Politik

Grundsteuer muss neu berechnet werden: Niemand weiß wie, jetzt droht Chaos

Die Grundsteuer ist für die Kommunen eine der wichtigsten Einnahmequellen. Ab 2025 muss sie neu berechnet werden. Doch die Mehrheit der Länder weiß noch nicht, wie das funktionieren soll.
11.06.2020 15:48
Lesezeit: 2 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..
Grundsteuer muss neu berechnet werden: Niemand weiß wie, jetzt droht Chaos
Viele Länder unentschlossen: Droht Kommunen ein Grundsteuer-Fiasko? (Foto: dpa) Foto: Marijan Murat

Für die Kommunen ist die Grundsteuer eine der wichtigsten Einnahmequellen. Im vergangenen Jahr kamen rund 14 Milliarden Euro zusammen. Das sind 15 Prozent der kommunalen Steuereinnahmen, aus denen etwa Straßen, Schwimmbäder und Theater bezahlt werden. Die meisten Wohnungseigentümern zahlen im Jahr einige Hundert Euro Grundsteuer, Mieter werden über die Nebenkostenabrechnung zur Kasse gebeten.

Der Bund hatte Ende 2019 ein neues Berechnungsmodell beschlossen, für das sich viele Bundesländer aber wenig begeistern können. Sie dürfen deshalb eigene Konzepte entwickeln. Bayern, Hessen, Baden-Württemberg und Niedersachsen wollen das tun. Berlin, Thüringen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Bremen und das Saarland dagegen haben laut dpa-Umfrage beschlossen, sich an das Modell der Bundesregierung zu halten.

Von 2025 an muss die Grundsteuer in Deutschland neu berechnet werden - doch die Mehrheit der Länder hat noch immer nicht entschieden, wie das funktionieren soll. Einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur zufolge prüfen sechs Bundesländer noch, ob sie das vom Bund vorgeschlagene Modell umsetzen oder ein eigenes entwickeln. Vier Länder haben sich für eigene Konzepte entschieden, aber kein einziges ist endgültig beschlossen.

Dabei bleibt nicht viel Zeit, denn die Umstellung bei den Finanzämtern und eine Neubewertung von Grundstücken wird lange dauern. Die Deutsche Steuergewerkschaft warnt bereits. „Die Finanzminister müssen jetzt endlich die Grundsteuer anpacken, sonst wird es ein Fiasko für die Kommunen geben“, sagte Gewerkschaftschef Thomas Eigenthaler der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Nach der Corona-Krise seien sie auf jeden Euro angewiesen.

Zum Jahreswechsel hatten die Städte und Gemeinden zugesagt, die Umstellung nicht zur Sanierung ihrer Kassen auszunutzen. Denn letztlich bestimmen die Kommunen über ihre Hebesätze die Höhe der Grundsteuer - unabhängig vom Berechnungsmodell des Landes. Es gehe nicht um zusätzliche Einnahmen, hatte der Städte- und Gemeindebund versichert. Ob das angesichts der massiven Steuereinbrüche wegen der Corona-Pandemie noch zu halten ist, ist offen.

Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) versprach: „Für Mieterinnen und Mieter in normalen Wohnlagen - und das ist das Gros der Bevölkerung - soll es bei dem bisherigen Aufkommen bleiben oder sogar eine leichte Entlastung geben“. Es sei das gerechteste und effizienteste Modell, erklärte die Bremer Finanzverwaltung. Allerdings müssen alle Grundstücke und Gebäude damit in den nächsten Jahren aufwendig neu bewertet werden. Das Konzept orientiert sich am Wert des Bodens, einer statistisch ermittelten Kaltmiete, der Grundstücksfläche sowie der Art und dem Alter des Gebäudes.

Mehreren Bundesländer ist das zu kompliziert - allen voran Bayern, das sich allein an der Fläche orientieren will. Damit würden allerdings gleich große Grundstücke in Münchner Toplage und auf dem Land identisch bewertet. Hessen und Niedersachsen hatten zuletzt Modelle vorgelegt, die zusätzlich pauschal die Lage der Immobilie berücksichtigen. Baden-Württemberg will voraussichtlich Fläche und Bodenrichtwert zugrunde legen. Beschlossen ist nichts.

Wer profitiert und wer draufzahlt, ist in allen Ländern noch offen. „Jedes Reformmodell wird im Vergleich zur verfassungswidrigen Einheitsbewertung Gewinner und Verlierer erzeugen“, sagt Hessens Finanzminister Michael Boddenberg (CDU) voraus. Das komme ganz darauf an, ob das Grundstück bisher ungewöhnlich niedrig bewertet worden sei oder nicht. Derzeit wird die Grundsteuer noch nach völlig veralteten, jahrzehntealten Angaben berechnet - viele Grundstücke in Deutschland waren damals deutlich weniger wert als heute.

Die FDP im Bundestag kritisierte die unklare Lage. Es räche sich nun, dass die Koalition zu lange an einem bürokratischen und komplizierteren Grundsteuermodell festgehalten und die Länder fast zwei Jahre lang im Ungewissen gelassen habe, sagte Fraktionsvize Christian Dürr am Montag. Nun renne die Zeit für die Umstellung davon. Dürr riet: „Die Länder sollten nun rational handeln und ein transparentes Modell auf Basis der Grundstücks- und Wohnfläche einführen. Dies ließe sich schnell umsetzen und die wichtigen Einnahmen aus der Grundsteuer für die Kommunen sichern.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen EU-Kommission billigt deutsche Haushaltsstrategie trotz hoher Neuverschuldung
16.09.2025

Die Europäische Kommission hat den von der Bundesregierung geplanten Schuldenkurs bis 2031 gebilligt. Trotz geplanter Milliardenkredite...

DWN
Immobilien
Immobilien Mietrecht in Deutschland: Expertenkommission nimmt Arbeit auf
16.09.2025

Im Bundesjustizministerium hat eine neue Expertenkommission zum Mietrecht ihre Arbeit begonnen. Nach Angaben des Ministeriums soll das...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Unbekannte Superhelden: Ohne Finanzchefs droht Unternehmen der Stillstand
16.09.2025

Die Rolle der Finanzchefs verändert sich rasant: Statt nur Zahlen zu verwalten, gestalten sie die Strategie, treiben Digitalisierung und...

DWN
Politik
Politik Drohnenvorfall: Polen stoppt Flug über Regierungsgebäuden
16.09.2025

Ein Drohnenvorfall über Regierungsgebäuden in Warschau sorgt für Alarm. Polen nimmt zwei Weißrussen fest – und die NATO verstärkt...

DWN
Politik
Politik Unser neues Magazin ist da: Wohin steuert die EU? Europas Kampf um Souveränität und Einfluss
16.09.2025

Europa steht am Scheideweg. Zwischen globalen Machtblöcken und innerer Zerrissenheit muss die Europäische Union ihren Kurs finden....

DWN
Panorama
Panorama Online-Banking überzeugt so viele Deutsche wie nie zuvor
16.09.2025

Bankgeschäfte per Computer oder Smartphone sind in Deutschland auf Rekordniveau. Im Jahr 2024 nutzten 67 Prozent der 16- bis 74-Jährigen...

DWN
Technologie
Technologie Innovation gegen Ärztemangel- Frankreich setzt auf Hightech-Kabinen
16.09.2025

In Frankreich breiten sich in ländlichen Regionen zunehmend Kabinen mit Medizingeräten und Videoberatung durch Ärztinnen und Ärzte aus....

DWN
Politik
Politik Nawrocki besucht Berlin – Bundesregierung weist Reparationsforderungen zurück
16.09.2025

Polens neuer rechtskonservativer Präsident Karol Nawrocki ist zu seinem Antrittsbesuch in Berlin eingetroffen. Dabei könnte es zu...