Im Berliner Abgeordnetenhaus haben die Fraktionen der Linken, der Grünen und der SPD eine Gesetzesvorlage ausgearbeitet, die die Einführung eines „Beauftragten für die Polizei Berlin“ fordert. Diese Stelle soll als „oberste Landesbehörde“ eingerichtet werden. Der Beauftragte wird „vom Abgeordnetenhaus mit den Stimmen der Mehrheit seiner Mitglieder gewählt und von dem Präsidenten oder der Präsidentin des Abgeordnetenhauses ernannt.“
Das Gesetz könnte in den kommenden Monaten verabschiedet werden.
Aus „§ 5 Befugnis zur Datenverarbeitung“ der Gesetzesvorlage geht hervor:
„Der oder die Bürger- und Polizeibeauftragte ist befugt, personenbezogene Daten, auch besondere Kategorien personenbezogener Daten (Art. 9 Abs. 1 DSGVO), zu verarbeiten, soweit dies zur Erfüllung seiner oder ihrer Aufgaben erforderlich ist. Hierbei darf er oder sie insbesondere personenbezogene Daten an das Abgeordnetenhaus, die in §§ 10 und 11 genannten Stellen und den Polizeipräsidenten oder die Polizeipräsidentin in Berlin übermitteln und bei diesen Stellen erheben.“
Im Klartext: Der „Beauftragte für die Polizei Berlin“ darf alle personenbezogenen Daten von Polizeibeamten unter Umgehung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) einholen.
Die Einholung von personenbezogenen Daten kann über mündliche oder schriftliche Auskünfte und Berichte, Akten und sonstige Unterlagen sowie durch Ortsbesichtigungen erfolgen.
Bei dem gesamten Prozess geht es nach Darstellung der Fraktionen darum, rechtswidrige Handlungen durch Polizeibeamte einzudämmen. Aus § 11 Abs. 1 der Gesetzesvorlage geht hervor: „Jeder oder jede, der oder die ein persönliches Fehlverhalten einzelner Polizeidienstkräfte oder die Rechtswidrigkeit einer polizeilichen Maßnahme behauptet, kann sich mit einer Beschwerde an den oder die Polizeibeauftragte(n) wenden. Jeder oder jede, die eine mittel- oder unmittelbare sowie institutionelle ungerechtfertigte Benachteiligung behauptet, kann sich mit einer Beschwerde an den Berliner Polizeibeauftragten oder die Berliner Polizeibeauftragte wenden.“
Dieses Gesetz soll offenbar als Ergänzung zum Anti-Diskriminierungsgesetz dienen. Aber: Ist die Umgehung der Schutzvorschriften der DSGVO bei Polizisten wirklich grundsätzlich zulässig? Das sollte die Rechtsprechung schnellstens prüfen. Denn warum sollten Polizisten von der DSGVO weniger geschützt sein als andere Bürger?
Ein weiteres Problem stellt sich im Bereich des Persönlichkeitsrechts dar. Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht (APR) ist ein „absolutes“ Recht, das - selbstverständlich - auch für Polizisten gilt. Es ergänzt die Freiheitsrechte, die im Grundgesetz normiert sind. Zudem gewährleistet das APR die engere persönliche Lebenssphäre - und die kann durch das geplante Gesetz zweifellos beeinträchtigt werden, und zwar in hohem Maße.
Wie weit die Übermittlung personenbezogener Daten von Polizisten an den künftigen Polizeibeauftragten von Berlin gehen darf, wird in der Gesetzesvorlage verschachtelt dargestellt.
Aus der Gesetzesvorlage geht - wie bereits erwähnt - hervor, dass „auch besondere Kategorien personenbezogener Daten (Art. 9 Abs. 1 DSGVO)“ von Polizisten abgeschöpft werden dürfen.
Und hier kommt, man kann es nicht anders sagen, der fragwürdigste Teil:
Ein Blick in den Art. 9 Abs. 1 DSGVO zeigt uns, welchen besonderen Schutz „besondere Kategorien personenbezogener Daten“ genießen: „Die Verarbeitung personenbezogener Daten, aus denen die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen, sowie die Verarbeitung von genetischen Daten, biometrischen Daten zur eindeutigen Identifizierung einer natürlichen Person, Gesundheitsdaten oder Daten zum Sexualleben oder der sexuellen Orientierung einer natürlichen Person ist untersagt.“
Im Klartext: Der „Beauftragte für die Polizei Berlin“ kann alle schutzbedürftigen Daten von Polizisten einholen, wenn gegen diese eine Beschwerde wegen Fehlverhaltens im Dienst vorliegt.
Forderung: Die Juristen der Fraktionen des Abgeordnetenhauses Berlin sollten die Gesetzesvorlage einer erneuten Prüfung unterziehen. Eine mögliche Nachbesserung unter Berücksichtigung der DSGVO, dem Grundrecht auf Datenschutz und der Persönlichkeitsrechte in Verbindung mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) muss unbedingt geschehen - im Sinne einer funktionierenden Rechtsordnung.