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«Größte Krise unserer Geschichte» - Kampfabstimmung um CDU-Vorsitz

Armin Laschet und Friedrich Merz kandidieren für den CDU-Vorsitz und beanspruchen ein Zugriffsrecht auf die Kanzlerkandidatur der Union.
25.02.2020 13:05
Lesezeit: 3 min
«Größte Krise unserer Geschichte» - Kampfabstimmung um CDU-Vorsitz
Gesundheitsminister Jens Spahn und Armin Laschet, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, äußern sich bei einer Pressekonferenz am Dienstag in Berlin zu einer möglichen Kandidatur für den CDU-Vorsitz. (Foto: dpa) Foto: Michael Kappeler

Mit der Kandidatur von Armin Laschet und Friedrich Merz steht die CDU vor einer Kampfabstimmung über ihren künftigen Vorsitz. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident und der ehemalige Unionsfraktionschef erklärten ihre Bewerbung in kurzem Abstand am Dienstag in Berlin. In der vergangenen Woche hatte schon der ehemalige Umweltminister Norbert Röttgen seine Kandidatur für den Parteivorsitz angekündigt. Gesundheitsminister Jens Spahn will im Einvernehmen mit Laschet Parteivize werden und kündigte seine Unterstützung für den NRW-Ministerpräsidenten an. Wer das Rennen macht, entscheiden die Delegierten am 25. April auf einem Sonderparteitag in Berlin.

«Wir haben seit heute einen offenen Wettbewerb in der CDU», sagte Merz. Das sei innerparteiliche Demokratie. Es gebe allerdings sehr unterschiedliche Akzente. «Diese Entscheidung ist auch eine Richtungsentscheidung für die CDU.» Die Alternative sei Kontinuität, wofür Laschet stehe, oder Aufbruch und Erneuerung, wofür er stehe, sagte Merz. Er wolle, «dass sich diese Partei wirklich grundlegend erneuert», so der 64-Jährige. «Wir verkörpern auch zwei unterschiedliche Richtungen.»

Laschet bot sich dagegen als Versöhner für die Partei an. Er habe in den vergangenen Tagen versucht, mehrere der Bewerber für den Chefposten einzubinden, betonte er. «Ich bedauere, dass nicht alle Kandidaten sich diesem Team-Gedanken anschließen konnten», sagte er - offensichtlich ein Seitenhieb gegen Merz.

Der 59-jährige Laschet sieht sich zugleich als möglicher Kanzlerkandidat der Union. Die Frage werde aber gemeinsam mit der CSU entschieden. Dazu werden nach seinen Worten die Chefs der Schwesterparteien einen Vorschlag machen - wann genau, ließ er offen. Sofort solle dies nicht geschehen. «Aber für den CDU-Teil ist jedenfalls mit einer Entscheidung auf dem Bundesparteitag klar, wer der CDU-Vorschlag in diesem Gespräch sein wird.»

Laschet erklärte, er wolle, sollte er gewählt werden, Spahn als seinen Stellvertreter an der Parteispitze vorschlagen. Damit wolle er auch zeigen, dass die verschiedenen Strömungen ihren Platz haben.

Auch Merz sagte, über die Kanzlerkandidatur werde im Einvernehmen von CDU und CSU entschieden. Zuständig seien üblicherweise die Parteivorsitzenden und -präsidien. «Das wäre auch meine Lösung.» Bei seiner Wahl als Parteichef werde er auf jeden Fall eine Frau als Generalsekretärin vorschlagen. Die weitere personelle Neuaufstellung der CDU finde beim regulären Parteitag im Dezember statt.

Merz teilte mit, er habe im Gespräch mit Laschet signalisiert, dass er bereit sei, für den Platz des Stellvertreters zu kandidieren, der bei einer Wahl Laschets frei werde. Diese Frage habe sich mit dem heutigen Tag aber erledigt, sagte er angesichts Spahns Ambitionen als Vize. Daher gelte: «Ich spiele hier auf Sieg und nicht auf Platz.» Auf die Frage, was er von dem Tandem Laschet-Spahn halte, sagte er, ihm stehe es nicht zu, «die beiden jetzt persönlich zu bewerten». In der Wirtschaft «würde man vielleicht von einer Kartellbildung zur Schwächung des Wettbewerbs sprechen». Das sei hier aber «legitim».

Spahn sagte: «Es kann nur einen Parteichef geben.» Das bedeute auch, dass jemand zurückstehen müsse. Deshalb unterstütze er Laschet bei seiner Kandidatur. Dieser habe in NRW bewiesen, dass er liberale und konservative Strömungen zusammenführen könne. «Wir müssen mehr denn je zusammenstehen», beschwor Spahn seine Parteikollegen.

Laschet sagte, er wolle die «vertrauensvolle Zusammenarbeit» mit der CSU und ihrem Vorsitzenden Markus Söder fortsetzen. Dessen Forderung nach einer baldigen Kabinettsumbildung machte er sich aber nicht zu eigen. Querschüsse gegen die Regierung oder Kritik an der großen Koalition werde es von ihm nicht geben, versprach er - wohl auch mit Blick auf die neue SPD-Spitze. Er betonte aber, «die Zukunft muss anders sein als der jetzige Koalitionsvertrag».

Laschet erklärte, er könne seine Erfahrung als Ministerpräsident aus Nordrhein-Westfalen einbringen, wo es genauso wie im Bund darum gehe, die verschiedenen Interessen von Stadt und Land zu berücksichtigen. In Deutschland und Europa werde im Moment wieder Grundlegendes infrage gestellt. Juden und Menschen mit Zuwanderungsgeschichte berichteten ihm von Ängsten. In dieser Lage sei es auch wichtig, «Zuversicht» auszustrahlen. Laschet kündigte an, er wolle weiterhin Ministerpräsident bleiben.

Merz betonte, er wolle für mehr «Chancengerechtigkeit für die junge Generation» eintreten. Zudem erklärte er: «Der innere Friede in unserem Land ist bedroht.» Zu den jüngsten Anschlägen sagte er: «Wir haben in diesem Lande über viele Jahre das Problem des Rechtsradikalismus massiv unterschätzt.»

Laschet hat in seiner Partei die berühmte «Ochsentour» durch sämtliche Ebenen durchgezogen - vom Aachener Stadtrat über den Bundestag, das Europaparlament hin zum Düsseldorfer Landtag - bis er 2017 Ministerpräsident wurde. Merz war 2002 von Angela Merkel nach der verlorenen Bundestagswahl vom Unionsfraktionsvorsitz verdrängt worden. Ende 2018 unterlag Merz Annegret Kramp-Karrenbauer knapp im Kampf um den CDU-Vorsitz. Kramp-Karrenbauer hatte am Montag angekündigt, dass sich mögliche Kandidaten noch in dieser Woche erklären wollen. Spahn sieht seine Partei aktuell «in der größten Krise unserer Geschichte».

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