Deutschland

US-Sanktionen und maue Konjunktur vertreiben deutsche Investoren aus Russland

Russland, die zwölfgrößte Wirtschaft der Welt, entwickelt sich derzeit nur im Schneckentempo. Ein Grund: Die US-Sanktionen, die überwiegend die russischen Unternehmen, aber auch die deutschen Investoren empfindlich treffen. Seit dem Ausbruch der Ukraine-Krise hat ein Drittel der Deutschen das Land verlassen. Die Wachstumsziele, die sich die russische Regierung für die kommenden Jahre gesetzt hat, dürfte das Land nicht erreichen, glauben internationale Volkswirte.
22.01.2020 16:17
Lesezeit: 3 min
US-Sanktionen und maue Konjunktur vertreiben deutsche Investoren aus Russland
Die Sonne taucht hier zwar über einen orthodoxen Kirche in Russland auf. Trotzdem scheint sie für die russische Wirtschaft noch lange nicht (Foto: dpa). Foto: Dmitri Lovetsky

„Sanktionen, Protektionismus und die schwächelnde Konjunktur in Russland sind eine große Herausforderung für deutsche Unternehmen auf dem russischen Markt. Amerika sollte aufhören, auf Kosten deutscher und europäischer Unternehmen immer weiter an der Sanktionsspirale zu drehen, wie es Washington zuletzt mit den Sanktionen gegen Nord Stream 2 getan hat“, warnte Matthias Schepp, der Vorstandsvorsitzende der AHK Russland.

Damit reagierte Schepp auf den zunehmenden Rückzug deutscher Investoren aus Russland, der seit dem Ausbruch der Ukraine-Krise vor fünf Jahren eingesetzt hat. Die aktuellen Zahlen der Organisation sprechen da eine deutliche Sprache: So waren im vergangenen Jahr im Land nur noch 4274 aktiv, wie die russischen Steuerbehörden berichten. Das war ein Drittel weniger als vor dem Beginn des Krieges in der Ostukraine. Seitdem haben sich von Jahr zu Jahr immer mehr deutsche Manager zurückgezogen – zuletzt waren im Land im vergangenen Jahr im Vergleich zum Vorjahr acht Prozent weniger aktiv.

Dass die Sanktionen für die deutschen Unternehmen besonders schmerzhaft sind, lässt sich auch in den Statistiken ablesen: Wissenschaftler aus Hongkong und Kiel haben errechnet, dass das Handelsembargo den deutschen Firmen pro Monat fast 600 Millionen Euro Verluste bringt. Die Deutschen gehören damit zu denjenigen Akteuren, die besonders stark darunter zu leiden haben. Darüber hinaus trägt Russland und seine Unternehmen den größten Schaden davon, die USA hingegen nur sehr wenig.

Russisches BIP 2019 wohl um etwa ein Prozent gewachsen

Zu diesem Problem kommt hinzu, dass die Konjunktur schwächelt: So ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) nach den ersten elf Monaten des vergangenen Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum nur um 1,1 Prozent gewachsen. Zwölf Monate zuvor hatte das Plus noch bei 2,1 Prozent gelegen. Deshalb kann man davon ausgehen, dass auch das Gesamtjahr 2019 auf einem Niveau von einem Wachstum von rund einem Prozent oder etwas mehr geendet hat. Das russische Wirtschaftsministerium geht von einem Plus von 1,3 Prozent aus.

Zum Vergleich: Die Weltwirtschaft ist nach Schätzungen der OECD im vergangenen Jahr um 3,5 Prozent gewachsen. Die Euro-Zone dürfte nach Erwartung der EU um 1,2 Prozent geklettert sein. Deutschland hingegen hat sich wohl sogar nur um 0,5 Prozent vergrößert. Die größten Volkswirtschaften der Welt, die USA und China, haben sich hingegen wahrscheinlich wesentlich besser entwickelt: Nach IWF-Schätzungen lag das Plus der US-amerikanischen Volkswirt bei 2,4 Prozent, während das Reich der Mitte um 6,1 Prozent gestiegen ist.

Schlüsselbranche Transportwesen mit Rückgängen

Damit fällt die Entwicklung in Russland nicht übermäßig positiv aus, auch wenn die russische Wirtschaft wohl noch besser dasteht als die EU und Deutschland. Insbesondere die Industrieproduktion der zwölfgrößten Volkswirtschaft der Welt hat dafür gesorgt, dass sich das Wachstum verlangsamt hat. Denn sie ist im November lediglich um 0,3 Prozent gewachsen.

Doch das ist noch nicht alles: Auch die Bauwirtschaft hat nicht gerade mit übermäßigem Wachstum geglänzt: Sie ist im elften Monat gerade einmal um 0,2 Prozent geklettert, nachdem sie bereits im Vormonat nur ein sehr geringes Wachstum verzeichnet hatte. Die Bauunternehmen sind für die Entwicklung wichtig, weil sie grundsätzlich bis zu zehn Prozent zum BIP beisteuern und damit eine Säule der Gesamtwirtschaft sind – neben der Ölindustrie und dem Bergbau sowie dem Transportwesen. Die Transportbranche hat sich im elften Monat im Vergleich zum Vormonat sogar um 1,5 Prozent verringert.

Vertreter des russischen Staates: „2020 wird ein gelungenes Jahr”

Auf einem ähnlichen Niveau wird sich die Wirtschaft auch im laufenden Jahr entwickeln. Die internationalen Banken und Einrichtungen gehen in ihren Schätzungen von einem Plus zwischen einem und zwei Prozent aus. Insgesamt zeigten sich die Vertreter des russischen Staates vorsichtig optimistisch: „2020 wird in wirtschaftlicher Hinsicht für Russland ein gelungenes Jahr werden”, sagte Sergiej Kalaschnikow, der stellvertretende Chef des Wirtschaftskommitee Russlands. „Die Projekte, die im Land gestartet werden, dürften die Grundlage für das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) werden”, erklärte Kalaschnikow.

Dabei setzt der Wirtschaftsexperte des russischen Staates überwiegend auf die Entwicklung der digitalen Wirtschaft: „Obwohl das vergangene Jahr in diesem Bereich nur sehr bescheidene Resultate gebracht hat, werden wir hier wohl im Jahr 2020 eine positive Dynamik sehen”, meinte Kalaschnikow.

Raiffeisenbank: Russland wird Wachstumsziele für kommende Jahre nicht erreichen

Seine Regierung hat für die kommenden Jahre ein jährliches BIP-Wachstum prognostiziert, das „über dem Wachstum der Weltwirtschaft liegt”. Für das laufende Jahr geht der IWF für die globale Ökonomie von einem Plus von 3,4 Prozent aus, das Russland folglich übertreffen müsste. „Man sollte sich aber keine Hoffnungen machen, dass dies dem Land gelingen wird”, warnte allerdings Stanislav Murashov, Analyst der Raiffeisenbank in Moskau.

„Angesichts der gespannten außenpolitischen Lage ist es unwahrscheinlich, dass die russische Regierung von ihrem auf Absicherung vor Risiken ausgerichteten Sparkurs abgehen wird“, sagte der Fachmann, der für 2020 von Wachstum von 1,7 Prozent ausgeht.

Damit sprach der Experte einen wichtigen Aspekt an: Mit Sicherheit wird die weitere Entwicklung der deutschen Unternehmen davon abhängen, ob und inwieweit die USA die Sanktionen gegen das Land fortsetzen. Das dürfte in Zukunft der entscheidende Faktor sein, ob sich noch mehr deutsche Manager dafür entscheiden, ihre Zelte in Russland abzubauen.

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