Deutschland

Skandal-Flughafen BER: Gleich zur Eröffnung müssen hunderte Mitarbeiter gehen

Neue Peinlichkeiten im Fall BER. Wenige Monate vor der um Jahre verspäteten Inbetriebnahme des Hauptstadtflughafens ist die gesamte Branche in eine schwere Krise geraten. Hunderte Angestellte werden an den Berliner Flughäfen nun auf einmal nicht mehr gebraucht.
22.07.2020 15:00
Aktualisiert: 22.07.2020 15:53
Lesezeit: 2 min
Skandal-Flughafen BER: Gleich zur Eröffnung müssen hunderte Mitarbeiter gehen
Arbeiteranzüge am Hauptstadtflughafen BER. (Foto: dpa) Foto: Ralf Hirschberger

Nach dem beispiellosen Einbruch des Luftverkehrs in der Corona-Krise steht die Berlin-Brandenburger Flughafengesellschaft (FBB) vor dem Abbau Hunderter Arbeitsplätze. Sowohl in der Verwaltung, im Betrieb und der Operation müsse erheblich gespart werden, heißt es in einem Mitarbeiterbrief vom Mittwoch, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. «Nach unserer Einschätzung geht es um einen Abbau von 400 Stellen in den nächsten Jahren», schreiben Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup und Personalchef Michael Halberstadt. Derzeit hat das staatliche Unternehmen rund 2170 Stellen.

Betriebsbedingte Kündigungen sollen «unter allen Umständen» vermieden werden, schreiben die Geschäftsführer. Halberstadt fügte hinzu, es gehe um Konsolidierung, nicht um einen Kahlschlag. «Wir wissen, was unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisten, die in den letzten Jahren trotz aller Wirrnisse und öffentlicher Schelte treu zur FBB gestanden haben.»

Das Unternehmen ist nicht der einzige Flughafenbetreiber, der zum Rotstift greift. Die Frankfurter Fraport AG etwa rechnet damit, in einigen Jahren 3000 bis 4000 Mitarbeiter weniger zu beschäftigen als die derzeitigen 22 500. Viele Fluggesellschaften bauen Personal ab, darunter Easyjet. Der größte Kunde der Berliner Flughäfen will weltweit 30 Prozent seiner Arbeitsplätze streichen und Flugzeuge auch aus Berlin abziehen. «Der Luftverkehr und damit auch die Flughäfen stecken in der schwersten Krise ihrer Geschichte seit dem Zweiten Weltkrieg», heißt es im Brief an die Berliner und Brandenburger Flughafenmitarbeiter. Derzeit gebe es in Tegel und Schönefeld 20 bis 25 Prozent der üblichen Passagiermenge. 35 Millionen Fluggäste im Jahr wie zuletzt werden erst 2023 wieder erwartet.

Die Krise treffe die FBB besonders, weil die Kostensteigerungen beim Bau des BER zu hohen Schulden führten. «Durch den sehr teuren Bau des BER haben wir keinerlei finanziellen Puffer und sind auf die finanzielle Unterstützung unserer Gesellschafter angewiesen», betonte Lütke Daldrup.

Erweiterungen und Fehlplanungen hatten den Kostenrahmen des Projekts seit Baubeginn 2006 von zwei Milliarden Euro auf mindestens 6,5 Milliarden Euro steigen lassen. Die Inbetriebnahme ist nun am 31. Oktober geplant. Die jahrelange Verzögerung am Bau sowie mehrere Skandale hatten die Reputation der deutschen Ingenieurs- und Baukunst im Ausland nachhaltig geschädigt. So nahmen chinesische Kommentatoren in ihren Kolumnen mehrfach einen peinlichen Bezug auf den BER, nachdem China im September 2019 nach nur 4 Jahren Bauzeit einen riesigen neuen Hauptstadtflughafen eröffnete.

Eigentlich wollten die Betreiber dann den Bau eines weiteren Terminals in Schönefeld angehen. Doch das sparen sie sich erst einmal. «Das große Projekt Terminal 3 werden wir verschieben müssen.» Weitere Investitionen sollen zurückgestellt oder gestrichen werden. Die Hälfte der rund 2200 Mitarbeiter ist in Kurzarbeit. Diese werde trotz BER-Inbetriebnahme verlängert, hieß es. Seit März gilt ein Einstellungsstopp. So bleibt etwa die Stelle des Technikchefs unbesetzt. Die leitenden Angestellten und Geschäftsführer verzichten laut Mitarbeiterbrief auf zehn Prozent ihres Gehalts. Die Gespräche mit Aufsichtsrat, Gesellschaftern, Betriebsrat und der Gewerkschaft Verdi sollen nun beginnen. Die Mitarbeiter sollen bei einer Videokonferenz am Freitag ihre Fragen stellen können.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Textilrecycling: Wie eine schwedische Gründerin die Branche unter Druck setzt
12.12.2025

Ein junges schwedisches Unternehmen behauptet, die nachhaltigste Lösung für das Textilrecycling gefunden zu haben. Die Methode nutzt CO2,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Shein, Temu & Co. betroffen: EU erhöht Kosten für Billigpakete aus Drittstaaten
12.12.2025

Um die Flut günstiger Online-Pakete aus Ländern wie China einzudämmen, beschließt die EU eine neue Importabgabe. Ab Juli 2026 sollen...

DWN
Politik
Politik Regierung reagiert auf Cyberangriffe: Russlands Botschafter einbestellt
12.12.2025

Nach einer Reihe hybrider Angriffe, darunter Falschnachrichten, manipulierte Videos und eine Hacker-Attacke, hat die Bundesregierung...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Flix bestellt 65 neue Fernzüge: Ausbau ab 2028 geplant
12.12.2025

Flix will das Fernverkehrsangebot deutlich ausbauen: Das Unternehmen hat beim spanischen Hersteller Talgo bis zu 65 neue Züge geordert....

DWN
Politik
Politik Regierung startet Onlineportal für Bürgerfeedback
12.12.2025

Die Bundesregierung will Bürger und Unternehmen stärker in die Verwaltungsarbeit einbeziehen. Über das neue Portal „Einfach machen“...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU setzt auf Kreislaufwirtschaft: Mehr Rohstoffe aus Schrottautos
12.12.2025

Die EU will die Wiederverwertung von Fahrzeugen deutlich verbessern. Unterhändler des Europäischen Parlaments und der Mitgliedsstaaten...

DWN
Immobilien
Immobilien Hausbrände verhüten: Wie Sie sich vor Feuer schützen
12.12.2025

Jährlich gibt es in Deutschland um die 200.000 Haus- und Wohnungsbrände. Eine verheerende Zahl, insbesondere wenn man bedenkt, dass die...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Insolvenzen in Deutschland steigen weiter um 5,7 Prozent
12.12.2025

Die Pleitewelle in Deutschland reißt nicht ab: Im November stieg die Zahl der Firmeninsolvenzen im Vergleich zum Vorjahr um 5,7 Prozent,...