Politik

Erdogan: “Wir sind dazu verdammt, in Syrien einzugreifen”

Der türkische Präsident Erdoğan hat eine Reihe von Gründen aufgezählt, warum seiner Meinung nach die Türkei “dazu verdammt” sei, in Syrien einzugreifen.
26.02.2020 14:47
Aktualisiert: 26.02.2020 14:47
Lesezeit: 3 min

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat sich zur Lage in der syrischen Provinz Idlib geäußert. Die Zeitung Sabah zitiert den Präsidenten: “Russland unterstützt die Regime-Kräfte (gegen die die Türkei kämpft - Anm. d. Red.) mit voller Kraft. Die russische Luftwaffe liefert ihnen Unterstützung. Egal, wie sehr die Russen das leugnen - wir haben das festgestellt. Sollen wir uns da raushalten, während wir eine Grenzlinie von 911 Kilometer Länge haben, während sie dort aktiv sind? Wir müssen uns dort nicht beteiligen, sondern sind regelrecht dazu verdammt. Wie sollen wir all diese Provokationen und den Druck auf unsere Grenze erklären? Sollen wir dabei zuschauen, während drei Millionen Menschen sich an unserer Grenze tummeln? Eine russische Delegation wird uns alsbald besuchen. Doch es gibt keine wirkliche Einigkeit zwischen Macron, Merkel und Putin. Trotzdem besteht die Chance, dass wir uns alle am 5. März treffen.”

Erdoğan macht deutlich, dass sich ausschließlich die Türkei mit der neuen Flüchtlings-Krise, die tatsächlich durch die jüngste syrisch-russische Offensive ausgelöst wurde, auseinandersetzen muss. Die Bomben, die die syrisch-russische Koalition in Idlib einsetzt, treffen logischerweise nicht nur bewaffnete Extremisten, sondern schlussendlich auch Zivilisten. Dabei hatte Ankara zuvor der internationalen Gemeinschaft die Errichtung einer internationalen Sicherheitszone im Norden Idlibs vorgeschlagen, in die sich die Flüchtlinge hätten zurückziehen können. Dieser Vorschlag wurde jedoch vollständig ignoriert. Für die Türkei gilt: eine Militäroperation in Idlib, um eine Rückkehr der Flüchtlinge zu ermöglichen, ist mit geringeren Kosten verbunden als die zeitlich unbegrenzte Unterbringung von fast einer Million Menschen - zumal bereits jetzt nach offiziellen Angaben etwa vier Millionen Flüchtlinge in der Türkei leben. Somit stehen auch bestimmte europäische Parteien und Organisationen vor dem Dilemma, dass sie einerseits gegen die Aufnahme von Flüchtlingen in Europa sind, aber andererseits die Verursacher der aktuellen Flüchtlings-Krise, nämlich die syrisch-russische Koalition, unterstützen. Dabei soll nicht in Abrede gestellt werden, dass die westlichen Staaten und die Golf-Staaten seit dem Jahr 2011 maßgeblich zum Chaos in Syrien beigetragen haben.

Auch die USA haben mittlerweile ihre Haltung im Zusammenhang mit den Ereignissen in Idlib klar gemacht. Der Pressedienst des US-Außenministeriums zitiert US-Außenminister Mike Pompeo: “Die brutale neue Aggression des Assad-Regimes, die zynisch von Moskau und Teheran unterstützt wird, gefährdet jetzt mehr als drei Millionen Vertriebene, darunter, wie wir tragischerweise gesehen haben, junge Menschen. Wie wir schon oft gesagt haben, wird das Regime keinen militärischen Sieg erringen können. Die Offensive des Regimes erhöht nur das Risiko eines Konflikts mit unserem Nato-Verbündeten Türkei. Die Antwort ist ein dauerhafter Waffenstillstand und von den UN geführte Verhandlungen gemäß der Resolution 2254 des UN-Sicherheitsrates. Wie Präsident Trump am Dienstag sagte, arbeiten wir mit der Türkei zusammen, um herauszufinden, was wir gemeinsam tun können (...) Sie sehen, dass wir im Nordosten Syriens immer noch Streitkräfte vor Ort haben.”

Ein Sprecher des US-Außenministeriums sagte Al-Monitor: “Während das Assad-Regime und Russland weiterhin wahllos Zivilisten angreifen und töten, leistet die US-Regierung den Bedürftigen im Nordwesten Syriens humanitäre Hilfe. Trotz der anhaltenden Gefährdung für humanitäre Organisationen im Nordwesten Syriens leisten staatliche und USAID-Partner weiterhin Soforthilfe für schutzbedürftige Bevölkerungsgruppen (...) Die Türkei allein kann die durch Russland und die anhaltenden Angriffe des Assad-Regimes auf die Menschen im Nordwesten Syriens verursachten humanitären Folgen nicht bewältigen. Wir stehen unserem NATO-Verbündeten Türkei gegen diese Aktionen zur Seite.”

Allerdings hat die US-Regierung bisher selbst nichts unternommen, um die humanitäre Krise in Idlib zu lösen, so Al-Monitor.

Die Syrien-Analystin Elisabeth Tsurkov meint: “Der massive Exodus aus der Provinz Idlib wird nicht aufhören, wenn die Menschen nicht glauben, dass ihre Städte vor dem Vormarsch des Regimes geschützt sind. Wenn ich mit Menschen in Idlib spreche, ist das Ausmaß der Verzweiflung und die allgemeine Überzeugung, dass sie in Massen sterben werden, sehr beunruhigend.”

Dem US-Analysten Charles Lister zufolge fühlt sich die Türkei in Idlib im Stich gelassen. Er plädiert für einen diplomatischen Vorstoß Washingtons, um in Idlib eine Sicherheitszone mit einer Tiefe von 35 Kilometer zu schaffen.

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