Politik

Wahlkampf in Polen wird zum "Kulturkrieg"

Wenn die Polen am Sonntag einen neuen Präsidenten wählen, dann spielen im Wahlkampf ganz andere Themen eine Rolle als hierzulande. Statt etwa um den Klimawandel geht es in Polen vor allem um gesellschaftliche und moralische Fragen, etwa die Rolle von Lesben, Schwulen und Bisexuellen.
25.06.2020 13:19
Lesezeit: 3 min
Wahlkampf in Polen wird zum "Kulturkrieg"
Polens Präsident Andrzej Duda kann sich auf die ländlichen Wähler verlassen - aber wird das zum Wahlsieg am Sonntag reichen? (Foto: dpa) Foto: Krzysztof Swiderski

US-Präsident Donald Trump hat sich am Mittwoch überzeugt davon gezeigt, dass der polnische Staatspräsident Andrzej Duda bei der anstehenden Wahl in seinem Land Erfolg haben wird. "Ich glaube, er wird sehr erfolgreich sein", sagte Trump bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Duda im Rosengarten des Weißen Hauses. "Er macht einen grandiosen Job. Die Menschen in Polen halten große Stücke auf ihn", so Trump. "Er wird mit oder ohne uns sehr gut abschneiden."

Trumps Lob für Duda kam nur wenige Tage, bevor der polnische Präsident nun am Sonntag, den 28. Juni zur Wiederwahl steht. Auf den von Kritikern geäußerten Vorwurf der Wahlbeeinflussung angesprochen sagte Duda, dass Trump und er lediglich ihren Pflichten als Präsidenten nachkommen. Die Corona-Pandemie habe die ursprünglichen Pläne für ein Treffen durcheinander gebracht. Daher habe man vereinbart, sich zu treffen, sobald dies wieder möglich ist.

Der von der Regierungspartei PiS gestellte Amtsinhaber Duda führt in aktuellen Umfragen mit Werten um 41 Prozent. Sein wichtigster Herausforderer ist der Warschauer Oberbürgermeister Rafal Trzaskowski, der für das liberalkonservative Oppositionsbündnis Bürgerkoalition (KO) ins Rennen geht. Er liegt derzeit bei rund 30 Prozent. Erhält kein Kandidat im ersten Wahlgang mehr als 50 Prozent der Stimmen, ist für den 12. Juli eine Stichwahl vorgesehen.

Wahlkampf in Polen ist "Kulturkrieg"

Der Wahlkampf in Polen ist - ganz im Gegensatz zu Deutschland - ein "Kulturkrieg", wie es auch die Financial Times kürzlich ausdrückte. Das Blatt berichtet über einen Besuch von Andrzej Duda in Brzeg, einer Kleinstadt im Südwesten Polens. Dort sagte Duda in seiner Rede: "Die Generation meiner Eltern hat nicht 40 Jahre lang dafür gekämpft, die kommunistische Ideologie aus den Schulen zu vertreiben, damit wir jetzt eine andere Ideologie akzeptieren, die für die Menschen noch zerstörerischer ist." Duda meint die LGBT-"Ideologie".

Polens Präsident darf nicht Mitglied in einer Partei sein. Doch der 48-jährige Duda war lange Mitglied in der regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Die Wahl am Sonntag ist die dritte in Folge, in der die PiS versucht, ihre konservative Basis gegen das zu mobilisieren, was sie als eine kulturelle Bedrohung betrachtet. Denn der PiS zufolge hat der politische Gegner, die liberale städtische Elite, den Kontakt zu den polnischen Werten verloren hat.

Im vergangenen Jahr bei den Europawahlen und den polnischen Parlamentswahlen hat diese Taktik der PiS zum Sieg verholfen. Doch diesmal wird es knapper werden. Zudem steht viel auf dem Spiel. Sollte Duda verlieren, könnte ein oppositioneller Präsident Rafal Trzaskowski die Politik der Regierungspartei PiS mit seiner Vetomacht einschränken. Auch die Justizreform, die Warschau zuletzt auch in Konflikt mit Brüssel gebracht hat, würde dann wackeln.

Im Wahlkampf strich Duda die soziale Politik der PiS und ihre Pläne für große Infrastrukturprojekte heraus. Doch dies reichte nicht. Wie schon bei den letzten beiden Wahlen, so drehte sich ein Großteil des PiS-Wahlkampfs um Themen des "Kulturkriegs". So sagte ein Mitarbeiter von Duda im polnischen Staatsfernsehen, LGBT-Leute seien "nicht gleichwertig zu normalen Menschen". Ein anderer Abgeordneter der PiS twitterte eine Karikatur, in der gleichgeschlechtliche Ehen mit einer Ehe zwischen einem Mann und einer Ziege verglichen wurden.

Beobachter sagen, dass die Rhetorik gegen LGBT die Wechselwähler auf dem Land gewinnen könnte, wo katholisch geprägte traditionelle Familienwerte noch immer großen Einfluss haben. "Man verliert nicht unbedingt die [politische] Mitte, wenn man in der Lage ist, diese [LGBT-]Agenda als Teil eines aggressiven Kulturkrieges darzustellen, der die Grundlagen der polnischen Zivilisation und Gesellschaft untergräbt", sagte Aleks Szczerbiak, Professor für Politik an der britischen University of Sussex.

Duda ist der Kandidat der kleinen Städte

Der Jurist Duda ist in Krakau in Südpolen aufgewachsen und arbeitete einst für Präsident Lech Kaczynski, der im Jahr 2001 zusammen mit seinem Zwillingsbruder Jaroslaw die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) gegründet hatte. Nachdem Lech Kaczynski im Jahr 2010 auf dem Weg zu einer Gedenkfeier zur Erinnerung an die Ermordung polnischer Offiziere durch den sowjetischen Geheimdienst 1940 im russischen Katyn bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen war, wurde Duda 2011 Abgeordneter der PiS und gewann 2014 einen Sitz im EU-Parlament.

Als Präsident hat er alle 380 polnischen Landkreise besucht. Seine Anhänger sagen, dass sein Konservatismus besser zu den Werten in den kleinen Städten passt als der Kosmopolitismus von Trzaskowski. "Duda ist ein tief religiöser Mensch, und viele Polen empfinden dies", sagt Duda-Berater Andrzej Zybertowicz. In Polen sei das Verhältnis zur katholischen Kirche anders als in anderen modernen Gesellschaften. "Während seiner Präsidentschaft wurde Duda in Polen als jemand wahrgenommen, der die Bedürfnisse normaler Menschen zum Ausdruck bringt."

"Dudas größte Stärke ist, dass er in Polens Kleinstädten wirklich beliebt ist", sagt Aleks Szczerbiak, Professor für Politik an der britischen University of Sussex. Dudas Problem bestehe aber darin, Wähler über diese Kernwähler hinaus zu gewinnen. Denn weil er sehr stark mit der regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) identifiziert werde, würden viele Polen ihn nicht wählen, obwohl sie ihn eigentlich persönlich mögen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN-Wochenrückblick

Weniger E-Mails, mehr Substanz: Der DWN-Wochenrückblick liefert 1x/Woche die wichtigsten Themen kompakt und Podcast. Für alle, deren Postfach überläuft.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

DWN
Panorama
Panorama Kartoffelsalat und Würstchen: So teuer wird der Weihnachtsklassiker 2025
23.12.2025

Kartoffelsalat mit Würstchen bleibt zum Fest günstiger als im Vorjahr. Vor allem die Essig-Öl-Variante spart Geld, während regionale...

DWN
Finanzen
Finanzen Wie die Geldentwertung Gold und Bitcoin in den Vordergrund rückt
23.12.2025

Ersparnisse verlieren Jahr für Jahr an Wert. Nicht durch Zufall, sondern durch System. Warum Geldentwertung Gold und Bitcoin immer...

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: US-Aktien steuern mit Gewinnen auf das Jahresende zu, Goldpreis erreicht neues Rekordhoch
22.12.2025

Die US-Aktien legten am Montag zu, wobei die drei großen Indizes den dritten Tag in Folge Gewinne verzeichneten. Gold setzte seine Rallye...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Globale Wirtschaft: Fed-Zurückhaltung bremst Wachstum und Aktienmärkte weltweit
22.12.2025

Nach der starken Rally an den Aktienmärkten mehren sich die Zweifel, ob das globale Wachstum ohne neue geldpolitische Impulse tragfähig...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bundeskartellamt verhängt zehn Millionen Euro Bußgeld
22.12.2025

Zehn Millionen Euro Bußgeld – das klingt nach wenig für Deutschlands oberste Wettbewerbshüter. Tatsächlich ist es ein deutlicher...

DWN
Finanzen
Finanzen Persönliche Daten bei Banken: Was Sie preisgeben müssen - und was nicht
22.12.2025

Bevor Banken Konten, Kredite oder Depots freigeben, sammeln sie umfangreiche Daten. Doch nicht jede Auskunft ist verpflichtend – viele...

DWN
Finanzen
Finanzen Schaeffler-Aktie vor dem Ausbruch: Zehn Prozent Umsatz aus neuen Geschäften
22.12.2025

Während andere Rüstungsaktien nach ihrer Rally ins Stocken geraten, schiebt sich ein Industriekonzern überraschend nach vorn. Die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Fallender Ölpreis hält Kraftstoffpreise vor den Feiertagen niedrig
22.12.2025

Der Ölpreis ist erstmals seit Beginn des Ukrainekriegs unter 60 US-Dollar gefallen. Für Verbraucher bedeutet das niedrige...