Politik

BGH kippt Schuldsprüche gegen organisierte Rechtsextremisten in Thüringen

Der Bundesgerichtshof hat das Urteil wegen eines mutmaßlich rechtsextremen Überfalls 2014 in Thüringen gekippt. Unter den Angeklagten befanden sich zehn Männer und eine Frau. Zur Urteilsverkündung war ein Angeklagter mit einem T-Shirt mit der Aufschrift "Nationalist Fight Club" gekommen.
04.05.2020 22:00
Aktualisiert: 04.05.2020 22:00
Lesezeit: 1 min
BGH kippt Schuldsprüche gegen organisierte Rechtsextremisten in Thüringen
Teilnehmer einer Demonstration der Partei "Die Rechte" laufen in Erfurt (Thüringen) durch die Stadt. (Foto: dpa) Foto: Martin Schutt

Beck aktuell führt aus: “Der Bundesgerichtshof hat das Urteil wegen eines mutmaßlich rechtsextremen Überfalls 2014 auf eine Kirmesgesellschaft in Thüringen gekippt. Die Revision der vor drei Jahren Verurteilten habe Erfolg gehabt, heißt es in einem Beschluss des BGH, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt und über den am 02.05.2020 auch die Nebenklage informierte. Das Urteil aus dem Jahr 2017 werde aufgehoben. Eine andere Strafkammer des Landgerichts Erfurt müsse den Fall nun neu verhandeln (Az.: 2 StR 352/18).”

In der Begründung seines Beschlusses erklärt der BGH die Beweiswürdigung des LG Erfurt für “durchgreifend rechtsfehlerhaft”. “Das LG Erfurt hatte zehn Männer und eine Frau für schuldig befunden, an dem Überfall beteiligt gewesen zu sein. Sie waren zu teilweise mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Vier weitere Angeklagte hatte das Gericht freigesprochen. Bei dem Überfall waren zehn Menschen schwer verletzt worden. Polizei und Staatsanwaltschaft sowie die Vertreter der Nebenklage rechnen die damals Angeklagten der rechtsextremen Szene zu. Selbst vor Gericht hatten die meisten aus ihren politischen Überzeugungen keinen Hehl gemacht und zum Beispiel szenetypische Kleidung getragen. Zur Urteilsverkündung war ein Angeklagter mit einem T-Shirt mit der Aufschrift "Nationalist Fight Club" erschienen”, so Beck aktuell.

Die ZEIT berichtet: “Auf das Konto der Gruppe gehen unter anderem ein Schießtraining Ende 2012 unter dem Motto “NSU-reloaded” und ein Kugelbomben-Angriff auf ein Hausprojekt in Gotha. Ebenfalls aus der Kreisstadt stammen zwei Neonazis, die im Dezember 2011 eine alte Gaststätte in Crawinkel im Kreis Gotha erworben hatten und dort eingezogen waren. Schnell entwickelte sich das Haus zu einem überregionalen Treffpunkt und Veranstaltungsort der extrem rechten Szene. Etwa 18 Monate später stießen Beamte bei Razzien auf Machinenpistolen und zahlreiche andere Waffen.”

Robert Friedrich von ezra (BeratungSTELLE für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Thüringen) sieht die Hauptverantwortung für die Aufhebung des Urteils beim LG Erfurt: “Das Landgericht Erfurt hat es nicht geschafft, nach einem kostenintensiven Großverfahren ein rechtlich sauberes Urteil zu formulieren. Die bisherige Straffreiheit der Täter bleibt insbesondere für die Betroffenen absolut unverständlich, weil auch der Bundesgerichtshof an deren Schuld keine Zweifel hat. Aber auch der BGH muss sich fragen lassen, warum die Richter fast drei Jahre brauchten, um einen Beschluss zu fassen.”

Ausschlaggebend für den Beschluss des BGHs seien im Wesentlichen handwerkliche Fehler des LG bei der Erstellung des schriftlichen Urteils gewesen. “Die Angegriffenen fühlen sich vom Rechtsstaat alleine gelassen”, meint Friedrich.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Russlands Desinformationskampagnen: Wie Europa gegen Putins Trolle kämpft
06.12.2025

Europe wird zunehmend Ziel digitaler Einflussoperationen, die gesellschaftliche Stabilität, politische Prozesse und wirtschaftliche...

DWN
Immobilien
Immobilien Baufinanzierung Zinsen: Entwicklung des Bauzinses 2025 - und wie es 2026 weitergeht
06.12.2025

Nachdem die Zinsen – darunter der Bauzins – in Deutschland seit 2019 eine gewisse Schieflage erreicht haben, scheint nun Ruhe...

DWN
Finanzen
Finanzen Marktausblick 2026: Internationale Aktien und Small-Cap-Aktien sind am besten positioniert
06.12.2025

KI treibt Teile der Weltwirtschaft nach vorn, während andere Branchen stolpern. Gleichzeitig locken Staaten mit neuen Ausgabenprogrammen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Schiene unter Druck: Expertenrunde soll Bahnverkehr stabilisieren
06.12.2025

Wegen anhaltender Probleme im Zugverkehr arbeitet eine neue Taskforce an kurzfristigen Lösungen für mehr Pünktlichkeit und Stabilität...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Europas Automobilindustrie erholt sich: Nachfrage kehrt zurück
06.12.2025

Die europäischen Neuzulassungen ziehen spürbar an und signalisieren eine langsame, aber stabile Erholung der Automobilindustrie. Doch...

DWN
Technologie
Technologie Bidirektionales Laden in Schweden: E-Autos und Solaranlagen bieten neue Energie für Haushalte
06.12.2025

In Schweden entwickelt sich eine neue Form der dezentralen Energieversorgung, bei der Haushalte Strom selbst erzeugen und intelligent...

DWN
Politik
Politik Benelux-Einigung: Wie ein radikaler Zusammenschluss Europa herausfordern würde
06.12.2025

Mitten in einer Phase wachsender geopolitischer Spannungen nehmen belgische Politiker eine Vision wieder auf, die lange undenkbar schien...

DWN
Politik
Politik Trumps US-Sicherheitsstrategie und die Folgen für Europa
05.12.2025

Donald Trumps neue US-Sicherheitsstrategie rückt Europa ins Zentrum – allerdings als Risiko. Das 33-seitige Papier attackiert...