Als der damalige Daimler-Chef Dieter Zetsche vor anderthalb Jahren in Stockholm sein erstes Elektroauto, den SUV "EQC", vorstellte, war die Führungsriege des deutschen Autobauers noch voller Optimismus: "Dies ist ein Anbruch einer neuen Ära", versprach Zetsche und blies damit zur Aufholjagd, um Tesla und die deutsche Konkurrenz einzuholen, die schon viel früher ihre ersten E-Wagen präsentiert hatten. Das Unternehmen werde mit dem "EQC" seinen Kunden ein "perfektes Gesamtpaket" aus "überragendem Design, enormer Funktionalität, heraustechender Sicherheit und unübertroffener Bequemlichkeit" bieten, übertraf sich der Manager selber mit Superlativen.
Doch nun ist erst einmal Ernüchterung eingekehrt: Denn im November hat der Autobauer gerade einmal 19 Fahrzeuge des Spitzenmodells der AMG-Linie verkauft, wie die deutsche Tageszeitung "Die Welt" berichtet. Das Blatt hat die Zahlen des Kraftfahrtbundesamtes analysiert und festgestellt, dass die Zulassungszahlen für E-Autos in Deutschland zwar grundsätzlich relativ gering sind. Doch seien die Verkaufsstatistiken für den "EQC" "bemerkenswert niedrig". Denn die Konkurrenz habe wesentlich bessere Resultate vorzuweisen, auch wenn diese Zahlen natürlich ebenso gering seien.
So hat Audi von seinem E-Wagen, dem E-Tron, im elften Monat 2019 immerhin 192 Stück unter die Kunden gebracht. Und nicht nur das: Im ersten Verkaufsmonat, im März, verkaufte das Unternehmen immerhin 478 Stück.
E-Autos bleiben Nischenprodukt
Die niedrigen Zahlen der Hersteller entsprechen der Entwicklung des Gesamtmarktes: So wurden bis Ende November des vergangenen Jahres gerade einmal 57.500 E-Autos zugelassen. Das Gesamtvolumen lag hingegen bei knapp 3,6 Millionen Fahrzeugen. Das bedeutet, die Stromer machen bisher weniger als zwei Prozent an allen PKWs aus. Viel ist das mit Sicherheit nicht. Dass sich die Technologie auf den deutschen Straßen durchsetzt, kann man also nicht sagen. Das E-Auto bleibt bis dato nur ein Nischenprodukt.
Und dass gerade Daimler hier besonders große Startschwierigkeiten hat, ist eigentlich auch keine wirkliche Überraschung. Das Unternehmen will in den kommenden Jahren zwar elf Milliarden Euro in die neue Technologie investieren. Zehn Milliarden Euro entfallen dabei auf die Entwicklung der Modelle und eine Milliarde auf die E-Batterien. Doch wirkt es so aus, dass dieses Produkt für Daimler immer noch das ungeliebte Kind bleibt, das es eigentlich gar nicht will.
Mögliches Problem: Daimler baut keine eigene Elektrofertigung auf
Denn der Autobauer will keine richtige Elektroanfertigung aufbauen. Die künftigen Modelle sollen zwar auf einer eigenen Elektroplattform entstehen, doch werden die EQ-Modelle auf den Bändern gebaut, von denen auch die Wagen mit den Verbrennungsmotoren laufen. "Ich sehe keinen Nutzen darin, eine pure Elektroautofertigung aufzubauen", hatte Zetsche erklärt. Damit verfolgt der Konzern eine andere Strategie als VW, das eine eigene Produktion für die Stromer aufbaut.
Doch nicht nur die Strategie, die Daimler eingeschlagen hat, könnte ein Problem sein. Zudem hat die Fachpresse bei der Präsentation des "EQC" vor zwei Jahren auch einige technische Eigenschaften analysiert, die sie für nicht sonderlich attraktiv halten. "Die Eckdaten sind solide, überragend sind sie jedoch nicht", findet das "Manager Magazin". Die Fachleute der Publikation gehen davon aus, dass man in der Praxis rund 350 Kilometer mit einer Akkuladung fahren kann. Der "E-Tron" von Audi erreicht damit allerdings bis zu 500 Kilometer. Und die Modelle "S" und "X" von Tesla liegen ihren Berechnungen zufolge sogar noch "etwas darüber".
Allerdings ist für Daimler mit Sicherheit noch nicht alle Tage Abend. Denn gerade gegen Ende des Jahres haben sich viele potenzielle Kunden zurückgehalten, weil im laufenden Jahr 2020 die staatlichen Prämien für den Erwerb eines Stromers größer werden sollen. Aus diesem Grund ist der Absatz von E-Wagen in Deutschland in den letzten Monaten des Jahres 2019 nahezu zum Erliegen gekommen. Man muss also abwarten, wie sich die kommenden Verkaufsmonaten entwickeln, um sich ein umfassendes Urteil über den Erfolg des "EQC" zu bilden.