Politik

Aktivisten starten Propaganda-Kampagne gegen die Polizei, Jugendabteilung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks macht mit

Innerhalb weniger Tage tauchten im Internet zwei Videos auf, bei denen aggressive Jugendliche von der Polizei fixiert und festgenommen wurden. SPD, Grüne und Aktivisten stellen nun Bezüge zum Fall „George Floyd“ in den USA her. Jetzt ist auch noch ein skandalöses Video des öffentlich-rechtlichen Jugendfunks aufgetaucht.
19.08.2020 15:56
Aktualisiert: 19.08.2020 15:56
Lesezeit: 6 min
Aktivisten starten Propaganda-Kampagne gegen die Polizei, Jugendabteilung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks macht mit
Ein Polizist vor seinem Einsatzwagen. (Foto: dpa) Foto: Karl-Josef Hildenbrand

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) ist unzufrieden mit der Art und Weise, wie aktuell über den Einsatz von Gewalt durch Polizeibeamte diskutiert wird. „Bei der Begutachtung polizeilichen Handelns darf nicht der Kontext einer Situation ausgeblendet werden“, forderte GdP-Vize Jörg Radek am Mittwoch. Leider werde der Anlass einer polizeilichen Maßnahme in der Regel erst erörtert, „wenn die Welle der Empörung bereits über der Polizei gebrochen ist - wenn überhaupt“, kritisierte er. Die Nutzer der sozialen Medien beförderten zu oft „Hysterie“.

Es sei nicht generell falsch, Kritik an der Polizei zu üben, betonte Radek. Man dürfe dabei aber nicht vergessen, dass die Beamten heute „permanent unter dem Mikroskop“ ihren Dienst verrichteten. Das sei eine „Belastung“.

Arme, aggressive Jugendliche

Die dpa berichtet zu den jüngsten Vorfällen in Düsseldorf und Hamburg:

Was ist am Samstagabend in der Düsseldorfer Altstadt passiert? Ein 28-Sekunden-Video zeigt Szenen eines Polizeieinsatzes, deren erster Anblick selbst Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) erschreckt hat, wie er sagt. Um den Einsatz, bei dem ein 15-Jähriger von einem Beamten mit dem Knie am Kopf zu Boden gedrückt wurde, ist eine Debatte entbrannt. Vergleiche zum Tod des US-Amerikaners George Floyd werden gezogen. Tatsächlich gibt es laut Ermittlern eine Vorgeschichte - die nicht im Video zu sehen ist.

Die Aufnahme eines Augenzeugen hatte sich am Wochenende rasant im Internet verbreitet. Man sieht den 15-Jährigen gefesselt am Boden, ein Polizist kniet auf seinem Rücken, der andere auf seinem Kopf. Aus dem Hintergrund hört man die Stimme eines Unbeteiligten, vermutlich des Filmers: «Hol' man dein Knie runter... Bruder, das ist nicht lustig.»

«Auch ich habe mich erschrocken», sagte Innenminister Reul am Montag über den ersten Moment, in dem er das Video sah. Er habe bereits einen Zwischenbericht zu dem Vorfall bekommen. Demnach sei die Polizei am Samstagabend zunächst wegen zehn Randalierern zu einem Schnellrestaurant gerufen worden. Der 15-Jährige, der offenbar nichts mit dem eigentlichen Einsatz zu tun hatte, habe sich eingemischt und einen Beamten angegriffen.

Ein Sprecher der Düsseldorfer Polizei bestätigte auf dpa-Anfrage, dass der Jugendliche sich während der Maßnahmen gegen die Randalierer «physisch» eingemischt habe. Laut mehreren Zeugen habe er die Beamten bepöbelt, Faustschläge angedeutet und schließlich Polizisten auch körperlich attackiert. Davon, dass der 15-Jährige die Beamten unter anderem als «Hurensöhne» betitelt haben soll, sieht man im Internet nichts - wie aus Ermittlerkreisen zu hören ist, war es so.

Wie Innenminister Reul am Montag ausführte, wären Knie und Schienbein auf Ohr und Schädel des jungen Mannes durch die Einsatzvorgaben der Landespolizei durchaus gedeckt gewesen. Auf dem Hals wäre dies wegen der Verletzungsgefahr nicht erlaubt. Was genau in dem Moment passiert sei, müsse daher nun «objektiv geklärt werden».

Gegen den Polizisten mit dem Knie am Kopf wird laut Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt ermittelt. Auch gegen den Jugendlichen liegen mehrere Anzeigen vor - wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt, Beleidigung und tätlichen Angriffs. Er sei nach bisherigen Erkenntnissen ebenso wenig verletzt worden wie der Beamte, den er angegriffen haben soll, hieß es.

Aus Neutralitätsgründen hat die Polizei Duisburg zusammen mit der Staatsanwaltschaft Düsseldorf die Ermittlungen übernommen. Der betroffene Beamte macht vorläufig Innendienst. «Ich will den Einsatz am Samstagabend in keiner Weise rechtfertigen, ich will ihn aber auch nicht vorschnell verurteilen», sagte Reul. Körperliche Gewalt durch Polizisten sei keineswegs per se rechtswidrig, wie manche glaubten, sondern oft angebracht, zulässig und zwingend erforderlich.

Das Internet-Video rief unterdessen die Opposition auf den Plan. Die SPD-Abgeordneten Sven Wolf und Hartmut Ganzke schrieben: «Wir hatten gehofft, dass wir solche Bilder nach dem tragischen Tod von George Floyd in Deutschland niemals zu sehen bekommen würden. Ein starker Staat muss verhältnismäßig mit seiner Macht umgehen.» Die SPD-Fraktion beantragte ebenso wie die der Grünen eine Aktuelle Viertelstunde zu dem Thema am Donnerstag im Innenausschuss des Landtags; Reul selbst hatte das Thema zuvor für die Sitzung angemeldet. Die Innenexpertin der Grünen, Verena Schäffer, twitterte: «Dass Polizisten sich auf Kopf/Hals einer am Boden liegenden, bereits fixierten Person knien, kann nicht verhältnismäßig sein.»

Der Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Michael Mertens, stellte sich teils hinter die Beamten: «Polizeiliches Handeln ist rechtsstaatlich überprüfbar - und niemand darf vorverurteilt werden. So muss auch der ganze Sachverhalt rechtsstaatlich untersucht werden. Und nicht nur anhand einer kurzen Videosequenz beurteilt werden.»

Der Anwalt des Polizisten, gegen den in Düsseldorf ermittelt wird, hat das Vorgehen gegen den 15-Jährigen verteidigt: «Der Einsatz ist genauso abgelaufen, wie man das trainiert», sagte Rechtsanwalt Christoph Arnold am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur: «Das war ein vorbildlicher Ablauf.»

Wie Arnold ausführte, hatte der 15-Jährige am Boden noch einen Arm frei unter dem Körper. Das sei eine gefährliche Situation für die Beamten, da er sich hochstemmen könnte oder zum Beispiel auch eine Waffe hervor holen könnte. Daher habe sein Mandant ihn mit dem Schienbein am Kopf auf dem Boden fixiert. «Das wird so gelehrt», sagte Arnold. Auf den Hals würde ein Beamter niemals drücken. Der «Kölner Stadt-Anteiger» hatte Arnold zuvor zitiert.

UPDATE zum Düsseldorfer Fall: Nach dem umstrittenen Polizeieinsatz in der Düsseldorfer Altstadt soll am kommenden Samstag ein Protestmarsch mit bis zu 2000 Teilnehmern durch die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt ziehen. Die Polizei bestätigte eine entsprechende Anmeldung durch eine Privatperson.

Auch in Hamburg: Bezüge zu George Floyd bei Festnahme von aggressivem Jugendlichen

Auch ein Polizeieinsatz in der Hamburger Neustadt sorgt für Debatten. Auf Handyvideos, die über Twitter verbreitet wurden, ist zu sehen, wie sieben oder acht Beamte einen jungen Mann niederringen, der vor einer Wand steht mit den Grafiti-Schriftzügen «I can't breathe» in Anlehnung an Polizeigewalt in den USA, berichtet die dpa.

In einer längeren Fassung des Videos ist zu erkennen, dass der Jugendliche sich zuvor gegen zwei Polizistinnen und zwei Polizisten heftig gewehrt hat, und sie immer wieder kräftig zur Seite schubst. Ein Beamter zückt einen Schlagstock. Dann rückt Verstärkung an. Der groß gewachsene junge Mann, der nach Angaben von Zeugen 15 Jahre alt sein soll, wehrt sich weiter, einer der Beamten schreit den jungen Mann wiederholt an: «Auf den Boden!». Eine Zeugin ist zu hören, wie sie die Beamten auffordert, ruhig zu bleiben. Schließlich überwältigen die Beamten den Mann und halten ihn am Boden fest. Auf dem Video ist zu hören, wie er auf dem Boden liegend offenbar ruft: «Ich krieg keine Luft, ich krieg keine Luft.»

In sozialen Medien wurde heftig über den Einsatz diskutiert und der Polizei teils unverhältnismäßige Gewalt vorgeworfen. Dabei war vor allem eine kürzere Fassung des Videos zu sehen, die nicht zeigt, wie der junge Mann anfangs die vier Beamten schubst. Die Flüchtlingshilfeorganisation Seebrücke erklärte, dieser Vorfall sei nur einer in einer ganzen Reihe ähnlicher Übergriffe, «die immer wieder von der Hamburger Polizei gegen Persons of Color verübt werden».

Die Polizei teilte am Dienstagmittag mit, der Vorfall habe sich am Vortag ereignet, als ein Stadtteilpolizist den Jugendlichen kontrollieren wollte, der ihm in den vergangenen Tagen bereits mehrfach aufgefallen war. Der Jugendliche habe mit einem Elektro-Roller wiederholt verbotswidrig den Gehweg benutzt. Der Jugendliche kam demnach der Aufforderung sich auszuweisen nicht nach. Es seien dann zunächst drei weitere Beamten dazugekommen. Eine erneute Befragung nach seinen Personalien habe nichts gebracht, und der Jugendliche habe beim Ergreifen durch die Einsatzkräfte mit den Armen um sich geschlagen, die Beamten von sich weg geschubst. Deshalb seien zum Überwinden des Widerstandes weitere Beamte hinzugerufen werden. Hier setzte das veröffentlichte Video ein. Im weiteren Verlauf hätten die Beamten versucht, mit einfacher körperlicher Gewalt gegen «den sehr großen und starken Jugendlichen» vorzugehen und ihn mit zum Kommissariat zu nehmen.

Letztlich sei Pfefferspray eingesetzt worden. Danach sei es den Beamten gelungen, den Jugendlichen auf den Boden zu halten und zu fesseln. «Dabei wurden die Einsatztechniken so kontrolliert, dass es dem Jugendlichen jederzeit möglich war, zu atmen», hieß es weiter.

Die Polizei betonte: «Grundsätzlich ist die Polizei in einem ständigen Spannungsfeld, wenn Zwangsmaßnahmen gegen Personen durchgeführt werden, die körperlich sehr groß und stark sowie erkennbar jugendlich sind.» Das Video zeige deutlich, dass die Polizisten gewillt waren, den Widerstand mit einfacher körperlicher Gewalt zu beenden und den Jugendlichen zu Boden zu bringen. «Solche Einsätze erzeugen häufig Bilder, die Fragen aufwerfen.» Der Einsatz werde vom Dezernat Interne Ermittlungen überprüft.

„Satirisches Video“ des öffentlich-rechtlichen Jugendfunks schlägt hohe Wellen

Ein satirisches Video des öffentlich-rechtlichen Jugendangebots Funk über das Thema Polizeigewalt hat bei Politikern Empörung ausgelöst, berichtet die dpa. Der Comedian Aurel Mertz hatte bereits am 11. Juli auf Instagram das zweieineinhalbminütige Filmchen veröffentlicht, in dem deutsche Polizisten einen dunkelhäutigen jungen Mann verdächtigen und schließlich erschießen.

Der junge Mann im Video hat nichts anderes getan, als behutsam sein Fahrrad aufzuschließen. Zwei Polizisten spekulieren aber lange über mögliche Straftaten und ziehen dabei auch einen Farbfächer mit verschiedenen Hautfarben zu Rat. «Er ist auf jeden Fall zu hell für einen Drogendealer. Aber für einen Fahrraddieb - da wäre er gerade noch schwarz genug», sagt der Beamte zum Kollegen. Am Ende will der junge Mann seinen Fahrradpass zücken, um zu beweisen, dass ihm das Rad gehört. Er wird von einem Scharfschützen erschossen. Anhand der weißen Tennissocken des Toten entschließen sich die Polizisten dann doch zu der Annahme, dass der Tote ein Deutscher sei, und trauern nun heftig.

Mehr als 230 000 Mal ist das Video, das für Funk wirbt, abgerufen worden. Mehrere Innenpolitiker finden den Clip mit dem Namen «Racial Profiling» geschmacklos und unangemessen. Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) nannte das Video im Gespräch mit der «Bild»-Zeitung einen «Schlag ins Gesicht jedes Polizeibeamten». Die Darstellung von Polizisten «pauschal als ausländerfeindliche Dumpfbacken» sei «menschenverachtend». Auch Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) findet es «falsch und vollkommen daneben, die Polizei unter einen Generalverdacht zu stellen», wie er «Bild» sagte. Innenexperte Christoph de Vries (CDU) nannte den Film über Rassismus bei der Polizei «staatszersetzenden Schund».

Aurel Mertz, der im Video das Polizeiopfer darstellt, verteidigte den Film: «Es geht nicht darum, die gesamte Polizei unter Generalverdacht zu stellen, aber so lange uns Bilder wie aktuell aus Frankfurt und Düsseldorf erreichen, und Racial-Profiling-Studien abgesagt werden, müssen wir den Finger in die Wunde legen», schrieb er auf Twitter.

Provokateure wollen einen "George Floyd-Effekt"

Bereits im Juli war absehbar, dass die schweren Ausschreitungen in den USA im Zuge der Tötung von George Floyd in Europa instrumentalisiert werden könnten, wie die Deutschen Wirtschaftsnachrichten damals schrieben:

Trotzdem besteht die Gefahr, dass sich mit den zunehmenden wirtschaftlichen und sozialen Miseren die künftigen Proteste radikalisieren werden. Dann ist auch davon auszugehen, dass sich unter die Demonstranten professionelle Provokateure mischen, um eine Kurzschlussreaktion von Polizeibeamten zu provozieren.

Derartige Aktionen dürften darauf abzielen, durch einen „George Floyd-Effekt“ die Demonstrationen vollständig eskalieren zu lassen. Die Identität des potenziellen Opfers würde darüber entscheiden, aus welcher politischen Richtung die anschließende Eskalation kanalisiert werden soll.

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