Deutschland

Lungenarzt schlägt Alarm: Wirtschaft und Politik wollen das Corona-Virus für ihre Zwecke instrumentalisieren

Für den Arzt und Gesundheitsexperten Dr. Wolfgang Wodarg ist das Corona-Virus nur eines von vielen Viren, die Erkrankungen der Atemwege auslösen können. Der ehemalige Bundestags-Abgeordnete warnt vor einer Instrumentalisierung durch Wirtschaft und Politik.
11.03.2020 09:00
Lesezeit: 4 min
Lungenarzt schlägt Alarm: Wirtschaft und Politik wollen das Corona-Virus für ihre Zwecke instrumentalisieren
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU/ l) im Gespräch mit seinem Schweizer Amtskollegen Alain Berset während eines Treffens der europäischen Gesundheitsminister in Rom im Februar dieses Jahres. (Foto: dpa)

50 bis 70 Prozent aller Menschen in Deutschland erleiden jedes Jahr eine akute Erkrankung der Atemwege. Hierfür können verschiedene Virenarten verantwortlich sein – jetzt auch das Corona-Virus. Dessen häufiges Auftreten in diesem Winter sei nichts Ungewöhnliches, sagt der Arzt und Gesundheits-Experte Dr. Wolfgang Wodarg im Gespräch mit den Deutschen Wirtschaftsnachrichten.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Für wie gefährlich halten Sie das Corona-Virus?

Wolfgang Wodarg: Akute Atemwegserkrankungen wie Grippe oder Erkältungen gibt es in jedem Jahr. Dafür sind neben Rhino-, Influenza-, RSV- und weiteren auch Corona-Viren verantwortlich. 5 bis 15 Prozent der grippeähnlichen Erkrankungen lassen sich auf sie zurückführen. Die genauen Anteile variieren von Jahr zu Jahr. Das war in der Vergangenheit so und wird auch in Zukunft so sein. Das Besondere der letzten Wochen ist keine Zunahme der Coronavirus-Erkrankungen, sondern die Aktivität der Spezialisten, die nach ihnen suchen.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Aber es gibt Todesfälle.

Wolfgang Wodarg: Jeden Winter haben wir eine Grippewelle mit Tausenden von Toten und mit Millionen von Infizierten, auch in Deutschland. Und Coronaviren haben daran immer ihren Anteil. Gleichwohl gibt es – Stand heute – nur drei verstorbene deutschen Staatsbürger, denen der Test Coronaviren nachgewiesen hat. Auf der Seite von "Euro- Momo" www.euromomo.eu/ können Sie sich die Sterblichkeitsraten in Europa ansehen. Auch hier sticht nichts ins Auge, was irgendwie ungewöhnlich wäre. Wir erleben zur Zeit eine ganz normale Grippe- und Erkältungssaison. Trotzdem wird Angst geschürt und die Bevölkerung verunsichert. Hier warne ich vor den "Nebenwirkungen": Panik, die Einschränkung sozialer Kontakte und die Einschränkung von Bürgerrechten.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Die Einschränkung von Bürgerrechten?

Wolfgang Wodarg: Das Robert-Koch Institut schlägt vor, die Handys von Leuten zu tracken, die Kontakt zu Infizierten hatten. Es wird über Gesichtserkennungen an Flughäfen diskutiert, verbunden mit einer Messung der Körpertemperatur. Solche Maßnahmen lassen sich besser durchsetzen, wenn die Bevölkerung das Gefühl hat, sie seien aufgrund einer Krisensituation notwendig und geboten. Gesundheitsminister Jens Spahn hat – allerdings schon vor der Corona-Krise – das Ärzte-Geheimnis aufgehoben und damit den Datenschutz ausgehebelt. Da werden jetzt viele Daten gesammelt und gespeichert, die für einige interessant sein dürften. Etwa für die Pharma-Industrie.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Wer profitiert noch von der aktuellen Entwicklung?

Wolfgang Wodarg: Neben all jenen, die unter dem Hype um das Corona-Virus leiden – denken Sie an die Tourismusbranche, Fluglinien und Unternehmen, die auf Zulieferungen aus den betroffenen Gebieten angewiesen sind – mag es auch Profiteure geben. Etwa solche, die Aktien im richtigen Moment kaufen, nachdem deren Kurse infolge der Corona-Krise stark nachgegeben haben.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Die Corona-Krise – ein Sturm im Wasserglas? Und einigen kommt dies gerade recht?

Wolfgang Wodarg: Ich möchte noch einmal betonen, dass sich die sogenannte Corona-Krise medizinisch nicht begründen lässt. Um dies tun zu können, bräuchten wir unter anderem belastbare Daten aus den Vorjahren. Solche sind aber nur sporadisch erhoben worden. Wir können also nicht seriös von einer Zunahme der Corona-bedingten Krankheiten sprechen, weil uns die entsprechenden Vergleichsdaten fehlen. Doch als die Schreckensmeldungen aus Wuhan um die Welt liefen, wurden Virologen aus aller Welt hellhörig. Sie scannten die in ihren Kühlschränken gelagerten Virusstämme fieberhaft und verglichen sie mit den gemeldeten Neuankömmlingen aus Wuhan. Ein Labor der Charité war am schnellsten. Nun darf es nach dem Willen der WHO seine hauseigenen Tests weltweit vermarkten. Für die daran beteiligten Virologen ist das bestimmt kein Nachteil.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Wer suchet, der findet?

Wolfgang Wodarg: Jeden Winter beobachten wir eine Übersterblichkeit durch akute Atemwegserkrankungen. Und wenn Sie die dann – etwa nachdem jemand an einer Lungenentzündung verstorben ist – speziell auf das Corona- Virus testen, liegt die Wahrscheinlichkeit, dass Sie fündig werden, bei etwa 5 bis 15 Prozent. Das war in den Jahren zuvor allerdings nicht anders. Nur waren Corona-Viren seinerzeit nicht so im Fokus. Coronaviren ändern sich genetisch laufend, und es gibt viele Varianten, die wir aber nur sehr aufwendig beobachten könnten. Das gilt übrigens für die Influenza-, Rhino- und RS-Viren gleichermaßen. Wenn also jemand Alarm schlägt, er habe ein neues Virus entdeckt, so wäre das keine Sensation, sondern etwas Normales.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Was wäre Ihrer Ansicht nach ein angemessener Umgang mit dem Virus, seitens der Politik wie auch seitens der Bevölkerung?

Wolfgang Wodarg: Von dem Physiker Heinz von Foerster stammt der Satz: „Objektivität ist die Wahnvorstellung, Beobachtungen ließen sich ohne Beobachter machen." Mit anderen Worten: Ein Virologe als beobachtender Spezialist interpretiert ein Geschehen anders als ein Immunologe, ein Amtsarzt anders als ein Psychologe. Was wir in solchen Krisen brauchen, ist ein interdisziplinärer Ansatz. Das würde helfen, einen Tunnelblick zu vermeiden. Ein Gremium, das sich aus Experten verschiedener Disziplinen zusammensetzt. Und dieses sollte frei von wirtschaftlichen Zwängen und ohne politische Abhängigkeiten agieren können. Wissenschaftlich arbeiten heißt eben nicht, der Politik oder der Wirtschaft nach dem Munde zu reden. Wissenschaft ist vertrauenswürdig, wenn sie mit transparenten Methoden professionell und konsequent angebliches Wissen immer und jederzeit in Frage stellt. Auch wenn das manchmal aufwendig ist, so kann es uns manch teuren gesundheitlichen Irrweg ersparen, den uns interessengetriebene Grippewächter weismachen wollen.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Und was sagen Sie den Bürgern?

Wolfgang Wodarg: Die sollten sich darüber im Klaren sein, dass eine Demokratie nur funktionieren kann, wenn sie von einer gut informierten und selbstbewussten Bevölkerung getragen wird. Die Medien haben hier eine große Verantwortung. Das Vertrauen der Bürger in Regierungen und Verwaltungen, die Freiheits- und Persönlichkeitsrechte zur Disposition stellen wollen, muss auf Transparenz beruhen. Ein informierter und frei denkender Mensch ist das beste Antidot gegen Panik. Und die ist im Fall der aktuellen „Corona- Krise" keinesfalls gerechtfertigt.

Info zur Person: Dr. med. Wolfgang Wodarg, Jahrgang1947, ist Internist und Lungenarzt, Facharzt für Hygiene und Umweltmedizin sowie für öffentliches Gesundheitswesen und Sozialmedizin. Nach seiner klinischen Tätigkeit als Internist war er unter anderem 13 Jahre Amtsarzt in Schleswig-Holstein, gleichzeitig Uni-Lehrbeauftragter sowie Vorsitzender des Fachausschusses für gesundheitlichen Umweltschutz bei der Ärztekammer Schleswig-Holstein.

Als Mitglied des Deutschen Bundestages (SPD) von 1994 bis 2009 war er Initiator und Sprecher in der Enquête- Kommission "Ethik und Recht der modernen Medizin", Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, dort Vorsitzender des Unterausschusses Gesundheit und stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Kultur, Bildung und Wissenschaft. 2009 initiierte er in Straßburg den Untersuchungsausschuss zur Rolle der WHO bei der H1N1 (Schweinegrippe) und war dort nach seinem Ausscheiden aus dem Parlament als wissenschaftlicher Experte weiter beteiligt. Seit 2011 ist er als freier Hochschullehrer, Arzt und Gesundheitswissenschaftler tätig.

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