Zwar legt die Schweizerische Nationalbank (SNB) die Zusammensetzung ihres Portfolios nicht im Detail offen. Doch in den USA muss sie ihre Bestände an in den USA gehandelten Aktien und American Depositary Receipts (ADRs) ausländischer Unternehmen vierteljährlich offenlegen, was sie am Mittwoch mit ihrer Einreichung bei der SEC für das zweite Quartal getan hat.
Demnach hielt die Schweizer Notenbank Stand 30. Juni insgesamt 2.437 verschiedene US-Aktien. Vom 31. März bis zum 30. Juni stieg der Gesamtwert ihrer US-Aktienbestände um 25,8 Prozent auf einen Rekordwert von 118,3 Milliarden Dollar. Davon sind 6,0 Milliarden Dollar auf ihre fünf größten Aktienbestände zurückzuführen: Apple, Microsoft, Amazon, Googles Mutterfirma Alphabet und Facebook.
Dabei hat die SNB nicht nur von den Kursgewinnen am Aktienmarkt im zweiten Quartal profitiert (so legte der S&P 500 um etwa 20 Prozent zu), sondern kaufte zusätzlich im großen Stil weitere Aktien hinzu. Die Notenbank verringerte die Anzahl der Aktien nur bei zwei ihrer führenden 40 Positionen, und zwar bei AT&T und bei McDonald's jeweils um 0,3 Prozent. Dies waren zuletzt die größten zehn US-Bestände:
- APPLE
- MICROSOFT
- AMAZON
- ALPHABET
- JOHNSON & JOHNSON
- VISA
- PROCTER AND GAMBLE
- UNITEDHEALTH GROUP
- HOME DEPOT
Auffällig sind die starken Zukäufe bei Alibaba ADRs (+15,4 Prozent, #12), bei AbbVie (+21,7 Prozent, jetzt #29 im Portfolio) und bei Tesla (+11,2 Prozent, #34). Die SNB hält fast 30 American Depositary Receipts (ADRs), viele davon chinesische Unternehmen, die in den USA gehandelt werden. Neben Alibaba sind dies zum Beispiel Baidu, Bilibili, Weibo, Huazhu, ZTO Express Cayman und Baozun.
Apple rückte erstmals an die Spitze im SNB-Aktienportfolio und verdrängte Microsoft auf den zweiten Platz. Auf die fünf großen Technologiefirmen Apple, Microsoft, Amazon, Alphabet und Facebook entfielen 22,4 Milliarden Dollar. Das sind 19 Prozent des gesamten SNB-Aktienportfolios. Zum Ende des Vorquartals waren es noch 16,4 Milliarden Dollar beziehungsweise 17,4 Prozent.
Man mag sich wundern, wie es der Schweizer Notenbank eigentlich möglich ist, im großen Stil Aktien in den USA (und Europa) zu kaufen. Der Grund dafür ist die starke Nachfrage nach Schweizer Franken. Die SNB kann anscheinend so viele Franken drucken, wie sie will, und findet dennoch Spekulanten, die ihr Dollar (oder Euro) dafür geben.
Diese Fremdwährungen, welche die SNB von Spekulanten erhält, kann sie dann in ihre Bilanz aufnehmen oder damit Wertpapiere kaufen und diese in ihre Bilanz nehmen. Mit dem Kauf von Schweizer Franken wollen sich Spekulanten aus aller Welt gegen die Abwertung ihrer eigenen Währung absichern.
Doch es sind keineswegs nur Spekulanten, die den Schweizer Franken kaufen. Vielmehr liegen der Franken-Stärke klassische Merkmale einer starken Währung zugrunde. So hat die Schweiz einen Leistungsbilanzüberschuss von aktuell über 15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, der über die letzten zehn Jahre stetig angestiegen ist.
Zudem verfolgt die Schweiz in der Finanzpolitik trotz der riesigen Leistungsbilanzüberschüsse einen konservativen Kurs, der auf Budget-Ausgleich und de facto ständige Überschüsse in den öffentlichen Haushalten setzt. Im internationalen Vergleich hat die Schweiz deshalb eine sehr geringe Staatsverschuldung, dies gilt auch in der gegenwärtigen Pandemie.
Die Schweiz hat im internationalen Vergleich sehr niedrige Einkommens- und Körperschaftssteuersätze, was sie für Unternehmen und reiche Private als Standort attraktiv macht. Im Unterschied zu den USA und vielen Ländern in Europa betreibt die SNB keine monetäre Staatsfinanzierung. Deshalb wird der Franken ähnlich Gold auf globaler Ebene als sicherer Hafen angesehen.
Die Schweizer Wirtschaft ist global betrachtet winzig, und der Schweizer Franken ist eigentlich eine winzige Währung. Doch die weltweit enorme Nachfrage treibt den Wert des Franken gegenüber anderen Währungen wie Euro, Dollar oder Yen in die Höhe. Die SNB selbst rechtfertigt ihre Fremdwährungskäufe und ihre Bilanzsumme, die jedes Maß zu sprengen scheinen, damit, dass sie die Wechselkurse stabil halten will.
Die Gesamtaktiva in der Bilanz der SNB beliefen sich Stand Juni auf 835 Milliarden Franken. Das nominale BIP der Schweiz belief sich 2019 auf 700 Milliarden Franken. Die Gesamtaktiva der SNB belaufen sich also auf 119 Prozent des BIP des letzten Jahres. Zum Vergleich: Die gigantische Bilanz der US-Notenbank Federal Reserve liegt derzeit bei 6,95 Billionen Dollar. Das sind "nur" etwa 31 Prozent des nominalen BIP von 2019.
Wolf Richter kommentiert dies auf seinem Blog so: "Um diesen Rummel am Laufen zu halten, muss die SNB der Welt auf Biegen und Brechen vorgaukeln, dass der Schweizer Franken nur steigen kann, dass die SNB selbst tapfer, aber vergeblich darum kämpft, den Anstieg unter Kontrolle zu halten, dass sie den Kampf letztendlich verlieren wird und dass der Schweizer Franken gegenüber anderen Währungen immer steigen wird."
Und der Plan der SNB geht zumindest bisher auf. Die Nachfrage der Spekulanten nach Schweizer Franken treibt dessen Kurs nach oben, sodass die Notenbank scheinbar unbegrenzte Beträge an Franken drucken und ihn gegen andere Währungen und gegen auf andere Währungen lautende Vermögenswerte eintauschen kann, wie zum Beispiel amerikanische Aktien.
Solange die Spekulanten dieses Geschäft mitmachen, kann die SNB es weiterführen. Aber wenn die globalen Anleger erkennen, wie stark die SNB den Schweizer Franken verwässert, und wenn sie dann aus dem Franken fliehen, so würde sein Wert gegenüber anderen Währungen stark sinken, und nach einer Weile wäre die SNB gezwungen, das Programm zur Rettung der Währung zu beenden oder sogar rückgängig zu machen.
Wolf Richter schreibt: "Aber solange die SNB globale Spekulanten dazu bringen kann, dieser unglaublich verwässerten winzigen Währung hinterherzulaufen und so eine unersättliche Nachfrage zu schaffen, kann sie die Währung weiterhin drucken, um Vermögenswerte rund um den Globus im Wesentlichen kostenlos aufzukaufen."