Politik

Insider: Bundesregierung hat britische Brexit-Strategie durchschaut, erwartet Scheitern der Verhandlungen

Lesezeit: 1 min
17.06.2020 11:08
Das Außenministerium rechnet internen Dokumenten zufolge nicht mehr mit erfolgreichen Brexit-Verhandlungen mit Großbritannien. Die EU müsse sich auf einen harten Austritt ohne Folgeabkommen vorbereiten. Damit wurde die Strategie der Regierung Johnsons durchschaut.
Insider: Bundesregierung hat britische Brexit-Strategie durchschaut, erwartet Scheitern der Verhandlungen
Der britische Premier Boris Johnson mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in London. (Foto: dpa)
Foto: Stefan Rousseau

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Das Bundesaußenministerium plädiert intern dafür, dass sich Deutschland und die EU bereits jetzt auf ein Scheitern der EU-Gespräche mit Großbritannien vorbereiten. Das geht aus einem Reuters vorliegenden vertraulichen Papier der Regierung hervor, in dem die Diskussion über die Themen in der am 1. Juli beginnenden deutschen EU-Ratspräsidentschaft zusammengefasst wird. Darin wird vor einem Zeitdruck in den Gesprächen über das künftige Verhältnis gewarnt. Das Ministerium schlug deshalb in der internen Besprechung vor, sowohl auf nationaler als auch europäischer Ebene Notfallplanungen einzuleiten, um auf einen "No-Deal 2.0" vorbereitet zu sein. Denn in den Verhandlungen der EU mit London werde es wohl erst im September in die "heiße Phase" gehen.

Laut Papier kritisiert das Außenministerium, dass sich Großbritannien immer weiter von den Inhalten von der mit der EU vereinbarten politischen Erklärung über das künftige Verhältnis entferne. So fänden entgegen der Vereinbarung etwa keine Gespräche zur gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik statt. "Großbritannien baut bereits jetzt in Brüssel die Drohkulisse auf", heißt es in dem Papier. London wolle am Ende in kürzester Zeit möglichst viel regeln und erhoffe sich dadurch einen Verhandlungserfolg in letzter Minute.

Das Außenministerium hat damit die britische Strategie durchschaut. Diese besteht darin, Rosinenpickerei zu betreiben und trotz EU-Austritt Sonderrechte zu fordern. Gelingt das nicht, will man das Land wahrscheinlich zu einer riesigen Steueroase vor den Toren Europas ausbauen - beziehungsweise der EU damit in weiteren Verhandlungen drohen.

Es sei daher wichtig, die Einheit der 27 EU-Staaten zu wahren, weiter auf parallelen Fortschritten in allen Bereichen zu bestehen und deutlich zu machen, dass es keine Einigung um jeden Preis geben werde. Bundesregierung und EU pochen seit längerem auf ein Gesamtpaket, um keine Wettbewerbsverzerrungen im EU-Binnenmarkt zu riskieren. Die Situation sei allerdings weniger gravierend als 2019, da es bereits wichtige Regelungen gebe. Das gelte etwa für den Status der EU-Bürger in Großbritannien und der britischen Bürger in der EU.

Großbritannien hat die EU am 31. Januar verlassen. Bis zum Ende des Jahres gilt eine Übergangsfrist, in der maßgebliche EU-Regelungen weiter Bestand haben und bis zu deren Ende unter anderem ein neues Freihandelsabkommen vereinbart werden soll. London hat entschieden, dass die Übergangsfrist nicht verlängert wird, so dass sich auch wegen der Corona-bedingten Unterbrechungen ein Zeitdruck aufbaut. Die EU und die britische Regierung wollen deshalb bis Ende Juli intensiver verhandeln.


Mehr zum Thema:  
Europa >

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Politik
Politik Wahljahr-Turbulenzen: Biden im Kreuzfeuer der Gaza-Proteste
04.05.2024

Seit Monaten sind bei fast jedem öffentlichen Auftritt von Präsident Joe Biden propalästinensische Demonstrationen zu sehen, die sich im...

DWN
Politik
Politik Mindestlohn: Neues Streitthema köchelt seit dem Tag der Arbeit
04.05.2024

Im Oktober 2022 wurde das gesetzliche Lohn-Minimum auf zwölf Euro die Stunde erhöht. Seit Jahresanfang liegt es bei 12,41 Euro, die von...

DWN
Technologie
Technologie Deutsches Start-up startet erfolgreich Rakete
04.05.2024

Ein deutsches Start-up hat eine Rakete von zwölf Metern Länge entwickelt, die kürzlich in Australien getestet wurde. Seit Jahrzehnten...

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Robert Habeck sollte endlich die Kehrtwende vollziehen - im Heizungskeller Deutschlands
03.05.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Finanzen
Finanzen Wirtschaftsstandort in der Kritik: Deutsche Ökonomen fordern Reformen
03.05.2024

Deutschlands Wirtschaftskraft schwächelt: Volkswirte geben alarmierend schlechte Noten. Erfahren Sie, welche Reformen jetzt dringend...

DWN
Politik
Politik Rheinmetall-Chef: Deutschland muss Militärausgaben um 30 Milliarden Euro erhöhen
03.05.2024

Armin Papperger, der CEO von Rheinmetall, drängt darauf, dass Deutschland seine Militärausgaben um mindestens 30 Milliarden Euro pro Jahr...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Indische Arbeitskräfte im Fokus: Deutschland öffnet die Türen für Fachkräfte
03.05.2024

Die Bundesregierung strebt an, einen bedeutenden Anteil der indischen Bevölkerung nach Deutschland zu holen, um hier zu arbeiten. Viele...

DWN
Finanzen
Finanzen Wie lege ich mein Geld an – wichtige Tipps für Anfänger
03.05.2024

Die Tipps zur Geldanlage können wirklich spannend sein, besonders wenn es darum geht, die eigenen finanziellen Ziele zu erreichen und eine...