Politik

Weissrussland-Proteste: Lukaschenko beschuldigt USA

Weißrusslands Präsident Alexander Lukaschenko sagt, dass hinter den Protesten in Weißrussland die USA stecken würden. Sie würden die Demonstranten über „Zentren in Polen und der Tschechischen Republik“ lenken. Zum Einsatz komme vor allem der Messenger-Dienst Telegram.
08.09.2020 22:19
Aktualisiert: 08.09.2020 22:19
Lesezeit: 4 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..
Weissrussland-Proteste: Lukaschenko beschuldigt USA
07.09.2020, Belarus, Minsk: Alexander Lukaschenko, Präsident von Belarus (Weißrussland). (Foto: dpa) Foto: Nikolai Petrov

Der weißrussische Präsident Lukaschenko meint, dass die Proteste in seinem Land von den USA organisiert werden. Eine wichtige Rolle bei der Mobilisierung der Demonstranten spiele die Nutzung des kostenlosen Instant-Messaging-Dienstes Telegram. Telegram ist eine Cloud-basierte Instant Messaging-App, die von den Brüdern Pavel und Nikolai Durov entwickelt wurde, die zuvor Russlands führendes soziales Netzwerk VKontakte erstellt haben

„Wir haben [Lukaschenko] gefragt, wer daran interessiert ist, die Protestbewegung in Weißrussland zu unterstützen“, erklärte der Fernsehreporter Rossiya-1, Jewgeni Rozkow, gegenüber der staatlichen russischen Nachrichtenagentur TASS. „Er glaubt, dass in erster Linie die Amerikaner hinter allem stehen und durch Zentren in Polen und der Tschechischen Republik handeln. Es gebe aber auch interne Gründe, sagte er. Ein Grund ist die Tatsache, dass in Weißrussland zwei neue Generationen aufgewachsen sind, die eine kleine Klasse von ,jungen Bourgeois‘ bilden, die ,Macht wollen‘.“

Alexander Lukaschenko ging auf die angeblichen US-amerikanischen „Orchestratoren“ der Unruhen ein. „Wir wissen, wer hinter all diesen Telegramkanälen steckt: Es sind die Amerikaner. Wir alle müssen verstehen, dass es nicht um Weißrussland geht. Ihr Hauptziel ist Russland“, zitierte der Chefredakteur des Radiosenders Govorit Moskva, Roman Babayan, Lukaschenko. Babayan gehörte zu den russischen Reportern, die Lukaschenko am Dienstag zuvor interviewt hatten.

„Was macht man mit diesen Telegramkanälen? Kann man diese Telegramkanäle blockieren? Niemand kann das, selbst diejenigen, die das gesamte Internet erfunden haben - die Amerikaner“, so Lukaschenko.

Die Präsidentschaftswahlen in Belarus fanden am 9. August statt. Unmittelbar nach Bekanntgabe der Ergebnisse kam es im ganzen Land zu Massenprotesten, die in den ersten Tagen zu Zusammenstößen mit der Polizei führten. Lukaschenko hatte sich mit 80,1 Prozent der Stimmen zum Sieger erklären lassen. Die Opposition hält dagegen die Oppositionelle Swetlana Tichanowskaja für die wahre Siegerin.

Nach ihrem Verschwinden ist die bekannte Oppositionspolitikerin Maria Kolesnikowa in Weißrussland dem Grenzschutz zufolge festgenommen worden. Die Opposition betonte, dass sie gegen ihren Willen außer Landes gebracht werden sollte. Den Behörden nach wollte sie aber angeblich in die Ukraine ausreisen. Über ihren Aufenthaltsort herrschte zunächst Unklarheit. Die Opposition verlangte die sofortige Freilassung. Die 38-Jährige ist eine der wichtigsten Anführerinnen der Proteste gegen den Lukaschenko.

Kolesnikowa verschwand am Montag spurlos. Nach Angaben des Grenzschutzes vom Dienstag soll sie mit ihrem Mitarbeiter Iwan Krawzow und ihrem Sprecher Anton Rodnenkow zu einem Grenzübergang im Süden des Landes gefahren worden sein. Kolesnikowa habe an der Grenze ihren Pass zerrissen, um so eine erzwungene Ausreise zu verhindern, sagten die beiden Männer später bei einer Pressekonferenz in Kiew. Daraufhin sei sie zum belarussischen Grenzübergang zurückgekehrt, an dem sie dann festgenommen worden sein soll. Ihre Kollegen seien indes über die ukrainische Grenze gefahren, weil sie befürchteten, ebenfalls festgenommen zu werden. „Maria ist eine wahre Heldin“, sagte Rodnenkow. Sie wolle Weißrussland unter keinen Umständen verlassen.

Lukaschenko sagte in einem Interview mit Journalisten russischer Staatsmedien, dass Kolesnikowa angeblich zu ihrer Schwester in die Ukraine flüchten wollte. Die Grenzbeamten hätten sie daran gehindert.

Die 38-jährige Kolesnikowa, die viele Jahre in Stuttgart wohnte und dort Kulturprojekte managte, ist eine der wichtigsten Oppositionellen. Einige Mitarbeiter des Koordinierungsrates waren zuvor schon festgenommen worden oder ausgereist. Kolesnikowa arbeitet für den Ex-Bankenchef Viktor Babariko, der sich um das Präsidentenamt bewerben wollte.

Den Behörden zufolge kam es zu der Festnahme, um „Umstände zu klären“. Details wurden nicht genannt. Auch die Opposition bestätigte die Festnahme, ihr lagen aber keine näheren Angaben dazu vor. Sie habe Informationen erhalten, dass Kolesnikowa in einem Gefängnis im Süden des Landes festgehalten würde.

Der Koordinierungsrat ging am Montag zunächst davon aus, dass Kolesnikowa im Zentrum der Hauptstadt Minsk von Unbekannten entführt worden war. Auch Beobachter zweifelten an der Darstellung des Grenzschutzes und sprachen von einem gezielten Vorgehen der Behörden. Kolesnikowa trat immer wieder bei Protestaktionen gegen Lukaschenko auf und wurde dabei von den Demonstranten bejubelt. Sie selbst hatte betont, das Land nicht verlassen zu wollen.

Die Oppositionelle Swetlana Tichanowskaja forderte die sofortige Freilassung ihrer Mitstreiterin. „Aufgabe des Koordinierungsrates ist es, eine Plattform für Verhandlungen zu sein“, meinte die 37-Jährige, die gegen den Staatschef kandidiert hatte und sich im EU-Land Litauen aufhält. „Es gibt keine andere Lösung, und Lukaschenko muss dies erkennen.“ Er könne nicht einfach Menschen als Geiseln nehmen. Sie fordere härtere Sanktionen gegen die Regierung, sagte vor einem Ausschuss des Europarats.

Am Abend sammelten sich in Minsk aus Solidarität mit Kolesnikowa zahlreiche Menschen. Auf Bildern war zu sehen, wie maskierte Einsatzkräfte mindestens ein Dutzend Demonstranten brutal festnahmen und die Menschen auseinandertrieben.

Der Vize-Innenminister der Ukraine, Anton Geraschtschenko, sprach bei Facebook von einer versuchten Abschiebung. „Maria Kolesnikowa konnte nicht aus Belarus abgeschoben werden, da diese mutige Frau durch ihre Handlungen ihre Deportation über die Grenze unmöglich machte.“

In dem Interview mit dem russischen Staatsfernsehen lehnte der Präsident weiter Gespräche mit Oppositionellen ab. „Das ist keine Opposition. Alles, was sie anbietet, ist eine Katastrophe für Belarus“, meinte er. Seine Gegner wollten die „Verbindungen zum brüderlichen Russland“ abbrechen, behauptete der 66-Jährige. Minsk wolle dagegen eine weitere Integration mit Moskau. Beide Länder hatten in einem Vertrag für einen Unionsstaat bereits vor 20 Jahren eine engere Zusammenarbeit verabredet.

Die Opposition will über einen Koordinierungsrat einen friedlichen Machtwechsel durch Dialog erreichen. Dessen Vertreter hatten der autoritären Führung mehrfach Gespräche angeboten. Zudem wolle das Gremium weiter mit Russland zusammenarbeiten.

Lukaschenko ist schon 26 Jahre an der Macht. Dazu meinte er: „Ja, vielleicht bin ich etwas zu lange auf dem Posten. Vielleicht zeigt man mich nicht nur im Fernsehen, sondern auch an jeder Straßenecke.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Siton Mining: Mining mit BTC, XRP und DOGE.Verdienen Sie 8.600 $ pro Tag an passivem Einkommen

Auf dem volatilen Kryptowährungsmarkt ist die Frage, wie sich die täglichen Renditen digitaler Währungen maximieren lassen, anstatt sie...

DWN
Finanzen
Finanzen Inflation in Deutschland: Wieso sich so viele Deutsche Geld für Lebensmittel leihen
18.09.2025

Brot, Milch, Schulden: Mehr als die Hälfte der unter 50-Jährigen greift für Alltagsausgaben zum Kredit – oft bei der Familie. Wer...

DWN
Politik
Politik Draghi-Report: Ohne gemeinsame EU-Schulden verliert Europa gegen alle
18.09.2025

Ein Jahr nach seinem wegweisenden Draghi-Report warnt Mario Draghi vor einer dramatisch verschlechterten Lage der EU. Der ehemalige...

DWN
Finanzen
Finanzen Topmanager erwarten Trendwende bei Börsengängen
17.09.2025

Nach Jahren der Flaute sehen Topmanager eine Trendwende am Markt für Börsengänge. Warum Klarna den Wendepunkt markieren könnte und was...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Solar-Krise: Solarfirma Meyer Burger schließt Standorte - 600 Beschäftigten gekündigt
17.09.2025

Rettung geplatzt: Warum auch Investoren keinen Ausweg für den insolventen Solarmodul-Hersteller Meyer Burger sehen und was jetzt mit den...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chinesische Waren: Europas Industrie gerät zunehmend unter Druck
17.09.2025

Chinesische Waren fluten Europa. Subventionen aus Peking drücken Preise, während Europas Industrie ins Hintertreffen gerät. Deutschland...

DWN
Politik
Politik AfD stärkste Kraft: AfD zieht in YouGov-Umfrage erstmals an der Union vorbei
17.09.2025

Die AfD zieht in der Sonntagsfrage an der Union vorbei – für die SPD geht es minimal aufwärts. Eine Partei, die bislang nicht im...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft TOP10 Biotech-Unternehmen: Was Anleger jetzt wissen müssen
17.09.2025

Biotech-Unternehmen dominieren mit GLP-1 und Onkologie – doch Zölle, Patente und Studienerfolge entscheiden über Renditen. Wer jetzt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Halbleiterstandort Sachsen: Ansiedlung von TSMC - Silicon Saxony rechnet mit 100.000 neuen Jobs
17.09.2025

Sachsen ist Europas größter Mikroelektronik-Standort mit rund 3.600 Unternehmen und rund 83.000 Mitarbeitern. Auf der Halbleitermesse...