Finanzen

Kommt der digitale Euro? EZB-Chefin Lagarde leitet Testphase ein

EZB-Chefin Christine Lagarde treibt ihre Arbeiten an einer digitalen Version des Euro voran. In den nächsten Wochen sollen interne Tests mit einer Digitalwährung beginnen.
09.10.2020 13:20
Aktualisiert: 09.10.2020 13:20
Lesezeit: 2 min
Kommt der digitale Euro? EZB-Chefin Lagarde leitet Testphase ein
02.12.2019, Belgien, Brüssel: Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), nimmt am Monetary Dialogue des Ausschusses für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments teil. (Foto: dpa) Foto: Zhang Cheng

Europas Währungshüter treiben ihre Arbeiten an einer digitalen Version des Euro voran. In den nächsten Wochen sollen interne Tests mit einer Digitalwährung beginnen - zeitgleich mit einer öffentlichen Befragung von Bürgern sowie Fachleuten aus Wissenschaft und Finanzsektor zum Für und Wider ab dem 12. Oktober. Gegen Mitte 2021 will die Zentralbank dann über den Start eines digitalen Euro-Projekts entscheiden. Andere Notenbanken sind bei dem Thema bereits weiter.

„Die Menschen in Europa bezahlen, sparen und investieren immer häufiger auf elektronischem Weg. Unsere Aufgabe ist es, das Vertrauen in unsere Währung zu sichern. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass der Euro für das digitale Zeitalter gerüstet ist“, begründete die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, am Freitag die Pläne. „Wir sollten darauf vorbereitet sein, einen digitalen Euro einzuführen, sollte dies erforderlich werden.“

Ein digitaler Euro wäre eine Antwort auf privatwirtschaftliche Initiativen wie Bitcoin oder das maßgeblich von Facebook getragene Projekt Libra. Der große Unterschied: Im Gegensatz zu anderen Kryptowährungen stünde ein digitaler Euro unter Aufsicht einer Zentralbank, die die Stabilität der Währung sichert.

„Die Einführung eines digitalen Euro kann in verschiedenen Szenarien erforderlich sein, etwa wenn die Menschen nicht mehr mit Bargeld zahlen wollen, oder in extremen Situationen wie Naturkatastrophen oder Pandemien, in denen andere herkömmliche Zahlungsdienstleistungen nicht mehr funktionieren“, erläuterte EZB-Direktoriumsmitglied Fabio Panetta in einem am Freitag veröffentlichten Gastbeitrag.

Schon vor der Corona-Krise hatte sich der Trend zum Bezahlen ohne Scheine und Münzen in Deutschland und im Euroraum verstetigt. 98 Milliarden Zahlungen im Währungsraum der 19 Staaten im Gesamtwert von gut 162 Billionen Euro wurden 2019 nach EZB-Angaben bargeldlos abgewickelt. Das waren 8,1 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Die Pandemie sorgte für einen weiteren Schub bei digitalen Bezahlverfahren.

„Ein digitaler Euro würde uns auch davor bewahren, dass staatliche oder privatwirtschaftliche digitale Zahlungsmittel, die aus Ländern außerhalb des Euroraums stammen oder von dort kontrolliert werden, bestehende Zahlungsmittel weitgehend verdrängen“, führte Panetta weiter aus.

Finanzaufseher befürchten, dass Libra Geldwäsche, Terrorfinanzierung und Steuerhinterziehung erleichtert. Facebook hatte dagegen betont, das Projekt solle den bargeldlosen Zahlungsverkehr vor allem in Schwellenländern vereinfachen, wo es kein flächendeckendes Bankensystem gebe. Technisch können digitale Währungen zum Beispiel auf Basis einer sogenannten Blockchain funktionieren - also über eine Kette von Datenblöcken, die sich mit jeder Transaktion ausbaut.

Zentralbanken wollen mit ihren Initiativen zudem ihr Geldmonopol verteidigen. Auch andere Notenbanken weltweit beschäftigen sich mit digitalem Zentralbankgeld. Vergleichsweise weit vorangeschritten ist in Europa das Projekt „E-Krona“ der schwedischen Zentralbank, denn in dem skandinavischen Land wird Bargeld kaum noch genutzt. China arbeitet schon länger an der digitalen Variante seiner Währung Renminbi.

Die EZB erklärte, eine elektronische Form von Zentralbankgeld könnte von der breiten Bevölkerung genutzt werden - genauso wie Bargeld, nur in digitaler Form. Europas Währungshüter versicherten, ein digitaler Euro wäre eine Ergänzung zum Bargeld, kein Ersatz: „In jedem Fall wird das Eurosystem auch weiterhin Bargeld ausgeben.“

Der Bundesverband deutscher Banken (BdB) begrüßte die EZB-Initiative grundsätzlich. Der digitale Euro sei „ein Zukunftsthema mit höchster Bedeutung für die Sicherheit und Stabilität der europäischen Finanzmärkte“, sagte BdB-Hauptgeschäftsführer Andreas Krautscheid. Es seien aber „noch hochrelevante Fragen zu klären“. Im Fall der Ausgabe eines digitalen Euro müssten Banken eine zentrale Rolle spielen.

Ein digitaler Euro könnte es Bürgern erlauben, Geld direkt bei der Zentralbank zu hinterlegen. Diese Möglichkeit steht normalerweise nur gewerblichen Kreditgebern wie Banken, Regierungen und anderen Zentralbanken offen. Einige Experten sehen jedoch die Gefahr, dass dann in Krisenzeiten Bankkunden ihre Ersparnisse fluchtartig von kommerziellen Banken abziehen würden und Notlagen so verstärken.

„Bevor wir die Argumente abwägen und Schlüsse daraus ziehen können, benötigen wir zunächst ein umfassendes Verständnis von Digitalgeld. Dabei müssen wir stets einen offenen Ansatz verfolgen“, mahnte Bundesbank-Präsident Jens Weidmann vor Kurzem bei einer Tagung. „Auf jeden Fall ist die Einführung von Digitalgeld sorgfältig abzuwägen.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Unternehmen
Unternehmen Flixtrain bereit zum harten Wettbewerb um Bahn-Kunden
18.11.2025

Im Fernverkehr auf deutschen Schienen herrscht bislang wenig Wettbewerb. Das könnte sich in den kommenden Jahren ändern. Ein kleiner...

DWN
Technologie
Technologie Fliegende Autos: XPeng eröffnet erste Produktionsstätte für Flugfahrzeuge in China
18.11.2025

China eröffnet erstmals industrielle Strukturen für Fahrzeuge, die sowohl am Boden als auch in der Luft nutzbar sein sollen. Wird damit...

DWN
Technologie
Technologie Cloudflare down: Internetdienste X und ChatGPT massiv von Cloudflare-Störung betroffen
18.11.2025

Die Cloudflare-Dienste sind seit Dienstagmittag weltweit massiv gestört, betroffen sind darunter große Plattformen wie X und ChatGPT. Das...

DWN
Finanzen
Finanzen Nokia-Aktie und Nvidia-Aktie im Fokus: Wie die Partnerschaft 5G-Wachstum antreibt
18.11.2025

Die einst vor allem für Handys bekannte Nokia hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt und rückt nun wieder in den Fokus von...

DWN
Finanzen
Finanzen Vestas-Aktie im Minus: So sollen 900 gezielte Entlassungen die Ertragsziele stützen
18.11.2025

Die Vestas-Aktie steht derzeit unter Druck. Dass das Unternehmen weltweit 900 Bürostellen abbaut, scheint den Anlegern auch Sorgen zu...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Erfolg im Job: Warum Diplome nicht mehr über Karrierechancen entscheiden
18.11.2025

Die Anforderungen an Fachkräfte haben sich deutlich verändert, und Arbeitgeber legen zunehmend Wert auf Fähigkeiten, Persönlichkeit und...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Kurs rutscht unter 90.000 US-Dollar: Kryptomarkt in extremer Angst
18.11.2025

Der Bitcoin-Kurs ist tief gefallen und löst weltweit Unruhe unter Anlegern aus. Der Fear-and-Greed-Index warnt vor extremer Angst am...

DWN
Technologie
Technologie Digitale Souveränität in Europa: Beckedahl kritisiert Bundesregierung
18.11.2025

Deutschland feiert neue Google- und Microsoft-Rechenzentren, während die digitale Abhängigkeit von US-Konzernen wächst. Der...