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Bundeswehr-Eliteeinheit KSK wird entmachtet und teilweise aufgelöst

Lesezeit: 3 min
30.06.2020 16:54  Aktualisiert: 30.06.2020 16:54
Die Elitetruppe der Bundeswehr, das Kommando Spezialkräfte, wird teilweise aufgelöst. Der Rest der Organisation wird komplett entmachtet.
Bundeswehr-Eliteeinheit KSK wird entmachtet und teilweise aufgelöst
Angehörige der Bundeswehr-Elite-Einheit KSK (Kommando Spezialkräfte) üben im unterfränkischen Hammelburg für den Ernstfall (Archivbild vom 18 September 2008). (Foto: dpa)
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Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) will das Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr nach einer Serie rechtsextremer Vorfälle grundlegend umstrukturieren und teilweise sogar auflösen. Das Verteidigungsministerium unterrichtete die Fachleute im Bundestag am Dienstag über ein umfassendes Maßnahmenpaket, dass auch die Einstellung aller Übungen und internationalen Kooperationen sowie den weitgehenden Abzug aus laufenden Einsätzen vorsieht. Der Eliteeinheit soll auch die Oberhoheit über die Ausbildung genommen werden.

Einsätze des KSK sollten nun soweit möglich von anderen Einheiten übernommen werden, Übungen und internationale Kooperationen der Elitetruppe werden bis auf weiteres ausgesetzt. Die Ausbildung der Kommando-Soldaten werde künftig dem Ausbildungskommando des Heeres unterstellt. Das KSK werde sich ab sofort voll auf die nötigen Veränderungen konzentrieren. Der Austausch mit Spezialkräften anderer Teilstreitkräfte - dazu zählen etwa die Kampfschwimmer der Marine - solle verstärkt werden. Zudem ordnete die Ministerin eine Inventur beim KSK an: Ein digitales System solle dort künftig die Bestände von Munition und Sprengstoff erfassen.

Kramp-Karrenbauer will das Konzept, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, am Mittwoch dem Verteidigungsausschuss des Bundestags präsentieren und auf einer Pressekonferenz vorstellen.

"Die Analyse der aktuellen Ereignisse und rechtsextremistischen Fälle macht (...) deutlich, dass sich das KSK zumindest in Teilbereichen über die letzten Jahre verselbständigt hat, abgeleitet aus einem ungesunden Eliteverständnis einzelner Führungskräfte", schreibt Verteidigungsstaatssekretär Peter Tauber. Es seien Bereiche im KSK entstanden, in denen sich eine vergiftete Führungskultur, extremistische Tendenzen und ein laxer Umgang mit Material und Munition entwickelt hätten. So habe etwa der Verbleib von 48.000 Schuss Munition und 62 Kilogramm Sprengstoff aus KSK-Beständen nicht geklärt werden können. Die Dienstaufsicht aller Ebenen habe die bedenkliche Entwicklung in dem Verband nicht erkannt oder unterschätzt. "Daraus folgt, dass das KSK nicht in seiner jetzigen Verfassung bestehen bleiben kann", schreibt Tauber. "Es muss von innen heraus verändert und wieder besser in die Bundeswehr integriert werden. Die Abschottung und ein in Teilen fehlgeleitetes Selbstverständnis müssen aufgebrochen werden." Das Ministerium setze dabei auf die Hilfe derjenigen im KSK, die dazu beigetragen hätten, die Mauer des Schweigens einzureißen.

Das Kommando Spezialkräfte (KSK) hatte seit 2017 immer wieder mit rechtsextremistischen Vorfällen Schlagzeilen gemacht. Alles begann im April 2017 mit einer Abschiedsparty für einen KSK-Kommandeur, bei der mit Schweineköpfen geworfen, Rechtsrock gespielt und der Hitlergruß gezeigt worden sein soll. Bei einem der Partygäste fand die sächsische Polizei später ein Waffenversteck mit Munition und Sprengstoff.

Im Januar gab der Militärische Abschirmdienst (MAD) bekannt, dass bei der Elitetruppe 20 Soldaten unter Rechtsextremismus-Verdacht stehen. Im Verhältnis zur Truppenstärke war der Anteil zu diesem Zeitpunkt fünf Mal so hoch wie bei der Bundeswehr insgesamt. Im Mai setzte Kramp-Karrenbauer nach Anschuldigungen, die von einem unbekannten "Whistleblower" gegen Führungskräfte des KSK erhoben worden waren eine Arbeitsgruppe ein, um ein Konzept zur Unterbindung rechtsextremistischer Tendenzen im KSK zu erarbeiten, über das sie jetzt entschieden hat.

Das sind die Hauptpunkte:

- Übungstätigkeit und internationale Kooperationen des KSK werden bis auf weiteres eingestellt. Einsatzverpflichtungen werden, «soweit möglich, von anderen Einheiten übernommen».

- Die 2. Kompanie Kommandokräfte wird aufgelöst. Diese Kompanie hatte die sogenannte Schweinekopf-Party im April 2017 veranstaltet.

- Beim Generalinspekteur der Bundeswehr wird eine Kontrollinstanz zur Überwachung des Reformprozesses entstehen.

- Die Ausbildung der KSK-Soldaten soll künftig unter Verantwortung der Infanterieschule in Hammelburg stehen.

Die Ministerin will sehr weitgehend in die bisherige Struktur des KSK eingreifen und dabei auch bislang typische Laufbahnen, bei denen Soldaten durchaus 20 Jahre lang ausschließlich in der Kommandoeinheit eingesetzt waren, geändert sehen.

Gestärkt werden soll zudem die ethische Ausbildung der Kommando-Offiziere in einem Umfeld, das sich nach Einschätzungen von Fachleuten sehr weitgehend auf die Beherrschung der Militärtechnik und der taktischen Erfordernisse konzentrierte. Dass es auch anders gehe, zeige das Beispiel der US-Marineinfanterie («Marines»), wo es Leselisten mit Literatur zu ethischen Fragen der Kriegsführung und der Anwendung von Gewalt gibt, mit denen sich Zivilisationen seit dem Altertum befasst haben - heißt es aus dem Verteidigungsministerium.

Am Montag hatte die Ministerin das KSK besucht und deutlich gemacht, dass sich die Soldaten entscheiden müssen, ob sie Teil der Lösung oder weiter Teil des Problems sein wollen. Auch eine Auflösung der Einheit bleibt eine Option, falls sich das KSK als unreformierbar herausstellen sollte. Ergebnisse will man schnell sehen, spätestens bis zum Herbst.

Kramp-Karrenbauer betonte in einem Interview des Radiosenders SR 3, das Spezialkräfte weiter gebraucht würden. Sie erinnerte daran, dass die Truppe 1996 zur Befreiung deutscher Geiseln in Kriegsgebieten gegründet wurde, was bis zu diesem Zeitpunkt ohne ausländische Hilfe nicht möglich war. «Wir brauchen auf jeden Fall Spezialkräfte», sagte sie. Aber man müsse in besonderer Art und Weise Vertrauen in eine solche geheim operierende Truppe haben.

Der MAD hatte das KSK erst zu Wochenbeginn einen Schwerpunkt bei der Extremismusabwehr genannt und insgesamt eine «neue Dimension» beim Problem des Rechtsextremismus in der Bundeswehr ausgemacht. Überhöhter Patriotismus ohne Bekenntnis zum Grundgesetz, zum Staat des Grundgesetzes und zur offenen Gesellschaft werde in der Bundeswehr nicht geduldet, sagte der Präsident der Behörde, Christof Gramm, am Montag in Berlin bei einer öffentlichen Anhörung des Parlamentarischen Kontrollgremiums für die Nachrichtendienste. Gramm: «Solche falschen Patrioten haben bei uns definitiv nichts verloren.»

Die Elitetruppe mit einer nie erreichten Sollstärke von über 1000 Soldaten war 1996 aufgestellt worden. Der Verband kommt in Kriegs- oder Krisengebieten überall dort zum Einsatz, wo herkömmliche Einheiten nicht mehr oder noch nicht eingesetzt werden können.


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