Eric Peters, Gründer des Hedgefonds One River Asset Management schreibt im Rahmen einer interessanten Einschätzung der aktuellen Entwicklungen im Weltfinanzsystem:
Die Federal Reserve steht der größten Volkswirtschaft der Welt vor. Das Finanzministerium hat gegen diese Einschätzung wahrscheinlich Einwände, aber die Fed ist auch die Wächterin der Welt-Reservewährung. Aufgrund dieser Machtposition sind die Zentralbanken der Welt quasi durch die von ihr ausgehende „Anziehungskraft“ dazu gezwungen, die Politik der Fed nachzuahmen. Im zurückliegenden Jahrzehnt näherten sich die Notenbanken weltweit dem Policy-Mix der Fed an, senkten die Leitzinsen, weiteten die Versorgung der Finanzmärkte mit Liquidität massiv aus und heizten die weltweite Verschuldung weiter an. Anfang 2020 wies die Welt den homogensten Policy-Mix seit Ende des Römischen Reiches auf. Und – wie bei allen lebenden Dingen – reduziert ein Mangel an Unterschiedlichkeit die Widerstandsfähigkeit eines Systems.
Die Dominanz der Geldpolitik der Fed hatte komplexe, unbeabsichtigte, Konsequenzen, von denen wir einige beobachten können. Beispielsweise entband sie Politiker von der Pflicht, zu regieren. Jede neue Krise wurde einfach durch geldpolitische Magie gelöst, und künftige Nachfrage wurde in die Gegenwart vorgezogen. Dies ermöglichte es den Politikern, harte Entscheidungen bezüglich der Frage zu umgehen, ob heute Geld ausgegeben oder morgen investiert werden sollte. Ohne diese lebenswichtigen Debatten zu führen, haben wir von unserer Jugend geborgt und das Geld für unser Altern ausgegeben. Eine Manifestation davon ist die massive Verschuldung der Studenten in den USA. Extrem inflationierte Preise von Wertpapieren eine andere.
Die geldpolitische Dominanz der Fed führt in ihrer letzten Konsequenz zu einer Welt, in der die Gesamtheit des künftigen Wohlstandes in die Gegenwart vorgezogen wurde. An diesem Endpunkt angelangt wird die Realwirtschaft nicht mehr stimuliert und die Geldpolitik hat ihre Macht verloren – egal, wie viele geldpolitische Zauberstäbe geschwungen werden. Wenn man sich diesem Punkt nähert, verliert die Geldpolitik schrittweise ihre Wirkung. Irgendwo kurz vor dem Ende dieser Entwicklung sind die Politiker dann schließlich wieder gezwungen, zu regieren, harte Entscheidungen zu treffen. Aber im Gegensatz zu den Zentralbanken – die alle gleich sind – sind Politiker höchst verschieden, heterogen.
Während Politiker also das von den machtlosen Zentralbankern zurückgelassene Vakuum füllen müssen, wenden sie verschiedene Werkzeuge an – steuerliche, fiskalische, handelspolitische, währungspolitische, regulatorische, einwanderungspolitische und militärische. Sie versuchen, sich mit den Zentralbankern abzustimmen, aber dies führt nur zu illusorischen Effekten – weil die Geldpolitik, sollte sie einmal machtlos werden – dies bis zum Neustart des Systems auch bleibt.
Heute sind wir auf dem Weg von einer Welt, die von homogenen Zentralbankern mit wenigen identischen Strategien geführt wurde, in eine neue Welt, die von heterogenen Politikern geprägt sein wird, welche eine breite Palette an Strategien auf unterschiedlichste Weise anwenden werden.
Die Homogenität der weltweiten Zentralbanken schuf eine Ära der Berechenbarkeit. Dies ermunterte Marktteilnehmer, ihre Bilanzen und Geschäftsstrategien mit Schulden aufzupeppen im Hinblick auf eine offenbar stabile Zukunft. Ihre Aktionen – seien es Aktienrückkäufe oder Just in Time-Produktionskreisläufe – bestärkten sich gegenseitig, weil sie die Volatilität an den Finanzmärkten dämpften und die Erwartungen an eine stabile, berechenbare Zukunft verstärkten. Naturgemäß führen reflexive Prozesse jedoch zu extremen Resultaten. Ohne es wirklich zu realisieren, erhöhten die Marktteilnehmer die Fragilität des Systems im Austausch für eine ständig steigende Profitabilität.
Trends werden dann sichtbar, wenn sich die Welt ändert. Preise ändern sich, wenn wir erkennen, dass die Zukunft anders aussehen wird als die Vergangenheit es tat. Die zu Grunde liegenden Änderungen werden oft von natürlichen Zyklen angetrieben. Dazu gehören Zyklen des Wetters, der Schulden, des Verschuldungsgrades, der Investitionen, der Innovationen, der Strategien, Gesellschaften und internationalen Beziehungen. In den späten Phasen werden diese Zyklen manchmal noch von Hysterien verstärkt.
Strategien, welche diesen tiefliegenden, systemischen Zyklen gefolgt waren, haben gerade ihr schlechtestes Jahrzehnt seit rund 120 Jahren hinter sich gebracht. Ebenso Strategien, welche auf verstärkte Schwankungen an den Finanzmärkten setzten. Es war eine Dekade der Homogenität und Berechenbarkeit. Sie ist nun vorbei.