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Deutschlands Zukunft liegt in der Hanseatischen Liga und nicht in der EU

Lesezeit: 7 min
12.04.2020 10:08  Aktualisiert: 12.04.2020 10:08
Die Zukunft der EU ist ungewiss. Doch Deutschland hat Alternativen. Die Zukunft der deutschen Wirtschaft liegt in der Wiederherstellung einer Hanseatischen Liga mit einer eigenen Zentralbank, einer gemeinsamen Handelsflotte und einer neuen gemeinsamen Währung.
Deutschlands Zukunft liegt in der Hanseatischen Liga und nicht in der EU
Die Handelsrouten der Hanseatischen Liga. (Grafik: Stratfor)

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Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Deutschland besetzt und zweigeteilt. Kontinentaleuropa fürchtete sich vor diesem einst mächtigen Land, das in zwei Weltkriegen nahezu komplett zerstört worden war. Der Militarismus war wiederholt und spektakulär gescheitert. Deutschland brauchte ein neues Ethos und kehrte zu seinen Wurzeln zurück.

Bevor die deutsche Vereinigung von 1871 die neue Nation auf den Weg zu ihrem eigenen Untergang brachte, hatte sich das seltsame Konstrukt, das als Heiliges Römisches Reich bekannt war, über tausend Jahre von 800 bis 1806 über Mitteleuropa erstreckt. Doch in Voltaires - eigentlich François-Marie Arouets - Augen war dieses Reich “weder heilig, noch römisch, noch ein Reich”.

Es handelte sich um einen Flickenteppich unterschiedlicher Staaten. Einige wurden von Fürsten regiert, während andere unabhängige Städte waren. Das Heilige Römische Reich war ein Netzwerk von Völkern, in dem keine Einheit mächtig genug war, um ihre Nachbarn militärisch zu dominieren oder die Region wirklich zu einem einzigen Staat zu vereinen. Das Ergebnis war ein wettbewerbsorientierter Markt, auf dem das Überleben jedes Fürsten- und Herzogtums und jeder Stadt weitgehend auf seiner eigenen Effizienz und seinen eigenen Ressourcen beruhte. Lokale Ressourcen wurden genutzt und qualifizierte Handwerker durch langwierige Lehrlingsausbildungen ausgebildet, um Gilden zu bilden, die Produkte hervorbrachten, für ihre herausragende Qualität auf dem gesamten Kontinent anerkannt waren.

Die Hanseatische Liga entsteht

Im 13. Jahrhundert schloss sich eine Gruppe dieser Staaten zu einem Handelsverband zusammen, der sich auf die nördlichen Städte Lübeck und Hamburg konzentrierte. Diese Föderation, die ihren Ursprung im modernen Deutschland hatte und sich auf Städte an den Küsten des heutigen Lettlands, Estlands, Polens, Schwedens und der Niederlande ausdehnte, wurde als “Hanse” bekannt. Die Hanseatischen Liga beherrschte die Nord- und Ostsee in einer Weise, die an die Römer im Mittelmeer vor mehr als einem Jahrtausend erinnerte, aber die hanseatische Macht beruhte eher auf Handel als auf Gewalt. Die gigantischen Schiffe der Liga brachten Rohstoffe, einschließlich Holz und Getreide, von ihren östlichen Mitgliedern zu Häfen in England und transportierten auf Rückreisen Stoff- und Woll-Lieferungen nach Novgorod, Russland.

Familienbande und enge Beziehungen wurden genutzt, um ein zuverlässiges und effizientes Netzwerk zu schaffen, das die Transaktionskosten effektiv senkte. “Made in Germany” wurde zu einer Marke, die ein großes Gewicht hatte. Letztendlich erwies sich die Entdeckung der Neuen Welt im Jahr 1492 jedoch als zerstörerisch für die Hanseatische Liga. Ihre Bedeutung sank, das letzte Treffen der Liga fand 1669 statt.

Preußen gewann während der Industrialisierungs-Periode nach dem Ende des Heiligen Römischen Reiches immer mehr an Bedeutung. Die starke preußische Bürokratie und ihre militärische Macht verbanden sich mit dem diplomatischen Genie Otto von Bismarcks, um endlich einen einheitlichen deutschen Staat zu schaffen. Dabei muss immer wieder erwähnt werden, dass Preußen und die deutsche Nationalbewegung in keinter Weise kompatible Konstrukte gewesen sind, sondern eher Gegner, was gesellschaftliche und politische Modelle angeht. Die deutsche Nationalbewegung war aggressiver und identitär, aber die Preußen waren militärisch fähig und gleichzeitig weltoffen - wenn auch aus der Notwendigkeit heraus. Während Johann Gottfried Herder als Begründer der deutschen Romantik gilt, war Immanuel Kant in seiner Gedankenwelt ein waschechter Preuße.

Bismarck gegen Kaiser Wilhelm II.

Zurück zu Bismarck: Die wirtschaftliche Stärke des im Jahre 1871 gegründeten deutschen Nationalstaats und seine prekäre Lage in der nordeuropäischen Ebene machten einen Krieg unvermeidlich. Bis zum Jahr 1945 sollten Deutsche und Europäer einen hohen Blutzoll zahlen. Diese Entwicklung lag unter anderem daran, dass Kaiser Wilhelm II. und Adolf Hitler eine Politik betrieben, die im krassen Gegensatz zu der von Bismarck stand.

Kaiser Wilhelm II. weigerte sich, den Rückversicherungsvertrag mit Russland, den Bismarck ausgehandelt hatte, und der ein geheimes Neutralitätsabkommen war, zu verlängern. Dem Abkommen zufolge sollte sich Deutschland neutral verhalten, sollte Russland von Österreich angegriffen werden. Sollte Deutschland von Frankreich angegriffen werden, sollte Russland neutral bleiben. Der Kaiser setzte auf Aufrüstung, Kolonialismus und eine Weltmachtpolitik. Bismarck widersetzte sich dem Kaiser und wurde auf eigenem Wunsch als Reichskanzler entlassen.

Adolf Hitler verfolgte ebenfalls eine Weltmachtpolitik und plante von Anfang an, Österreich, das Sudetenland und alle anderen von Deutschen besiedelten Gebiete zu erobern, um anschließend die Theorie des “Lebensraums im Osten”, die ursprünglich auf den Geographen Friedrich Ratzel zurückgeht, wahr werden zu lassen. Bismarck war hingegen gegen jede Art der Großdeutschen Lösung, gegen die Einverleibung von Gebieten, in denen mehrheitlich Deutsche leben, und gegen einen Krieg mit Russland.

Allerdings ist hier auch zu erwähnen, dass eine der Ursachen, die zum Ersten Weltkrieg führte, mit einer der Ursachen, die zum Zweiten Weltkrieg führte, identisch war: Deutschland war jeweils die weltgrößte Industriemacht, hatte jedoch keinen freien Zugang zu wichtigen Ressourcen. Da die Westmächte kein Interesse daran hatten, Deutschland den Zugang zu den benötigten Ressourcen zu gewähren, griff das rohstoffarme Land in beiden Fällen zu kriegerischen Maßnahmen. Es war somit auch kein Zufall, dass hinter Hitler vor allem Grossindustrielle standen (siehe Geheimtreffen vom 20. Februar 1933). Dem amerikanischen General Douglas MacArthur, der Ende September 1932 Ankara besuchte, sagte der Gründervater der Türkischen Republik, Mustafa Kemal Atatürk nach Angaben des historischen Publizisten Bernd Rill: "Meiner Meinung nach wird das Schicksal Europas (...) von der Haltung Deutschlands abhängig sein. Diese außergewöhnlich dynamische, fleißige und disziplinierte Nation von 70 Millionen wird, sobald sie sich einer politischen Strömung hingibt, die ihre nationalen Begierden aufpeitscht, früher oder später den Vertrag von Versailles zu beseitigen suchen. Deutschland wird in kürzester Zeit eine Armee aufstellen können, die imstande sein wird, ganz Europa, mit Ausnahme von England und Russland, zu besetzen (…) der Krieg wird in den Jahren 1940/45 ausbrechen (…) Frankreich hat keine Möglichkeit mehr, eine starke Armee aufzustellen. England kann sich bei der Verteidigung seiner Insel nicht mehr auf Frankreich verlassen. Amerika wird in diesem Krieg genau wie im Ersten Weltkrieg nicht neutral bleiben können. Und Deutschland wird wegen des amerikanischen Kriegseintritts diesen Krieg verlieren."

Seit 1871 ist in Europa viel Blut geflossen. Doch die Niederlage im Jahr 1945 entpuppte sich als Segen. Denn Deutschland fand zurück zu Bismarck und zu der Idee, dass die Deutschen bessere Händler als Helden sind. Als sich Westdeutschland 1948 der Wettbewerbsfähigkeit, dem Handel und dem Export als Lösung für seine Probleme zuwandte, kehrte es zu seinen alten Stärken zurück. Im selben Jahr leitete der künftige deutsche Bundeskanzler Ludwig Erhard die Einführung einer neuen Währung ein, da er der Ansicht war, dass zu viel Reichsmark im Umlauf war, was der Wirtschaft schadete. Es wurde die Deutsche Mark eingeführt, die die Geldmenge um 93 Prozent reduzierte. Die neue Währung trieb die Wirtschaft voran und gab den Exporten den notwendigen Schub.

Das nächste, was Deutschland brauchte, war ein stabiler Markt, und 1951 wurde die Montanunion- der Vorgänger der Europäischen Union - gegründet. Für Frankreich, Deutschlands wichtigsten Partner innerhalb der Montanunion, war die Anziehungskraft offensichtlich. Durch den Beitritt zum europäischen Projekt konnte sich die Grande Nation, die in 70 Jahren dreimal von Deutschland besetzt worden war, vor deutschen Angriffen schützen und sich positionieren, um eine führende Rolle in der Entwicklung Europas zu übernehmen. Deutschland erhielt unterdessen einen zollfreien Markt für seine Produkte, und die enge Allianz mit Frankreich verlieh Deutschland eine einflussreiche, aber weniger bedrohliche Stimme.

Dieser historische Schritt war von Erfolg geprägt: Der Anteil der deutschen Exporte an der Produktion stieg von 8,5 Prozent im Jahr 1950 auf 14,6 Prozent im Jahr 1960 und sogar auf 27,6 Prozent im Jahr 1985. Unter Berücksichtigung der Dienstleistungen machen die Exporte heute etwa 50 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts aus, eines der höchsten solcher Prozentsätze in der Welt. Darüber hinaus haben deutsche Spitzenleistungen in den Bereichen Maschinenbau, Elektrotechnik und Chemie sowie ein starker Automobilsektor das Land zu einem Handels-Giganten gemacht. Genau wie die Hanseatische Liga fand Deutschland im übrigen Europa einen Zielmarkt und setzte sich gegen die ausländische Konkurrenz durch.

Probleme nach der Euro-Einführung

Probleme zwischen Deutschland und dem Rest von Europa entstanden erst nach der Einführung des Euro im Jahr 2000. Eine gemeinsame Währung beseitigte die einzige wirkliche Verteidigung, die die anderen europäischen Länder gegen die deutsche Handels-Maschinerie hatten, nämlich die Fähigkeit zur Währungsabwertung.

Zudem war der Euro billiger als die Deutsche Mark, was die deutschen Exporte auf globaler Ebene noch wettbewerbsfähiger machte und zu weiteren Gewinnen beitrug. In welchem Ausmaß Deutschland in diesem Zeitraum seine Nachbarn übertraf, spiegelt sich in den Leistungsbilanzsalden wider. Bis 2008 hatte Deutschland einen Überschuss von 5,8 Prozent des BIP, während Irland, Portugal und Spanien Defizite von 9,4 Prozent, 12,1 Prozent beziehungsweise 9,6 Prozent aufwiesen.

Als die Peripherie-Länder gezwungen waren, diese Leistungsbilanzdefizite mit den wirtschaftlichen Realitäten nach 2008 in Einklang zu bringen, führte dies zu Schuldenexplosionen, die zur Eurokrise 2012 beitrugen.

Derzeit befinden wir uns in einer Phase, in der nicht nur die Differenzen im Zusammenhang mit der Diskussion um Corona-Bonds und dem ESM-Rettungsschirm zu einer Polarisierung und anti-deutschen Stimmung in Südeuropa führen, sondern das künstliche Konstrukt der EU nachhaltig bedrohen.

Nordeuropa wird zur Hanse und Südeuropa tritt ab

Es ist auffällig, dass die Anti-EU-Parteien in Nordeuropa besonders abfällig über die Südeuropäer herziehen, diese Rhetorik gegenüber ihren direkten Nachbarn jedoch unterlassen. Dies hängt auch mit einer kulturellen Verbundenheit zusammen. Das Blatt The Economist führt in einem Bericht unter dem Titel “Die neue Hanseatische Liga” aus: “Noch heute verraten kulturelle Ähnlichkeiten die alten Verbindungen: Giebelhäuser und Kneipen, in denen Aal und Hering serviert werden, befinden sich an feuchten, stürmischen Küsten von Ostanglien bis Estland. Auch der Handelsgeist lebt weiter: Großbritannien, Deutschland, die Niederlande, die nordischen und baltischen Staaten teilen den Geschmack für ausgeglichene Bilanzen und für Freihandel. Die meisten haben vor der Krise in der Eurozone Wirtschaftsreformen durchlaufen und weisen niedrige Anleihe-Renditen und Triple-A-Ratings auf. Viele prominente euroskeptische Parteien wie die True Finns, die AfD sowie die UK Independence Party, teilen die Furcht vieler Bürger, finanziell in die Schwierigkeiten des trägen, nicht reformierten Süden Europas hineingezogen zu werden.”

Bereits heute haben Irland, Dänemark, Schweden, die Niederlande, Finnland, Estland, Lettland und Litauen in Europa die Gruppe der “Neuen Hanseatischen Liga” gegründet. Doch nur mit Deutschland als zentrale europäische Macht wäre die Schaffung einer wirklichen “Neuen Hanseatischen Liga” möglich. Können Sie sich vorstellen, dass eine derartige Liga nach dem Vorbild der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft gegründet wird? Wäre es vielleicht sogar möglich, dass diese neue Handelsgemeinschaft den “Gulden” als gemeinsame Währung einführt und wir eine “Hanseatische Zentralbank” (HZ) bekommen, die sich um die Geldpolitik der Liga kümmert?

Eine gemeinsame Handelsflotte, die sich über die Ozeane erstreckt und den Wohlstand sichert?

Was heute wie ein surrealer Traum erscheint, könnte schon bald Realität werden.

                                                                                ***

Cüneyt Yilmaz ist Absolvent der oberfränkischen Universität Bayreuth. Er lebt und arbeitet in Berlin.


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