in Dienst gestellt
02.12.2025

Die Bundespolizei verstärkt ihre Drohnenabwehr erheblich. Mit 130 Spezialkräften, KI-gestützten Störsystemen und automatischen...

DWN
Finanzen
Finanzen Ripple XRP News: Digitale Zahlungen im Asien-Pazifik-Raum wachsen stark
02.12.2025

XRP, die Kryptowährung von Ripple, könnte sich bald von Bitcoin abkoppeln. In Singapur erhält das Unternehmen eine erweiterte Lizenz, um...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Das italienische Wunder: Geschaffen mit EU-Geld und Schattenwirtschaft
02.12.2025

Italien feiert eine Hochstufung seiner Bonität und spricht vom „neuen Wirtschaftswunder“. Doch unter der Oberfläche zeigen sich...

DWN
Finanzen
Finanzen Kryptowährung kaufen: So erkennen Anleger gute Einstiegsphasen
02.12.2025

Kryptowährungen gewinnen weltweit an Bedeutung, zugleich bleibt der richtige Einstiegszeitpunkt für viele Anleger schwer zu bestimmen....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Mindestlohnerhöhung 2026: Praxisleitfaden mit Checkliste und Rechenbeispielen für Betriebe
02.12.2025

Die Mindestlohnerhöhung ab 2026 bringt spürbare Veränderungen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Wie stark Betriebe tatsächlich...

DWN
Finanzen
Finanzen Schufa öffnet Blackbox: Neuer Score ab Ende März einsehbar
02.12.2025

Ab Ende März 2026 können Verbraucher den neuen Schufa-Score kostenfrei einsehen. Die Berechnung orientiert sich an zwölf...

DWN
Finanzen
Finanzen Bayer-Aktie steigt: Supreme Court prüft Glyphosat-Urteil
02.12.2025

Die Bayer-Aktie klettert auf ein neues Jahreshoch, beflügelt durch die Unterstützung des US-Generalstaatsanwalts. Analysten sehen Chancen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Schwacher Werbemarkt: RTL Deutschland streicht 600 Stellen
02.12.2025

Einbrechende Werbemärkte und eine schwache Konjunktur zwingen RTL Deutschland zu einem tiefen Einschnitt. Der Konzern streicht 600 Stellen...