Politik

Wie Araber-Clans den freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat ablehnen

Drogenhandel per Kokstaxi, Geldwäsche, Schießereien - solche kriminelle Energie macht Ermittlern in der Hauptstadt zu schaffen. Etliche Mitglieder arabischstämmiger Großfamilien sind verstärkt im Fokus. Wie ist die Lage und wie geht es weiter?
03.06.2020 19:00
Aktualisiert: 03.06.2020 19:00
Lesezeit: 3 min
Wie Araber-Clans den freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat ablehnen
12.07.2017, Berlin: Polizeibeamte führen dreieinhalb Monate nach dem spektakulären Diebstahl einer 100-Kilo-Goldmünze aus dem Berliner Bode-Museum einen Mann ab. (Foto: dpa) Foto: Paul Zinken

Auf ein Vogelnest aus purem Gold mit 74 Zweigen hatten es Einbrecher in der Hauptstadt abgesehen. Das 818 Gramm schwere Kunstwerk verschwand vor rund einem Jahr aus der zertrümmerten Vitrine einer Berliner Grundschule. Zwei Angehörige einer arabischstämmigen Großfamilie wurden als Tatverdächtige ermittelt.

Das ist einer der Fälle, die auf das kriminelle Konto Berliner Großfamilien gehen sollen und die in der Jahresbilanz (2019) der Hauptstadt-Polizei zur Bekämpfung der Clan-Kriminalität aufgelistet sind. Ermittelt wird demnach auch zu einem Kokain-Lieferservice mit bis zu 40 Fahrten am Tag, einem Überfall auf eine Bankfiliale in Frankfurt am Main, Angriffen gegen Polizisten, Schüssen und Streits rivalisierender Clans, heißt es in dem am Montag vorgelegten Bericht.

Deutlich wird, es ist ein mühsamer Kampf gegen abgeschottete Strukturen, die über Jahre gewachsen sind. Der Druck gegen sie sei deutlich erhöht worden, betont Innensenator Andreas Geisel (SPD). Eine Parallelwelt mit eigenem Kodex und der Ablehnung geltenden Rechts – „das konnten wir nicht länger dulden“. Und auch in der Corona-Pandemie sei der Rechtsstaat nicht außer Kraft. Es werde wegen des Erschleichens von Soforthilfen gegen Clanmitglieder ermittelt. „Wir halten den Druck in allen Bereichen aufrecht“, so der Senator. Kontrollen sollen auf alle Bezirke ausgeweitet werden.

Für die Polizei kamen rund 45.500 Einsatzstunden gegen Clans zusammen. Beamte rückten zu 382 Einsätzen aus. 702 Objekte wurden kontrolliert, darunter 190 Shisha-Bars, 322 Cafés und Bars, 60 Wettbüros und Spielstätten, 25 Barber-Shops sowie 11 Juweliere. Bei 102 Einsätzen wurde die Polizei von anderen Behörden unterstützt. 972 Strafanzeigen und 5908 Anzeigen zu Ordnungswidrigkeiten wurden gefertigt.

Beschlagnahmt wurden fast 35.000 Euro aus Drogengeschäften, 969 Verkaufseinheiten Betäubungsmittel, 31.606 unversteuerte Zigaretten, rund 554 Kilogramm unversteuerter Wasserpfeifentabak sowie 123 Autos, 2 Motorräder und 104 Waffen. Es gab Dutzende Festnahmen. Der Bericht gibt den Marktwert eines Kilos Kokain mit rund 40.000 Euro an. Im Bereich der Organisierten Kriminalität rechnete die Polizei etwa 20 Prozent der Verfahren arabischstämmigen Tätergruppen zu.

Im November 2018 hatte der rot-rot-grüne Senat einen Fünf-Punkte-Plan beschlossen, der die Ahndung schon geringer Regelverstöße ebenso vorsieht wie Kontrollen von Geschäften und Lokalen. Ordnungsämter, Zoll, Finanzbehörden und Senatsverwaltungen arbeiten zusammen. Auch beim Landeskriminalamt wurden Ressourcen gebündelt: Seit 1. April 2019 ist das Zentrum für Analyse und Koordination zur Bekämpfung krimineller Strukturen am Start.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) spricht am Montag von einer guten ersten Stadionrunde eines Marathons gegen Clankriminalität. Auch Senator Geisel und Polizeipräsidentin Barbara Slowik sehen Erfolge: Illegale Geschäftsfelder und Geldwäsche seien aufgedeckt und Erkenntnisse zur Organisierten Kriminalität gewonnen worden. Man sei auf dem richtigen Weg. Mit anderen Worten - noch nicht am Ziel. Im Bericht heißt das: „Die Aufhellung der kriminellen Strukturen konnte stadtweit intensiviert werden. Es ist eine Verunsicherung der kriminellen Szene feststellbar.“

Dazu dürfte auch die Beschlagnahme von 77 Immobilien im Wert von 9,3 Millionen Euro im Sommer 2018 beigetragen haben, die einer arabischstämmigen Berliner Familie zugerechnet werden. Häuser und Wohnungen sollen mit Geld aus Straftaten gekauft worden sein. Inzwischen konnten auch die Mieteinnahmen beschlagnahmt werden. Im April ordnete das Landgericht die Einziehung von zwei dieser Immobilien an.

Für Aufsehen sorgte auch der Prozess um den spektakulären Diebstahl einer millionenteuren Goldmünze aus dem Berliner Bodemuseum. Das Landgericht verurteilte im Februar zwei junge Männer aus einem polizeibekannten Clan zu mehrjährigen Jugendstrafen. Diese sind aber noch nicht rechtskräftig.

Die Bekämpfung von Straftaten aus arabischstämmigen Strukturen stelle die Polizeien mehrerer Bundesländer vor große Herausforderungen, heißt es im Bericht. Nur zusammen könnten nachhaltige Erfolge erzielt werden, so die Polizeipräsidentin. Eine bundesweite Definition von Clankriminalität gebe es aber bislang nicht. Auch Niedersachsen, Bremen und Nordrhein-Westfalen sind Hotspots. Berlin versteht das Phänomen so: „Clankriminalität ist die Begehung von Straftaten durch Angehörige ethnisch abgeschotteter Strukturen (,Clans‘).“ Das betreffe in Berlin Mhallami-Kurden, Libanesen und staatenlose Palästinenser.

Allein aus dem Libanon seien rund 29.500 Personen zugewandert, die zu etwa 72 Prozent deutsche Staatsbürger sind. Eine „nicht unbedeutende Personenzahl“ habe eine ungeklärte oder keine Staatsangehörigkeit.

Neben der Verfolgung von Straftätern hat die Polizei in Berlin einen weiteren Ansatz: Gerade junge Menschen aus den abgeschotteten Strukturen müssten gestärkt werden, um ein Abgleiten in die Kriminalität zu verhindern oder den Ausstieg zu ermöglichen, heißt es. Das Landeskriminalamt sei beim Erarbeiten von Ausstiegsszenarien dabei, die federführend vom Bezirk Neukölln entwickelt werden.

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