Politik

US-Bundesgericht: Abhörung der Amerikaner durch NSA war illegal, Geheimdienst-Spitzen haben gelogen

In den USA hat ein Bundesgericht die massenhafte und grundlose Überwachung der Amerikaner als illegal eingestuft. Edward Snowden sieht seine Aufdeckungen damit als von offizieller Seite gerechtfertigt an.
03.09.2020 09:42
Aktualisiert: 03.09.2020 09:42
Lesezeit: 3 min
US-Bundesgericht: Abhörung der Amerikaner durch NSA war illegal, Geheimdienst-Spitzen haben gelogen
14.12.2014, Berlin: Der NSA-Enthüller Edward Snowden winkt während einer Videoschalte dem Publikum zu. (Foto: dpa) Foto: Wolfgang Kumm

Das von dem Whistleblower Edward Snowden vor sieben Jahren aufgedeckte Telefon-Überwachungsprogramm des US-Geheimdienstes NSA war nach Überzeugung eines amerikanischen Bundesgerichts illegal. Das heimliche Sammeln der Telefondaten von Millionen Amerikanern ohne Befugnis sei ein Verstoß gegen das Gesetz zur Überwachung der Auslandsaufklärung und Spionageabwehr und womöglich verfassungswidrig gewesen, urteilte das Gericht am Mittwoch. Es befand zugleich, dass die Spitzen der Geheimdienste, die das Programm öffentlich gegen Kritik verteidigten, gelogen hätten.

Der ehemalige Geheimdienstmitarbeiter Snowden, der im Zuge seiner Enthüllungen nach Russland geflohen war und dem in seiner Heimat immer noch ein Spionage-Prozess droht, wertete das Urteil auf Twitter als Rehabilitation seiner Entscheidung, das Abhörprogramm der NSA öffentlich gemacht zu haben. "Ich hätte nie gedacht, dass ich noch erleben würde, wie unsere Gerichte die Aktivitäten der NSA als rechtswidrig verurteilen und in dem selben Urteil mir anrechnen, sie aufgedeckt zu haben."

Die Aufdeckung des Programms im Jahr 2013 war die erste von mehreren Enthüllungen Snowdens, die schließlich offenbarten, dass der Abhörskandal globale Ausmaße hatte und auch zahlreiche führende Politiker ausspioniert wurden. So soll unter anderem ein Handy von Bundeskanzlerin Angela Merkel Ziel eines Lauschangriffs gewesen sein.

Spitzenvertreter der US-Geheimdienste hatten zunächst öffentlich stets darauf bestanden, die NSA habe niemals wissentlich Informationen über Amerikaner gesammelt. Nach der Enthüllung des Programms argumentierten sie, die Überwachung habe eine zentrale Rolle bei der Bekämpfung des Terrorismus in den USA gespielt.

Trump prüft Begnadigung Snowdens

US-Präsident Donald Trump will eine Begnadigung von Edward Snowden prüfen, der vor sieben Jahren das ausufernde Überwachungssystem amerikanischer Geheimdienste enthüllte. Er sei zwar nicht besonders vertraut mit der Angelegenheit, «aber ich werde mir das ansehen», sagte Trump Mitte August auf eine entsprechende Frage von Reportern bei einer Pressekonferenz. Snowden bekam Asyl in Russland, wo er während seiner Flucht gestrandet war.

Die Frage an Trump kam auf, nachdem der Präsident der Zeitung «New York Post» gesagt hatte, eine Menge Leute seien der Ansicht, dass mit Snowden nicht fair umgegangen worden sei. Auch jetzt sagte Trump, es gebe unterschiedliche Meinungen zu Snowden: «Manche Leute denken, er sollte anders behandelt werden, andere denken er hat sehr schlimme Dinge getan.»

Snowden hatte im Jahr 2013 mehreren Journalisten eine Vielzahl vertraulicher Dokumente des amerikanischen Abhördienstes NSA und seines britischen Partners GCHQ gegeben. Das Material offenbarte ein tiefgreifendes System der Internet- und Telekommunikationsüberwachung durch US-Geheimdienste und ihre britischen Verbündeten.

In den USA wurde Snowden der Spionage und des Diebstahls von Staatseigentum beschuldigt. Er floh zunächst nach Hongkong. Auf dem Weiterflug nach Ecuador strandete er auf einem Moskauer Flughafen, weil die US-Regierung seinen Reisepass annulliert hatte. Snowden bekam Asyl in Russland, nach einer Verlängerung aktuell bis 2020. Er versuchte vergeblich, in einem EU-Staat wie Deutschland oder Frankreich Asyl zu bekommen. Wegen der Veröffentlichung seiner Memoiren leitete die US-Regierung 2019 gegen ihn ein weiteres Verfahren wegen Verletzung seiner Schweigepflicht als ehemaliger Geheimdienstmitarbeiter ein.

Snowden wurde für seine Enthüllungen international vielfach geehrt und ausgezeichnet. So erhielt er 2014 den Alternativen Nobelpreis «Right Livelihood Award». Auch in den USA hegen viele die Ansicht, dass Snowden der Gesellschaft mit der Aufdeckung der Überwachung einen Dienst erwiesen habe. Das Thema Datenschutz kam international verstärkt auf die Tagesordnung.

Die Folgen von Snowdens Enthüllungen wirken bis heute nach: Erst vor wenigen Wochen kassierte der Europäische Gerichtshof zum zweiten Mal eine Vereinbarung zur Übermittlung der Daten von Europäern in die USA, weil die Informationen dort nicht ausreichend geschützt seien.

Trumps Vorgänger Barack Obama hatte eine Begnadigung Snowdens abgelehnt. «Ich kann niemanden begnadigen, der nicht von einem Gericht verurteilt wurde», sagte Obama 2016 dem «Spiegel» und der ARD. Allerdings haben US-Präsidenten bereits Personen begnadigt, die wegen der ihnen vorgeworfenen Taten nicht vor Gericht standen. Zum Ende seiner Amtszeit hatte Obama 2017 die verurteilte Whistleblowerin Chelsea Manning begnadigt. Manning hatte der Enthüllungs-Plattform Wikileaks diplomatische Korrespondenz und Militärunterlagen weitergegeben. Besonders bekannt wurde ein Video, in dem Zivilisten und Reporter im Irak von US-Truppen beschossen werden.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Unternehmen
Unternehmen Teslas versteckter Goldesel wankt – Emissionsrechte geraten ins Visier des Boykotts
27.04.2025

Teslas Einnahmequelle aus dem Emissionshandel schrumpft durch sinkende Verkaufszahlen, politische Boykotte und steigende Konkurrenz.

DWN
Finanzen
Finanzen Geldpolitik ohne Zentralbank: Wie Solana über Inflation abstimmen lässt
27.04.2025

Ohne Leitzins, aber mit Weitblick: Die Solana-Community entscheidet selbst über Inflation und Ertragsverteilung. Zwei aktuelle...

DWN
Technologie
Technologie Gesundheit wird Geschäft: Apple verkauft mit der Apple Watch Hoffnung – nicht nur Technologie
27.04.2025

Die Apple Watch feiert ihr zehnjähriges Bestehen. Doch unter dem glänzenden Aluminium-Gehäuse der meistverkauften Smartwatch der Welt...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Werbungskosten: Das alles können Sie von der Steuer absetzen
27.04.2025

Werbungskosten sind ein großer Hebel, um bei der Steuererklärung richtig Geld zu sparen. Erfahren Sie in diesem Ratgeber, was alles...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Trumps Handelskrieg vertreibt Bitcoin-Miner aus Asien – Kryptoindustrie unter Schock
27.04.2025

Mit Strafzöllen auf Importe aus Südostasien erschüttert Trump die globale Krypto-Lieferkette. Die Folgen: Chaos, Millionenverluste und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Fachkräftemangel 2025: Wenn Freelancer retten – aber selbst untergehen
27.04.2025

Freelancer halten den deutschen Arbeitsmarkt am Laufen – und geraten dabei selbst unter die Räder. Eine neue Studie zeigt: Sie sind...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Scheitern als Strategie: Wie ein US-Forscher Unternehmer lehrt, aus Fehlern Kapital zu schlagen
27.04.2025

US-Professor Dean Shepherd zeigt, wie Misserfolg zum unternehmerischen Wendepunkt wird – und warum nur wer fällt, wirklich wachsen kann.

DWN
Politik
Politik TAURUS für die Ukraine? Hoher Aufwand, fraglicher Nutzen
27.04.2025

Die Lieferung des TAURUS-Lenkflugkörpers an die Ukraine ist technisch derzeit problematisch, da ukrainische Flugzeuge das System weder...