Ein Jahrhundert lang waren die USA die mächtigste Nation der Welt, nach dem Ende des Kalten Krieges sogar die einzig verbleibende Supermacht. Inzwischen befinden wir uns aber in einer Übergangsphase von einer uni- zu einer multipolaren Weltordnung. In dieser werden die Vereinigten Staaten weiterhin ein wichtiger Akteur sein – aber eben nur einer von mehreren.
Aufstieg und spätere Führungsrolle des Einwanderer-Landes wurden nicht zuletzt durch seine geographische Lage begünstigt. Doch geografische Faktoren tragen jetzt auch zu seinem Abstieg bei. Eine Analyse.
Geschützt von zwei Ozeanen
Die USA werden vom Atlantischen und vom Pazifischen Ozean umspült und grenzen lediglich an Kanada und Mexiko, also zwei Länder, die aufgrund ihrer begrenzten Möglichkeiten keine Gefahr darstellen und sowie unter starkem amerikanischem Einfluss stehen. Feindliche Truppen müssten also einen der beiden gewaltigen Ozeane überqueren: ein Versuch, der spätestens an der US-Navy – der stärksten der Welt – scheitern würde.
Im Gegensatz zu Deutschland und China, die jeweils von zahlreichen misstrauischen Nachbarn umgeben sind, anders aber auch als Russland, das sowohl von Napoleon als auch von Hitler über die nordeuropäische Tiefebene angegriffen wurde und das im Süden, wo es an islamisch geprägte Länder grenzt, eine verwundbare weiche Flanke hat, befinden sich die USA also in einer beneidenswerten geographischen Lage: Ein Angriff auf ihr Territorium mit konventionellen Mitteln ist nahezu ausgeschlossen.
Zwei Wasserstraßen als Lebensadern
Im Land selbst erschließend der Mississippi und einige seiner Nebenflüsse den Mittleren Westen und die südöstlichen Bundesstaaten für die Schifffahrt – ein Umstand, der vor allem vor dem Ausbau des Eisenbahnnetzes sowohl den nationalen als auch den internationalen Warenaustausch begünstigte, auch mit den Staaten Neuenglands über New Orleans und den Golf von Mexiko und unter Umgehung des Gebirgszuges der Appalachen, der bei der Inbesitznahme des Kontinents durch weiße Siedler eine erste Hürde dargestellt hatte.
Die Inbetriebnahme des Panamakanals 1914, der lange unter US-amerikanischer Hoheit verblieb, vermehrte die kommerziellen, vor allem aber auch strategischen Optionen der Vereinigten Staaten in erheblichem Maße. Seit langem sind sie mindestens so sehr eine pazifische wie eine atlantische Macht und unterhalten unter anderem in Japan und den europäischen Nato-Staaten Militärbasen.
Mit ihnen hofft man, Rivalen wie Russland oder das aufstrebende China eindämmen zu können.
Eine geschichtsträchtige Epidemie
Die USA erstrecken sich über verschiedene Klimazonen und verfügen über viel fruchtbares Land. Auf einen interessanten Zusammenhang zwischen geographischen (und klimatischen) Gegebenheiten auf der einen und gesellschaftlicher Entwicklung auf der anderen Seite verweist der Historiker Charles C. Mann in seinem Buch „1493 – Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen“: Die Siedler an der sogenannten Tabakküste von Virginia begannen für ihre Plantagen die Fließgewässer an der Küste zu stauen. Dies führte zur Ausbreitung der Malaria und als Folge davon zur Einfuhr von Sklaven aus Schwarzafrika, die gegen diese Krankheit resistenter waren als die indigene Bevölkerung. Im späteren Amerikanischen Bürgerkrieg (1861-65), der letztlich eine Folge der Sklavenfrage war, standen sich dann primär die malariafreien und die von Malaria betroffenen Bundesstaaten gegenüber. Auch in diesem Fall haben sich Geografie (und Klima) also entscheidend auf den Lauf der Geschichte ausgewirkt. Wobei ethnische Spannungen die amerikanische Gesellschaft bis heute belasten, wie in den vergangenen Monaten wieder einmal nur zu deutlich geworden ist.
Ende der Dollar-Herrschaft: Eurasien übernimmt
Der Erste Weltkrieg schwächte die miteinander rivalisierenden europäischen Großmächte entscheidend und läutete so den Beginn des „amerikanischen Jahrhunderts“ ein, das sich nun seinem Ende entgegenneigt. Am Ende des Zweiten Weltkrieges erwirtschafteten die USA etwa die Hälfte des weltweiten Bruttosozialprodukts und konnten den US-Dollar über das Bretton Woods-System als Weltleitwährung etablieren. Allerdings zeigten sich mit dem Vietnamkrieg erste Anzeichen einer imperialen Überdehnung. Die hohen Kriegskosten führten dazu, dass die USA die Golddeckung des Dollars 1971 aufgeben mussten. Die unter anderem von Henry Kissinger ersonnene Einführung des Petro-Dollars half, die globale Nachfrage nach Dollar aufrechtzuerhalten, nicht zuletzt auch als Folge des Ölpreisschocks von 1973, der zumindest teilweise mit dem Jom-Kippur-Krieg im gleichen Jahr in Zusammenhang gebracht werden kann. Das Interesse der USA am ölreichen Nahen und Mittleren Osten gilt also nicht allein dem Rohstoff per se, sondern auch der Aufrechterhaltung des Petrodollar-Systems. Der Versuch des Irak, aus selbigem auszubrechen, endete 2003 mit der Besetzung des Landes durch amerikanische Truppen.
Die zahlreichen Kriege, welche die USA geführt haben und immer noch führen, belasten den amerikanischen Haushalt zusehends und werden im Grunde nur über das Petrodollar-System, das eine beständige Nachfrage nach Dollar garantiert, ermöglicht. Hier beißt sich die Katze gewissermaßen in den Schwanz: Die USA brauchen den Petro-Dollar, um ihre Kriege zu finanzieren, und sie führen Kriege, um den Petro-Dollar zu bewahren. Allerdings dürften langfristig die industrielle Basis sowie die verschiedenen Arten der Digital-Wirtschaft für die Bedeutung des Dollars wichtiger werden. Mit der Volksrepublik China haben die USA mittlerweile – anders als seinerzeit mit der UDSSR – einen ernst zu nehmenden wirtschaftlichen Rivalen. Die schiere Größe des asiatischen Marktes und die dynamische Entwicklung einiger asiatischer Volkswirtschaften scheinen nun ein „asiatisches Jahrhundert“ einzuläuten, welches das amerikanische ablösen dürfte.
Mit der Verschiebung der wirtschaftlichen Gewichte auf dem Globus drohen die USA, die von den Märkten der Zukunft in Eurasien– Stichwort „Neue Seidenstraße“ – relativ weit entfernt liegen, nun ins Hintertreffen zu geraten.
Eine ungewisse Zukunft
Wenn wir davon ausgehen, dass die Wahl eines US-Präsidenten auch immer ein Symptom für im Hintergrund stattfindende Richtungskämpfe der Eliten ist, so dürfte Donald Trump für einen Rückzug der USA aus den verschiedenen Kriegsschauplätzen stehen, während seine Widersacher eine Fortsetzung der interventionistischen Politik im Ausland befürworten. Die aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen und gesellschaftlichen Spannungen sprechen dafür, dass den USA turbulente Jahre bevorstehen. Wenn sie sich aber auf ihre Stärken besinnen und den Anspruch, alleinige Weltmacht zu bleiben, aufgeben, werden sie eine machtvolle Nation bleiben – umspült und geschützt von zwei Ozeanen.
Es ist von großer Bedeutung, ob ein Land von Meeren umspült wird oder in einer Tiefebene von zahlreichen Nachbarn umringt ist. Ob sein Terrain gebirgig oder seine Witterung extrem ist. Ob es Zugang zu Rohstoffen und Wasser hat oder nicht. In einer Serie von Artikeln werfen die DWN einen Blick auf ausgewählte Länder und arbeiten heraus, inwieweit deren Außen, - Sicherheits- und Machtpolitik von ihrer jeweiligen Geografie (maßgeblich) mitbestimmt wird.
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