Wirtschaft
Kommentar

Lobbyismus schadet der Demokratie und nutzt den Unternehmen wenig

Lobbyismus zahlt sich heute für viele Unternehmen kaum noch aus. Zudem gibt es seitens der Unternehmen eine viel wirksamere Maßnahme, die den Glauben an die Demokratie tausendmal so sehr untergraben sollte.
Autor
28.05.2020 16:00
Lesezeit: 3 min

In den heute weit verbreiteten demokratischen Systemen ist das Verhältnis zwischen Regierungen und großen Unternehmen etwas undurchsichtig. Nicht nur aus dem linken politischen Spektrum kommt die Kritik, dass die großen Unternehmen mithilfe von Lobbygruppen bei vielen Gesetzen die eigentlichen Federführer sind. Lobbyisten würden Politiker umwerben, indem sie ihnen finanzielle Vorteile versprechen oder ihnen zumindest dabei helfen, wiedergewählt zu werden. Das Volk beziehungsweise der Wähler spiele hingegen nur eine geringe Rolle, seine Wünsche würden übergangen oder mithilfe der Medien manipuliert.

Nun ist es ja durchaus verständlich, dass Unternehmen Lobbyarbeit betreiben, nicht nur um sich selbst wirtschaftliche Vorteile zu sichern, die dem Unternehmen insgesamt zugutekommen, sondern auch um möglichst keine Nachteile aus der Lobbyarbeit ihrer Konkurrenten zu erhalten. Allerdings kam bereits im Jahr 2018 eine Studie zu dem überraschenden Ergebnis, dass Lobbyarbeit zumindest in den USA kaum messbare Vorteile für die Unternehmen oder ihre Aktionäre hat, dass also möglicherweise etwas ganz anderes dahintersteckt.

Der Studie zufolge erhöht Lobbyarbeit weder die Chance, dass in der Folge Gesetze vom US-Kongress verabschiedet werden, die im Sinne des Unternehmens sind, noch erhalte ein Unternehmen auf diese Weise mehr staatliche Aufträge. Der Studie zufolge ist Lobbyismus nicht nur sinnlos, sondern sogar schädlich, wenn das Unternehmen größer und komplexer ist. Denn einem großen Konzern falle es schwerer, einfache politische Forderungen zu formulieren, die ihm unter dem Strich insgesamt zum Vorteil gereichen.

Doch wenn Lobbying unprofitabel ist, warum geschieht es dann? Eine Möglichkeit ist, dass führende Manager die Ressourcen ihres Unternehmens nutzen, um die eigenen politischen Ziele voranzutreiben. Diese These würde auch erklären, warum die großen Technologieunternehmen in den USA sich im letzten Wahlkampf auf die Seite von Hillary Clinton stellten, indem sie ihre Suchalgorithmen entsprechend anpassten. Denn einen wirtschaftlichen Nachteil haben sie durch den Wahlsieg von Donald Trump sicherlich nicht gehabt.

Zwei weitere mögliche Erklärungen für die niedrige Wirksamkeit von Lobbyismus sind, dass Unternehmen von Lobbyisten getäuscht werden und dass inkompetente CEOs die Lobbyarbeit vorantreiben, um sich den Anschein von Initiative zu geben. Für die Gesellschaft insgesamt ist Lobbyismus natürlich auch ineffektiv. Denn die für Politik aufgebrachten Ressourcen und die eingesetzte Mühe fehlen dann etwa bei Forschung und Innovation.

Im Übrigen geben Unternehmen gar nicht so viel Geld für Lobbyarbeit aus, wie es oft den Anschein hat. So hat zum Beispiel Coca-Cola in den letzten sechs Jahren weltweit durchschnittlich 4 Milliarden Dollar pro Jahr für Werbung ausgegeben. Das ist etwa tausendmal so viel, wie das Unternehmen für Lobbyarbeit ausgibt. Oder überspitzt ausgedrückt: Coca-Cola nimmt tausendmal so viel Geld in die Hand, um Konsumenten zu manipulieren wie Politiker zu beeinflussen.

Das Problem am Lobbyismus ist oft nicht, dass er eine große Wirkung hätte oder dass hier viel Geld im Spiel wäre. Vielmehr ist Lobbyismus vor allem deshalb ärgerlich, weil er den Glauben an die Demokratie untergräbt, wonach die Bürger über die Zukunft ihres Landes entscheiden, indem sie bei Wahlen ihre Stimme an das geringere Übel abgeben. Doch eigentlich sollte es tausendmal so sehr den Glauben an die Demokratie untergraben, dass Werbung so wirksam ist, also im Wesentlichen die Manipulation der Bürger.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Das Zeitalter des intelligenten passiven Einkommens: Bitcoin-Mining mit BlackchainMining

In der heutigen, sich rasant entwickelnden digitalen Wirtschaft sind Kryptowährungen wie Bitcoin nicht nur Vermögenswerte, sondern auch...

 

DWN
Finanzen
Finanzen Optimismus für europäische Banken und der Auftakt zu 2026
09.12.2025

Die Wall Street steht vor Rekorden. Analysten sehen starke Impulse für 2026, doch warnen vor Risiken. Banken glänzen, Bitcoin sorgt für...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Voith: Maschinenbauer streicht 2.500 Stellen
09.12.2025

Der Maschinenbauer Voith plant in Deutschland den Abbau von bis zu 2.500 Stellen. Grund sind strukturelle Probleme wie hohe Energie- und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Feiertage killen fürs BIP: Ist das wirklich eine gute Idee?
09.12.2025

Mehr Arbeitstage, mehr Wachstum – so lautet das einfache Versprechen für 2026. Doch die Debatte über einen möglichen Wegfall eines...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Exporte: USA- und China-Geschäft bricht im Oktober ein
09.12.2025

Die deutschen Exporte geraten in ihren wichtigsten Absatzmärkten ins Rutschen, und die Zahlen aus den USA und China zeichnen ein klares...

DWN
Finanzen
Finanzen Neues Silberpreis-Rekordhoch: Engpässe treiben Aufwärtsrallye – warum Anleger jetzt wachsam sein müssen
09.12.2025

Der Silberpreis jagt von Rekord zu Rekord und übertrifft selbst den Hype um Gold, folgerichtig gibt es am Dienstag ein neues...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Arbeitsmarkt: Sieben Wege wie Unternehmen Fachkräfte finden und halten
09.12.2025

Qualifizierte Fachkräfte werden knapp – das spüren Unternehmen bei der Personalsuche immer deutlicher. Die Folgen: Engpässe,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Milan Nedeljkovic BMW: Er folgt auf Oliver Zipse
09.12.2025

BMW bekommt einen neuen Chef: Milan Nedeljkovic übernimmt das Ruder von Oliver Zipse. Der Produktionsvorstand bringt Erfahrung aus fast...

DWN
Finanzen
Finanzen Allianz-Aktie im Fokus: Allianz-Kooperation mit Oaktree – was der Syndikat-Pakt für Anleger bedeutet
09.12.2025

Ein neuer Deal in London, ein bestätigtes Top-Rating und höhere Gewinnziele treiben die Allianz-Aktie bis an das Jahreshoch. Doch hinter...