Finanzen

Commerzbank: US-Heuschrecke und Olaf Scholz bereiten Massenentlassungen vor

Dem US-Finanzinvestor "Cerberus" gehören nur wenige Prozent der Commerzbank. Dennoch will das für seine rüden Methoden bekannte New Yorker Investmenthaus durchsetzen, dass viele Tausende Mitarbeiter des Geldinstituts entlassen werden. Hilfe dafür kommt ausgerechnet von Finanzminister Olaf Scholz.
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avtor
11.07.2020 11:30
Aktualisiert: 11.07.2020 11:30
Lesezeit: 4 min
Commerzbank: US-Heuschrecke und Olaf Scholz bereiten Massenentlassungen vor
Das Gallileo-Hochhaus in Frankfurt, in dem die Zentrale der Commerzbank untergebracht ist. (Foto: dpa)

Bei der Commerzbank stehen die Zeichen auf Sturm. Am 3. Juli haben sowohl Vorstands-Chef Martin Zielke als auch Aufsichtsrats-Chef Stefan Schmittmann überraschend ihren Rücktritt angekündigt.

Vorangegangen war ein Machtkampf zwischen der Führung der Bank und dem US-Investor Cerberus, der nach dem Bund die zweitgrößten Anteile an dem Institut hält. Der Zwist war nach monatelangen vertraulichen Gesprächen Anfang Juni an die Öffentlichkeit gelangt, als die Nachrichtenagenturen Reuters und Bloomberg Auszüge aus einem ihnen zugespielten Brief veröffentlichten. Darin beschwerte sich das Cerberus-Management über den in seinen Augen zu langsamen Umbaukurs der Bank und forderte den Austausch mehrerer namentlich aufgeführter Mitglieder des Aufsichtsrates.

Zwar versuchte die Führung der Commerzbank umgehend, die Wogen in einem Antwortschreiben zu glätten, doch die für ihren aggressiven Geschäftsstil bekannten New Yorker Manager ließen nicht locker, änderten einfach ihre Taktik und hatten damit offensichtlich Erfolg. Wie es scheint, haben sie für ihr Vorhaben einen Verbündeten gefunden, mit dem kein Außenstehender gerechnet hatte – den Bund, den mit 15,6 Prozent größten Anteilseigner der Bank.

Zwar wird keiner der beiden diese ungewöhnliche Allianz öffentlich zugeben, aber die Tatsachen sprechen für sich: Die Rücktritts-Ankündigungen von Schmittmann und Zielke erfolgten direkt im Anschluss an eine Sitzung mit Vertretern des Bundes, die den Bank-Chefs bislang immer den Rücken gestärkt hatten.

Die anschließende Erklärung des Bundesfinanzministeriums, die kein Wort der Kritik an Cerberus’ Vorgehen enthielt, legt nahe, dass der Bund seinen Widerstand gegen den US- Investor aufgegeben und ihm für dessen Marschroute einer schnelleren und radikaleren Umstrukturierung der Bank grünes Licht gegeben hat.

Was treibt die Beteiligten?

Um die Motive der Beteiligten zu verstehen, muss man einen kurzen Blick auf den Niedergang der Commerzbank werfen, der 2008 nur zwei Wochen nach der Übernahme der Dresdner Bank begann. Damals erreichte die Weltfinanzkrise mit der Lehman-Pleite einen ihrer Höhepunkte und brachte das Frankfurter Geldinstitut gefährlich ins Wanken.

Ganze vier Monate später wurde die Lage so brenzlig, dass nur eine 10-Milliarden-Euro-Spritze aus dem staatlichen Rettungsfonds und eine 25prozentige Beteiligung des Bundes das Institut am Leben erhalten konnte. Es war das erste Mal, dass eine deutsche Privatbank auf Kosten des Steuerzahlers teilverstaatlicht wurde – zu einem Preis von insgesamt 18,2 Milliarden Euro.

Trotz der Rettung setzte sich der Abstieg fort. Nicht nur, dass in den Folgejahren fast alle strategischen Ziele verfehlt wurden, 2015 musste in den USA auch noch eine Strafe von 1,45 Milliarden Dollar gezahlt werden, und im September 2018 flog die Bank sogar aus dem DAX. Die Commerzbank-Aktie verlor innerhalb von zwölf Jahren bis zu 95 Prozent ihres Wertes und erreichte im März 2020 ihren historischen Tiefstand.

Kein Wunder also, dass die Vertreter des Investors Cerberus, der im Juli 2017 für 700 Millionen Euro mit 5,01 Prozent eingestiegen war und innerhalb von nur drei Jahren Verluste von bis zu 60 Prozent seines Einsatzes verkraften musste, immer ungeduldiger wurden.

Wer ist Cerberus?

Das 1992 gegründete Investmentfonds-Management-Unternehmen „Cerberus Capital Management“ wird zurzeit vom ehemaligen US-Finanzminister (unter George W. Bush) John W. Snow geführt, arbeitet nach dem Prinzip „einsteigen, umstrukturieren, aussteigen“ und gilt unter Insidern als besonders gefräßige Heuschrecke.

In Deutschland hat sich Cerberus zunächst im Immobilienbereich engagiert. Seit drei Jahren sind aber auch Banken ins Visier des Fonds gerückt. 2017 erfolgte nicht nur der Einstieg bei der Commerzbank, sondern auch bei der Deutschen Bank, bei der Cerberus circa drei Prozent der Anteile hält. Außerdem wurde im selben Jahr die baden-württembergische Südwestbank erworben und 2018 mit weiteren Unternehmen zusammen die HSH Nordbank aufgekauft.

Cerberus zählt zu den sogenannten „aktivistischen“ Investoren, die das Management über die normale Einflussnahme eines institutionellen Investors hinaus bedrängen. Sie fordern unter anderem, die Strategie zu ändern, Personal im Vorstand oder Aufsichtsrat auszuwechseln oder Sparten zu verkaufen.

Normalerweise werden solche Vorstöße wie die gezielte Veröffentlichung des Briefes an den Commerzbank-Vorstand nicht in Phasen wie der gegenwärtigen unternommen, da Unruhe in schwierigen Zeiten unerwünscht ist. Dass Cerberus dennoch gerade jetzt vorprescht, zeigt, dass man ganz offensichtlich unter Druck steht und bei Untätigkeit noch größere Verluste fürchtet.

Welche Rolle spielen der Bund und Olaf Scholz?

Welche Rolle aber spielt der Bund in diesem Spiel? Wieso hat er als größter Aktionär seinen mehrjährigen Widerstand gegen Cerberus ganz offensichtlich aufgegeben und stärkt der Heuschrecke nun den Rücken?

Der Grund dürfte in der finanziellen Zwangslage liegen, in der sich der Bund zurzeit befindet. Zum einen hat er wegen der Corona-Krise in diesem Jahr Kredite von fast 218 Milliarden Euro aufnehmen müssen, was vermutlich nicht einmal ausreichen wird. Zum anderen muss er wegen der prekären Wirtschaftslage mit stark sinkenden Steuereinnahmen rechnen. Weitere Verluste müssen also unbedingt vermieden, Löcher in den Kassen um jeden Preis gestopft werden.

Um die Erreichung dieses Ziels dürfte es auch bei der Tagung des Aufsichtsrats der Commerzbank an vergangenen Mittwoch gegangen sein. Dabei stand nach Informationen aus Bankkreisen ein Programm namens „Turnaround“ auf der Tagesordnung, das der Bund 2019 bei der Beratungsgesellschaft „Boston Consulting Group“ (BSC) in Auftrag gegeben hat, dessen Inhalt jedoch bis heute unter Verschluss gehalten wurde. Der darin enthaltene Plan wird sich vermutlich nicht wesentlich von dem der Cerberus-Manager unterscheiden, die bis Ende 2023 mehr als die Hälfte der bundesweit knapp 1.000 Filialen schließen und circa ein Drittel der zuletzt knapp 33.000 Stellen im Konzern streichen wollen.

Da ein solcher Kahlschlag und ein Schulterschluss mit einer Heuschrecke sich sozialdemokratischen Wählern nur schwer vermitteln lassen, ist es kaum verwunderlich, dass Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sich zurzeit in Schweigen hüllt. Dass er und sein Ministerium aber hinter den Kulissen weiter aktiv mithelfen, den radikalen Umbau voranzutreiben und die Massenentlassungen zu ermöglichen, konnte man ebenfalls am Mittwoch erkennen: Die Aufgabe, einen neuen Aufsichtsratsvorsitzenden zu finden, dessen Aufgabe es sein wird, die unpopulären Maßnahmen gegen alle Widerstände durchzusetzen, übernahm nämlich niemand anders als die ehemalige Goldman-Sachs-Bankerin Jutta Dönges, die im Auftrag von Scholz in das Gremium entsandt worden war.

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Ernst Wolff, 69, befasst sich mit der Wechselbeziehung zwischen internationaler Politik und globaler Finanzwirtschaft.

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