In den letzten Wochen gab es weltweit starke Lieferengpässe bei Edelmetallen. Diese Erfahrung machen derzeit nicht nur Kleinanleger, die kaum noch Zugang zu Goldmünzen oder Goldbarren haben, da diese im Zuge der Corona-Krise nicht mehr ausgeliefert werden oder weil die Händler keine Vorräte mehr haben, die sie ausliefern könnten. Vielmehr zeigen sich die Lieferengpässe selbst bei großen Anbietern wie Goldmoney, wo Kunden aus aller Welt Edelmetalle physisch kaufen und lagern lassen können. Auch hier warten die Kunden bereits seit Tagen und Wochen auf die Ausführung ihrer Kaufaufträge.
Zudem sind die Preisaufschläge im Einzelhandel weiterhin sehr hoch. So kostet eine Krügerrand-Goldunze beim aktuell billigsten deutschen Anbieter, dem mittelfränkischen Familienunternehmen Heubach Edelmetalle, mehr als 1.709,30 Euro, während der Spot-Preis bei knapp 1.500 Euro liegt. Beim Silber sind die Preisaufschläge noch viel stärker. So kostet ein Maple Leaf beim aktuell billigsten Anbieter, dem Frankfurter Edelmetallhändler Aschhoff, inklusive Steuern 26,49 Euro, während der Spot-Preis bei weniger als 13,36 Euro liegt. Selbst wenn man die Umsatzsteuer von 7 Prozent herausrechnet, ergibt sich ein Preisaufschlag von rund 85 Prozent.
Der entscheidende Grund für die Lieferengpässe und die entsprechenden Preisaufschläge ist die extreme Nachfrage nach physischem Gold und Silber. So meldet zum Beispiel die amerikanische Prägeanstalt U.S. Mint stark gestiegene Umsatzzahlen. Im März verkaufte sie Eagle-Goldmünzen im Umfang von rund 142.000 Unzen. Das ist mehr als zwölfmal so viel wie im März des Vorjahres und der höchste Absatz seit November 2016. Auch bei den Silber-Eagles verzeichnete die U.S. Mint mit 5.482.500 Unzen den größte Absatz seit Juli 2015. Allerdings stieg der Absatz "nur" um den Faktor 6,5 gegenüber dem Vorjahresmonat.
Was ist nur mit Silber los?
Im Verlauf der Turbulenzen an den globalen Märkten, wobei historisch große Einbrüche an den Aktienmärkten verzeichnet wurden, sind an den Börsen vorübergehend auch der Goldpreis und noch stärker der Silberpreis eingebrochen. Zwar gab es in den letzten Tagen eine deutliche Preiserholung. Doch während Gold derzeit etwa 6 Prozent teurer ist als zu Jahresbeginn, so hat Silber im laufenden Jahr nach aktuellem Stand mehr als 20 Prozent verloren. Dies zeigt sich auch im Gold-Silber-Verhältnis, das gerade bei 112 liegt und somit weiterhin nahe seinem historischen Hoch von über 123, das man am 19. März vorübergehend verzeichnet hat.
Im Februar prognostizierte das Silber Institute für das laufende Jahr einen deutlichen Preisanstieg. Zwar hat sich die Lage seit der Veröffentlichung des Berichts verändert, aber es gibt immer noch Gründe, beim Silber bullish zu sein. Sicherlich hat die Aussicht auf einen weltweiten Konjunktureinbruch den Optimismus im Hinblick auf eine steigende industrielle Nachfrage gedämpft. Doch wie die extreme weltweite Nachfrage bei den Edelmetallhändlern nun erneut gezeigt hat, ist Silber auch ein wichtiges monetäres Metall, und obwohl es volatiler ist, hat es historisch gesehen langfristig immer mit Gold mitgezogen.
Wie entwickelten sich Gold und Silber in der letzten Finanzkrise?
Auch während der letzten Finanzkrise im Jahr 2008 waren Gold und Silber zunächst zusammen mit dem Aktienmarkt abgestürzt. Denn auch damals mussten viele Anleger ihre Edelmetalle liquidieren, um andere Verluste auszugleichen. So fiel Gold zwischen März 2008 und November 2008 um knapp 30 Prozent, wie Peter Schiff erinnert. Und Silber verlor in diesen sieben Monaten mit 58 Prozent sogar etwa doppelt so viel wie Gold. Erst als die Zentralbanken massive Wertpapierkäufe gestartet und die Zinsen abgesenkt hatten, begannen Gold und Silber deutlich anzusteigen. In den folgenden drei Jahren, zwischen 2008 und 2011, stieg der Goldpreis um 166 Prozent und der Silberpreis um 448 Prozent.
Zwar sind Gold und Silber in der aktuellen Finanzkrise vergleichsweise wenig eingebrochen. Dennoch zeigt sich heute zumindest bisher eine ganz ähnliche Dynamik wie 2008. Silber neigt dazu, in einem Gold-Bullenmarkt eine bessere Performance zu erzielen als Gold. Daher ist Silber derzeit möglicherweise im Vergleich zu Gold extrem unterbewertet. Zudem liegt das Gold-Silber-Verhältnis, wie bereits erwähnt, bei 112 und somit historisch hoch. Zum Vergleich: Geologen schätzen, dass auf jede Unze Gold in der Erdkruste etwa 19 Unzen Silber entfallen. Und wenn man nur das bereits abgebaute Edelmetall betrachtet, so beträgt das Verhältnis etwa 1 Unze Gold auf 11,2 Unzen Silber.
Im Jahr 1792 wurde das Preisverhältnis von Gold und Silber in den USA gesetzlich auf 15 zu 1 festgelegt. In Frankreich wurde im Jahr 1803 ein Verhältnis von 15,5 zu 1 vorgeschrieben. Angesichts der Herausforderungen eines bimetallischen Geldsystems mit festen Wechselkursen und den Folgen einer weltweiten Finanzkrise verabschiedete der US-Kongress im Jahr 1873 den Coinage Act. Nach dem Vorbild anderer westlicher Nationen, darunter England, Portugal, Kanada und Deutschland, wurde mit diesem Gesetz Silber formell entmonetarisiert und ein Goldstandard eingeführt.
Da Silber in den folgenden Jahrhunderten eine immer geringere Rolle als Geldmetall spielte, stieg das Silber-Gold-Verhältnis allmählich höher. Der moderne Durchschnitt liegt bei etwa 40 und 50 Unzen Silber für eine Unze Gold. Noch vor anderthalb Jahren schrieb etwa der Rohstoffanalyst Jason Hamlin in einem von Seeking Alpha veröffentlichten Artikel: "Das Gold-Silber-Verhältnis war einer der zuverlässigsten technischen 'Kauf'-Indikatoren für Silber, wenn das Verhältnis über 80 steigt". Doch inzwischen hat sich das Gold-Silber-Verhältnis noch weiter von der historischen Norm entfernt und kostet so wenig Gold wie nie zuvor.
Doch nicht nur der Rückblick in die Geschichte, sondern auch die aktuelle Dynamik von Angebot und Nachfrage sieht für Silber bullish aus. Viele Analysten glauben, dass wir auf eine bedeutende Silberknappheit zusteuern, da sich der Bergbau zusammen mit der Weltwirtschaft verlangsamt. So sagt der Goldinvestor Mike Maloney, dass "eine Vielzahl von Bergbauunternehmen auf der ganzen Welt angekündigt haben, ihren Betrieb teilweise oder ganz einzustellen". Mexiko ist der weltgrößte Silberproduzent, und nach offiziellen Angaben werden die Minen dort für mindestens einen Monat lang stillgelegt.
Bei etwa 70 Prozent der weltweiten Silberproduktion im Bergbau ist das abgebaute Silber lediglich ein Nebenprodukt beim Abbau anderer Industriemetalle, insbesondere von Kupfer. Maloney sagt: "Eine sich verlangsamende Wirtschaft bedeutet eine geringere Nachfrage nach vielen unedlen Metallen. Dies übt auch Druck auf ihre Preise aus und macht einige Projekte weniger wirtschaftlich, was die Führungskräfte dazu zwingen könnte, den Betrieb zu verlangsamen oder sogar auszusetzen. Wenn dies geschieht, verringert sich auch die von ihnen produzierte Silbermenge."