Die deutschen Mittelständler sind im Vergleich mit anderen europäischen Unternehmen relativ gut durch die Pandemie gekommen. Zu diesem Schluss kommt eine aktuelle Analyse des Kreditversicherers Euler Hermes. Während den kleinen und mittleren Firmen in Frankreich und Italien schätzungsweise 70 beziehungsweise 29 Milliarden Euro fehlen, benötigen die deutschen Mitbewerber lediglich drei Milliarden Euro für eine ausreichende Kapitalisierung. Alle Unternehmen stützen sich dabei auf umfangreiche Konjunkturpakete in ihren Heimatstaaten.
„Europäische Mittelständler weisen eine sehr hohe Verschuldung auf, eine erheblich verschlechterte Profitabilität und eine nicht ausreichende Kapitalisierung“, sagt Ron van het Hof, CEO von Euler Hermes in Deutschland, Österreich und der Schweiz. „Das ist mittelfristig eine denkbar schlechte Kombination für die Zahlungsfähigkeit dieser Unternehmen. Insbesondere in Italien und Frankreich spitzt sich die Lage durch Covid-19 zunehmend zu, auch wenn die zahlreichen Konjunkturpakete zumindest eine kurzfristige Liquiditätskrise vermieden haben. Der deutsche Mittelstand hat sich abermals als relativ robust erwiesen und ist im Vergleich zu seinen europäischen Pendants bisher relativ gut durch die Krise gekommen“, fügte der CEO hinzu.
Auch hierzulande ist die Verschuldung durch zahlreiche Liquiditätsmaßnahmen gestiegen. Insbesondere in Frankreich aber ist sie im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (81 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt, BIP) fast doppelt so hoch als in Deutschland (43 Prozent des BIP). In Italien ist die Verschuldung mit 65 Prozent des BIP ebenfalls überdurchschnittlich hoch im europäischen Vergleich (Durchschnitt: 63 Prozent).
Bei Profitabilität sind französische KMU Schlusslicht in Europa
„Französische Mittelständler sind in Europa zudem in puncto Profitabilität inzwischen Schlusslicht, noch hinter Italien“, sagt Ana Boata, Leiterin Makroökonomie bei Euler Hermes. „Die Profitabilität französischer KMU ist seit Jahresbeginn um 7 Prozentpunkte (pp) drastisch gesunken im Vergleich zu minus 0,6 pp in Deutschland. In Italien dürfte die Profitabilität nach unseren Schätzungen ebenfalls um bis zu 3pp gesunken sein. Die Eigenkapitalquote ist in Italien mit 33 Prozent die niedrigste und damit deutlich unterhalb der 40 Prozent, die in der Regel als adäquat gelten. In Italien besteht demnach der größte Bedarf an zusätzlichen Finanzmitteln für eine Rekapitalisierung.“
In Frankreich liegt die Eigenkapitalquote der KMU bei 37 Prozent, in Deutschland mit 39 Prozent nur knapp unterhalb der empfohlenen Kapitalausstattung. Bei der Analyse haben die Volkswirte Unternehmen bereits herausgerechnet, die schon vor der Covid-19-Pandemie praktisch nicht überlebensfähig waren.
„Ein Großteil der Mittelständler erweist sich auch in der aktuellen Krise als sehr robust, insbesondere in Deutschland,“ sagt Van het Hof. „Diese Tatsache, darf aber auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in ihrem Schatten in Europa zahlreiche Zombie-Unternehmen gibt – auch schon vor der Covid-19-Pandemie.
In Italien waren beispielsweise schon vor der Krise rund ein Fünftel der Mittelständler wirtschaftlich eigentlich gar nicht mehr lebensfähig, in Frankreich (11 Prozent) und Deutschland (10 Prozent) waren es nur etwa halb so viele. Allerdings dürfte sich die Anzahl mit der aktuellen Krise sprunghaft erhöht haben, ebenso wie der Finanzierungsbedarf der KMU. Besonders eng wird es für die Unternehmen und Branchen, die vor der Krise kaum Puffer hatten.“
In Deutschland war die Eigenkapitalquote vor der Pandemie in der Transportbranche besonders niedrig: In der Schifffahrt lag sie bei rund 32 Prozent, in der Luftfahrt bei 29 Prozent. Mit Covid-19 hat sich die bestehende Finanzierungslücke nochmals vergrößert. In Frankreich und Italien hatten Unternehmen im Hotel- und Gastgewerbe sowie im Maschinenbau und Handel besonders schlechte Ausgangspositionen und daher jetzt den größten Kapitalbedarf.