Finanzen

Yale-Ökonom warnt Amerika: Der Dollar wird crashen

Lesezeit: 3 min
12.06.2020 09:41  Aktualisiert: 12.06.2020 09:41
Die Ära des Dollars als primäre Reserve-Währung geht zu Ende, sagt der Ökonom Stephen Roach von der Elite-Universität Yale.
Yale-Ökonom warnt Amerika: Der Dollar wird crashen
Schlägt vor Entsetzen die Hände über dem Kopf zusammen: Der erste US-Präsident, George Washington. (Foto: dpa)
Foto: Fredrik von Erichsen

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Der Yale-Ökonom Stephen Roach warnt in einem Gastbeitrag für Bloomberg, dass sich die Ära des US-Dollars als primärer Reservewährung der Welt dem Ende zuneigt. Fast 60 Jahre seien die Amerikaner auf Kosten der übrigen Welt in den Genuss eines "übertriebenen Lebensstandards" gekommen. Doch die Welt, die sich bisher nur darüber beklagt habe, sei in der aktuellen Krise nicht mehr bereit, dies weiter hinzunehmen.

Die Ursache dieses Problems sieht Roach in einem "tiefgreifenden Mangel an inländischen Ersparnissen in den USA, der vor der Pandemie eklatant offensichtlich war". Im ersten Quartal sei die Sparquote von Haushalten, Unternehmen und Staatssektor auf netto 1,4 Prozent des Nationaleinkommens gefallen. Dies war der niedrigste Wert seit Ende 2011. Der Durchschnitt der Jahre 1960 bis 2005 lag bei 7 Prozent.

Um dennoch investieren und wachsen zu können, hätten die Amerikaner die Rolle des Dollars als primärer Reservewährung der Welt ausgenutzt und in hohem Maße auf Ersparnisse aus dem Ausland zurückgegriffen. Um ausländisches Kapital anzuziehen, haben die USA seit 1982 jedes Jahr ein Defizit in ihrer Leistungsbilanz verzeichnet, die das breiteste Maß für den Handel ist, da sie Investitionen einschließt.

"Covid-19 und die von ihm ausgelöste Wirtschaftskrise treibt diese Spannung zwischen Ersparnis und Leistungsbilanz an die Grenze des Möglichen", schreibt Roach. Nach Angaben des überparteilichen Congressional Budget Office dürfte das Haushaltsdefizit der USA im laufenden Jahr auf 17,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ansteigen. Dies wäre ein Rekordwert für Friedenszeiten.

Zwar wurde ein beträchtlicher Teil der fiskalischen Unterstützung zunächst dadurch ausgeglichen, dass arbeitslose US-Arbeiter aus Angst vor den Folgen von Corona mehr sparten. Doch die Daten des US-Finanzministeriums zeigen, dass die Ausweitung des US-Haushaltsdefizits den angstgetriebenen Anstieg der persönlichen Ersparnisse im April um etwa 50 Prozent übertroffen hat.

In der globalen Finanzkrise wiesen die Ersparnisse zum ersten Mal in der Geschichte ein Nettogesamtdefizit auf. Vom dritten Quartal 2008 bis zum zweiten Quartal 2010 lag es bei durchschnittlich -1,8 Prozent des Nationaleinkommens. Doch jetzt ist nach Ansicht von Roach "ein viel stärkerer Rückgang in den negativen Bereich wahrscheinlich", möglicherweise zwischen -5 Prozent bis -10 Prozent.

"Und genau hier wird der Dollar ins Spiel kommen. Im Moment ist der Dollar stark und profitiert von der typischen Nachfrage nach sicheren Häfen, wie sie in Krisenzeiten seit langem besteht. [...] Der bevorstehende Einbruch der Ersparnisse deutet jedoch auf eine starke Ausweitung des Leistungsbilanzdefizits hin, das den bisherigen Rekord von -6,3% des BIP, den es Ende 2005 erreicht hatte, weit übertreffen dürfte."

Nach Ansicht des Ökonomen wird der Dollar unter diesen Umständen nicht verschont bleiben, so Roach. Mit der Stabilisierung der Wirtschaftskrise, die hoffentlich noch in diesem Jahr oder Anfang 2021 einsetzt, "könnte der Dollar leicht seine Tiefststände vom Juli 2011 testen und in einer breiten handelsgewichteten, inflationsbereinigten Betrachtung um bis zu 35 Prozent nachgeben".

Der bevorstehende Zusammenbruch des Dollars wird dem Ökonomen zufolge inflationär sein, was "ein willkommener kurzfristiger Puffer gegen die Deflation" sei. Doch in Verbindung mit der wahrscheinlich schwachen wirtschaftlichen Erholung nach Corona sei dies "ein weiterer Grund zur Sorge über eine beginnende Stagflation" in den USA, also einer Kombination von wirtschaftlicher Stagnation und steigender Inflation.

Zudem rechnet Roach mit einer starken Ausweitung des amerikanischen Handelsbilanzdefizits. Die protektionistischen Maßnahmen der US-Regierung würden vor allem das Handelsdefizit mit China weiter verschärfen und "schließlich nach hinten losgehen". Denn der Handel würde dadurch auf andere, teurere Produzenten umgelenkt, was effektiv eine Steuer für schon angeschlagenen US-Verbraucher bedeute.

Und schließlich stellt der Ökonom die Frage, wer künftig das Spardefizit der USA noch finanzieren wird und zu welchen Bedingungen und Zinssätzen, wenn das Land nicht mehr den Dollar als Reservewährung der Welt zur Verfügung hat. "Privilegien müssen verdient und dürfen nicht als selbstverständlich angesehen werden."

Die geringe Sparquote entsteht durch zu geringe Spartätigkeit der privaten Haushalte und durch die viel zu hohen staatlichen Budgetdefizite. Beides ist letzten Endes auch systematisch viel zu geringen Zinsen in den letzten 20 Jahren zuzuschreiben. Die Realeinkommen der Haushalte stagnieren seit Jahrzehnten, doch deren Konsum und Käufe von Häusern und Wohnungen expandieren gleichwohl, getrieben von einer immer stärker steigenden privaten Haushaltsverschuldung. Kreditkarten, Autoleasings, Studienkredite und Hypotheken sind weit über die allgemeine Preisentwicklung hinaus angestiegen.

Die Budgetdefizite sind in den letzten 12 Jahren explodiert. Dafür verantwortlich sind auf der Einnahmenseite die Steuersenkungen der Bush- und der Trump-Administration, welche zu hohen Steuerausfällen von gutbetuchten Privaten und Unternehmen geführt haben. Ferner gehört dazu die amerikanische Steuergesetzgebung für Unternehmen, welche im Zeitalter der Globalisierung einen starken Anreiz für Produktionsverlagerungen und Repatriierungen zu Sonderbedingungen geschaffen hat. Auf der Ausgabenseite sind die Rüstung und die internationale Truppenpräsenz wichtige Faktoren. Der Rest der Welt finanziert im Prinzip die amerikanische Aufrüstung und Militärpräsenz über Käufe amerikanischer Wertschriften, vor allem von Treasury Notes und Bonds.

Ein anderer wichtiger Faktor ist das viel zu teure und im Übrigen heillos ineffektive amerikanische Gesundheitswesen. Der Staat finanziert dies mit Medicare und Medicaid sowie mit Beiträgen der einzelnen Bundesstaaten mit. Als dritter großer Faktor müssen die explosionsartig angestiegenen Konjunkturprogramme und vor allem Bail-outs in der großen Finanzkrise von 2008/09 und 2020 angeführt werden.

Weil die Fed in der Expansion und im Boom die Zinsen jahrelang viel zu niedrig gehalten hat, führte dies zu gigantischen Blasen im Wohnungsmarkt (2000er Jahre) und dem 'everything bubble' in den letzten sieben Jahren. Als diese Blasen platzten oder nur schon zu platzen begannen, sprang der Staat mit riesigen Konjunktur- und Bail-Out-Paketen ein. Die Niedrigzins-Politik der Fed ist somit nur kurzfristig Kur, mittel- und langfristig ist sie die wichtigste Ursache der explodierenden privaten und staatlichen Verschuldung und der explodierenden Defizite in der amerikanischen Leistungsbilanz.


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