Finanzen

Coronavirus: Schwere Einbrüche in China - und ein bevorstehender Schwächeanfall der Weltwirtschaft

Lesezeit: 5 min
13.02.2020 09:46  Aktualisiert: 13.02.2020 09:46
Die Auswirkungen des Coronavirus auf die ohnehin seit Jahren schwächelnde Weltwirtschaft dürften signifikant sein. Der Ausnahmezustand in Teilen Chinas hat viele Branchen und Lieferketten schwer getroffen, inzwischen werden Notkredite verteilt. Erstmals seit 2009 wird zudem mit einem weltweiten Rückgang der Nachfrage nach Öl gerechnet.
Coronavirus: Schwere Einbrüche in China - und ein bevorstehender Schwächeanfall der Weltwirtschaft
Ein Notausgang mit den Flaggen der EU und Chinas. (Foto: dpa)
Foto: Christian Charisius

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Viele Anzeichen deutet darauf hin, dass der Ausbruch des Coronavirus der ohnehin seit Jahren schwächelnden Weltwirtschaft massiv schaden wird. Dies liegt in erster Linie daran, dass China Ursprungsort und Hauptleidtragender des Virus ist – und damit die größte beziehungsweise zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt – je nachdem, ob man Kaufkraftparitäten bei der Berechnung der Wirtschaftsleistung berücksichtigt.

Chinas Aufstieg seit Ende der 1970er Jahre gilt als Motor der wirtschaftlichen Gesamtentwicklung auf dem Globus. Vielen Ökonomen zufolge war es auch der kreditfinanzierte Nachfrageimpuls aus dem Reich der Mitte, welcher die nach der Finanzkrise einsetzende Aufwärtsentwicklung seit 2009 überhaupt erst ermöglichte. Es war der längste, aber auch einer der schwächsten Aufschwünge seit Beginn der Aufzeichnungen. Aktuell verfügbare Daten deuten nun aber darauf hin, dass diese Erfolgsgeschichte endgültig vorbei ist.

Abzulesen ist der Schwächeanfall der chinesischen Wirtschaft etwa am Einbruch der Nachfrage nach Kupfer, welcher den Preis für den Industrierohstoff in den vergangenen Wochen deutlich gedrückt hatte. Der Kupferpreis gilt aufgrund der starken Verwendung des Metalls in der Industrie als sicherer Indikator für wirtschaftliche Aktivität. Mitte Januar betrug er noch rund 6,30 Dollar pro Kilo und ist nun auf rund 5,60 Dollar gesunken. Auf China allein entfällt Schätzungen zufolge die Hälfte der weltweiten Kupfernachfrage.

Wie die Financial Times berichtet, haben chinesische Großkunden in den vergangenen Tagen in großem Umfang Kupferbestellungen in Übersee verschoben oder gestrichen – ebenso wie Bestellungen für Flüssiggas oder Rohöl. Als Grund für ihre Entscheidung verweisen sie auf die durch den Virenausbruch entstandene Ausnahmesituation – etwa Ausgangsperren für Millionenstädte und den daraus resultierenden Wirtschaftsabschwung.

In China wurden mehrere Millionenmetropolen, darunter die Provinzhauptstadt Wuhan, die als Ausgangspunkt des Virus gilt, praktisch von der Außenwelt abgeschottet. Fabriken und Schulen wurden geschlossen, Fluggesellschaften strichen Flüge in das Land. Unternehmen hatten zu Wochenbeginn Mühe, zum Normalbetrieb zurückzukehren, nachdem die Behörden sie aufgefordert hatten, bis zu zehn zusätzliche Tage auf die Neujahrsfeiertage aufzuschlagen, die Ende Januar endeten. „Die Epidemie ist nicht nur ein chinesisches Problem, sie ist ein weltweites Problem“, wird ein Unternehmenssprecher von der FT zitiert – eine Anspielung auf die starke Vernetzung Chinas mit dem Rest der Welt.

Ganz bitter dürfte es für die Autobranche des Landes werden – und damit auch für die angeschlagenen deutschen Konkurrenten, welche in China hauptsächlich Premiummodelle absetzen. Der größte Automarkt der Welt befindet sich seit 2018 in einer Rezession, die Verkaufszahlen sinken von Monat zu Monat. Im Januar stiegen die Lagerbestände unverkaufter Fahrzeuge um 6,5 Prozent auf durchschnittlich 62,7 Prozent. Branchenbeobachtern zufolge gelten etwa 50 Prozent als normal.

Der Einbruch dürfte im Februar noch deutlich schwerer ausfallen. Denn das Virus tauchte überhaupt erst Mitte Januar in den internationalen Schlagzeilen auf und das Ausmaß der Folgen für die Gesellschaft und die Wirtschaft wurde erst in den Wochen danach deutlich. Bloomberg zufolge rechnen Chinas Autohändler mit einem Einbruch der Nachfrage im Februar um rund 50 Prozent zum Vorjahresmonat. Umfragen des chinesischen Automobilverbandes zufolge hatten 70 Prozent aller Autohäuser im Januar überdies so gut wie keine Kunden. Schon Mitte Januar hatte Chinas Minister für Industrie und Informationstechnologien öffentlich prognostiziert, dass die Verkaufszahlen im Jahr 2020 gegenüber 2019 weiter zurückgehen werden.

Die Krise in China wird nach Einschätzung des Wirtschaftsweisen Volker Wieland zusehends zur Belastungsprobe für die exportabhängige deutsche Autobranche. „Es wird eine bedeutende Verwerfung für die Autoindustrie in diesem Quartal geben“, sagte er in einem am Dienstag veröffentlichten Reuters-Interview. Auf die Frage, ob deutsche Hersteller wie Daimler oder Volkswagen ihre Gewinnziele wegen der Viruskrise zurückstutzen müssten, antwortete er: „Ich denke schon. Auf jeden Fall wird es beim Absatz in China einen Einbruch geben - wenn auch nur temporär.“ Wieland hält es für möglich, dass es nach Abklingen der Krise einen positiven "Rückpralleffekt" im nächsten und übernächsten Quartal geben wird. Für die deutschen Hersteller ist China der wichtigste Markt und ein wachsender Produktionsstandort. Die Epidemie könnte Experten zufolge den Autoabsatz und die Fertigung in China in diesem Jahr um drei bis fünf Prozent nach unten drücken. Wieland verwies allerdings darauf, dass die deutschen Autounternehmen viele Fahrzeuge in China produzieren. „Und das nicht nur für den chinesischen Markt. Das heißt, dass es auch Lieferprobleme geben wird, wenn sie oder ihre Zulieferer den Betrieb temporär einstellen“. Doch werde das Virus auch wieder abklingen. „Und deswegen denke ich, dass man es als einmaligen Schock kategorisieren kann - wobei es auch nachfolgend eine gewisse Erholung gibt und nicht eine strukturelle Schwäche“, sagte der Ökonom.

Auch der weltweite Ölmarkt ist von den Vorgängen in China – dem größten Nachfrager nach Erdöl auf der Welt – direkt betroffen. Bloomberg zitiert Manager aus westlichen Ländern und China, denen zufolge die Nachfrage nach Rohöl im Vergleich zu den Vorjahren um etwa 20 Prozent eingebrochen sei. „Der Rückgang ist wahrscheinlich der schwerste Nachfrageschock, den der Ölmarkt seit der Finanzkrise 2008 erfahren musste und der abrupteste seit den Anschlägen vom 11. September 2001“, wird ein Verantwortlicher zitiert. Die weltweit gefragtesten Ölsorten – Brent und WTI – haben seit dem 7. Januar etwa 15 Dollar pro Barell (159 Liter-Fass) verloren.

Die Auswirkungen der Krise dürften auch nach Einschätzung der Internationalen Energieagentur (IEA) zum ersten Rückgang der globalen Nachfrage nach Rohöl seit etwa zehn Jahren führen. Die Nachfrage sei durch den neuartigen Coronavirus und die Auswirkungen auf die chinesische Wirtschaft "hart getroffen" worden, hieß es in dem am Donnerstag in Paris veröffentlichten Monatsbericht des Interessenverbands führender Industriestaaten. Die Experten räumten ein, dass es zum jetzigen Zeitpunkt schwer sei, eine präzise Prognose über die möglichen Folgen zu erstellen. In den ersten drei Monaten des Jahres ist laut der aktuellen IEA-Prognose mit einem weltweiten Rückgang der Ölnachfrage um durchschnittlich 435 000 Barrel (je 159 Liter) pro Tag zu rechnen. Zuvor hatte der Interessenverband für das erste Quartal noch einen Zuwachs um 800 000 Barrel pro Tag prognostiziert. Im gesamten Jahr 2020 dürften die Folgen der Virus-Krise das Wachstum der Nachfrage um etwa 30 Prozent bremsen, hieß es weiter. Demnach sei nur noch mit einer Zunahme um durchschnittlich 825 000 Barrel pro Tag zu rechnen. Nach Einschätzung der IEA-Experten werden die Auswirkungen der Coronavirus-Epidemie stärkere Auswirkungen auf die Nachfrage nach Rohöl haben als die Sars-Epidemie 2003, die ebenfalls von China ausging. Sie begründen dies mit der mittlerweile gewachsenen Bedeutung Chinas für die gesamte Weltwirtschaft.

Die Ausbreitung des Coronavirus schürt zudem die Sorge vor einem spürbaren Arbeitsplatzabbau bei Unternehmen. So gab das Medienunternehmen Xinchao Media an, rund jede zehnte Stelle zu streichen, um das eigene „Überleben zu sichern“, wie der Konzern auf seinem Account beim Messengerdienst WeChat mitteilte. „Um die Epidemie zu überwinden, muss man auf die Bremse treten, den Cash-Flow blockieren, die Kosten senken“, wurde Firmenchef Zhang Jixue zitiert. Viele Firmen spüren seit Ende Januar Gegenwind - etwa durch verlängerte Werksferien, sinkende Nachfrage oder weniger Konsum. „Es ist möglich, dass das Coronavirus im ersten Quartal zum Abbau von zwei bis drei Millionen Arbeitsplätzen führen könnte“, sagte Nie Wen, Analyst beim Finanzdienstleister Hwabao Trust. Der Experte erwartet zwar, dass die Stellenverluste vorübergehend seien dürften. Die öffentliche Hand sollte aber vor allem kleinere Betriebe unterstützen, da viele von ihnen hoch verschuldet seien und wegen Problemen mit dem Geld-Fluss (Cash-Flow) die Krise nicht überleben könnten, warnte Nie.

Schon jetzt fließen Notkredite in Milliardenumfang an die Banken und Großkonzerne des Landes. Die Zentralbank hatte in den vergangenen Wochen bereits hunderte Milliarden Yuan in Form von Kurzfristkrediten in das Finanzsystem gepumpt, um die massiven Abverkäufe am Aktienmarkt auszugleichen. Auch mehr als 300 Unternehmen beantragten Berichten zufolge Kredite in Höhe von umgerechnet mindestens 8,2 Milliarden Dollar, um die wirtschaftlichen Auswirkungen des Coronavirus abzumildern, sagen zwei mit der Angelegenheit vertraute Bankmitarbeiter der Nachrichtenagentur Reuters.

Auch den Welthandel wird der Coronavirus auf Monate belasten. Obwohl China seine Häfen nicht geschlossen hat, fahren Reedereien Branchenkennern zufolge die Volksrepublik weniger an, berichtet Reuters. Zahlreiche Routen müssten verlegt werden. Hintergrund ist die Abschirmung von Städten und die Schließung von Fabriken, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen. China ist für die Frachtschifffahrt jedoch von zentraler Bedeutung, fast alle Sorten von Gütern werden von dort verschifft: Lebensmittel, Telefone, Designerkleidung und Industrieteile. Die drei größten Containerreedereien - Maersk, MSC und CMA CGM - haben Fahrten nach China reduziert, wie sie in den vergangenen Tagen erklärten. Das führt zu einem Rückstau, der die Branche noch länger beschäftigen dürfte. Darauf deuten auch die Lagerbestände in Hafen von Busan in Südkorea. Dort sind 78 Prozent der Lagerkapazitäten für Container belegt, wie ein Vertreter des Hafenbetreibers sagte. Üblicherweise sind es 70 Prozent. Sollte die Quote 80 Prozent übersteigen, sei es kaum noch möglich, den Hafen effizient zu betreiben. Einige Analysten rechnen mit Unterbrechungen bis in den März hinein.


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