Technologie

"Himmelsdrachen": Deutsches Unternehmen entwickelt Technologie, die Satelliten ersetzen kann

Ein Stuttgarter Unternehmen hat einen sogenannten "SkyDragon", einen Himmelsdrachen, für den Flug in der Stratosphäre entwickelt.
25.11.2020 09:16
Lesezeit: 5 min
"Himmelsdrachen": Deutsches Unternehmen entwickelt Technologie, die Satelliten ersetzen kann
Der SkyDragon. (Foto: TAO) Foto: TAO Group

Das Fliegen in der Stratosphäre ist eines der letzten großen Abenteuer der Menschheit und ist derzeit von großem globalem Interesse. Google, Facebook & Co. wollen von hier aus in Zukunft mit Ballonen oder flugzeugähnlichen Drohnen das Internet der Dinge bereitstellen. Ein Vorhaben, für das ein mittelständiges deutsches Forschungs- und Entwicklungs-Unternehmen, die Stuttgarter „TAO Group“ (TAO steht für „Transatmospheric Operations“), schon seit Langem eine nachhaltige technische Lösung bereithält. Die Deutschen Wirtschaftsnachrichten sprachen mit TAO-Geschäftsführerin Regine Henschel.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Was genau ist ein sogenannter „SkyDragon“, und wofür kann man ihn nutzen?

Regine Henschel: Der SkyDragon ist eine unbemannt fliegende Höhenplattform (HAP) für den Datentransfer. Sie fliegt in circa 20 Kilometer Höhe in der Stratosphäre als sozusagen fliegende Kommunikationseinheit mit den Möglichkeiten eines Antennenmastes und überträgt mit dieser Technologie der Zukunft Telefonie, Internet und IoT (Internet of Things, also Internet der Dinge – Anm. d. Redaktion).

Unser Konzept ist nach unserer Kenntnis der zurzeit weltweit einzige technische Lösungsansatz, der einen gesteuerten, stationären Langzeiteinsatz unter diesen extremen Bedingungen in der Stratosphäre ermöglichen kann. Start und Landung, sowie die Steuerung des SkyDragon, erfolgen von einer mobilen Bodenstation.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Wie ist die Idee, einen SkyDragon zu konstruieren, entstanden?

Regine Henschel: Unsere TAO-HAP-Technologie folgt einem neuen, bionischen Entwicklungspfad: Es handelt sich bei dem Konzept um luftschiffartige Segmente, die als Kette miteinander flexibel, aber dauerhaft verbunden sind. Sie sind beweglich und können sich durch starke Luftströmungen regelrecht „hindurchschlängeln“. Mit diesem Prinzip kann in unterschiedlichen Höhen stabil und steuerbar geflogen werden, es wurde als Stratosphären-Luftschiff konzipiert.

Die Idee stammt von unserem TAO Group-Firmengründer Prof. Dr.-Ing. Bernd Helmut Kröplin, der bereits 1999 dieses Luftschiff-Konzept für die Datenübertragung aus der Stratosphäre entwickelte. Für diese Entwicklung hat er den größten europäischen Wissenschaftspreis, den Körber-Preis, erhalten. Aus seiner Idee entwickelte er zusammen mit seinem Luft- und Raumfahrtteam das technologische Konzept einer Höhenplattform auf „Leichter-als-Luft-Basis.“ Dieses ist so robust, dass es auch durch die starken Jetstreams fliegen kann und eine lange Aufenthaltsdauer in den extremen Bedingungen in 20 Kilometer Höhe (Stratosphäre) ermöglicht.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Welche Vor- bzw. Nachteile hat der SkyDragon gegenüber klassischen Satelliten?

Regine Henschel: Unser SkyDragon ist start- und landefähig sowie steuerbar über eine mobile Bodenstation auf der Erde. Das heißt, er verursacht keinen Weltraumschrott wie beispielsweise die herkömmlichen Satelliten-Systeme. Zudem ist das ganze Gerät recycelbar, das heißt die großen Hüllen und auch die festeren Komponenten können entweder technisch gewartet und aktualisiert, also wiederverwendet werden, oder sie werden recycelt. Wir haben sozusagen ein echt „nachhaltiges“ Luftfahrtgerät. Zudem benötigt der SkyDragon keine teure Infrastruktur als Start- und Landeplatz wie einen Flughafen oder eine Raketenbasis. Er steigt gesteuert von alleine auf, eine einfache Wiese oder ein vorhandenes Rollfeld reichen vollkommen als Start- und Landeplatz aus. Natürlich muss er sich auch an Starterlaubnisse halten, und sein Flug wird wie die Flüge von Flugzeugen vorher bei den Behörden angemeldet und über Transponder-Technik kontrolliert.

Dieses TAO-Prinzip ist traditionellen, starren Luftschiffkonzepten, Drohnen und Flugzeugen für große Höhen in vielen Bereichen überlegen. Der Antrieb erfolgt solarelektrisch, wahlweise aber auch mit einem luftschweren Kraftgas oder mit Benzin. Es gibt inzwischen mehr als 150 flugfähige TAO HAP-Prototypen in verschiedensten technischen Variationen und Größen, um alle erforderlichen Parameter im Flug testen zu können. Neben Kraftgasantrieben wurden auch Motoranordnungen unter dem ersten Segment oder um dieses herum verteilt und als sogenannter Ringantrieb realisiert.

Mit der Höhenplattform (HAP) können Nutzlasten bis zu 1.000 Kilo getragen werden, je nach Luftschiff-Größe. Für Klimabeobachtung (Wetter, Katastrophenwarnung) und als fliegender Sendemast für Telekommunikation, Datentransfer wie IoT, autonomes Fahren, Smart Cities und Smart Farming ist der Himmelsdrache stationär über einem Servicegebiet fliegend, mit einem Radius von bis zu 300 Kilometer, ideal einsetzbar. Eine HAP kann als Add-on-System das aktuelle Datennetz aus Satellitenkommunikation und bestehender Bodeninfrastruktur ergänzen oder in abgelegenen Gebieten (Inseln) ein eigenes, unabhängiges Netz für die Bevölkerung aufbauen.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Was für atmosphärische Bedingungen herrschen in der Stratosphäre, und ließe sich dort noch etwas entdecken?

Regine Henschel: Das Fliegen in der Stratosphäre ist eine der letzten Herausforderungen der Menschheit. Es herrschen Kälte (bis zu minus 70 Grad) und starke UV-Einstrahlung, die an die Komponenten des SkyDragons entsprechende Anforderungen stellen. Zudem ist die Luftdichte wesentlich geringer, so dass man für den Antrieb spezielle Propeller benötigt sowie ein ausgeklügeltes Energiesystem. Doch diese Herausforderungen zu meistern ist inzwischen durch den Einsatz neuer Materialien möglich.

Die Stratosphäre ist geeignet für Forschungs- und Beobachtungsaufgaben aus großer Höhe wie beispielsweise Wald- und Feuerschutz, Wetterbeobachtungen und Tsunami-Warnungen, Ozonmessungen und noch viele weitere Anwendungen für den Klimaschutz.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Hat die TAO Group bereits (potentielle) Kooperationspartner bzw. Kunden für das SkyDragon- Projekt gefunden?

Regine Henschel: TAO hat zahlreiche SkyDragon-Prototypen gebaut und getestet, mehr als 150 verschiedene Versionen, um die Technologie zu optimieren. Für Interessenten aus Asien und den USA hat TAO zwei große HAP-Prototypen gebaut. Die jüngste HAP (auch Pseudo-Satellite genannt) ist circa 90 Meter lang und hat einen Durchmesser von circa 11,5 Meter. Der Testflug hat sich aufgrund der Corona-Krise im Moment verschoben.

Außerdem arbeiten wir weiter an einer neuen TAO-HAP-Ausführung mit neuester Technologie für den Aufstieg in die Stratosphäre. Für diesen Stratosphärenflug suchen wir noch interessierte Technik- oder Investmentpartner, die entweder ihre Technologien (Payloads) in der Stratosphäre testen möchten oder an dem Datentransfer der Zukunft aus 18.000 bis 20.000 Meter Höhe teilhaben möchten. Interessentengespräche werden im Moment mit Partnern aus Singapur, Südamerika und Großbritannien geführt, wir würden aber sehr gerne auch mit deutschen Anbietern zusammenarbeiten.

***

Info zur Person: Regine C. Henschel ist Geschäftsführerin und Mitgründerin der TAO Group. Als Weltraum-Unternehmerin entwickelt sie zusammen mit ihrem interdisziplinären Team der "TAO-Nauten" hochfliegende LTA-Plattformen (HAPs) für Telekommunikation, Internet und Datentransfer. Mehr Infos: www.tao-group.de

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