Wirtschaft

Norweger kriegen Geld, wenn sie Strom verbrauchen

Die klimatischen Bedingungen haben in Norwegen enorme Überschüsse der Stromproduzenten verursacht. Die Preise drehten zeitweise ins Negative. In Norwegen zeigt sich die Problematik einer reinen Elektrizitätsversorgung aus Erneuerbaren Energien.
08.11.2020 15:42
Lesezeit: 2 min

In Norwegen waren die Strompreise vor einigen Tagen für mehrere Stunden lang in und um die Hauptstadt Oslo negativ. Das berichtet „Oilprice.com“ unter Berufung auf das Fachportal „E24“.

Bereits im Juli waren die Preise für Elektrizität für eine Stunde ins Negative gerutscht. Der Grund waren damals geringe Stromexporte und der Start der Sommerferien, wo der Energieverbrauch traditionell auf ein unterdurchschnittliches Niveau sinkt.

Zu viel Wasser und zu viel Wind

Überschuss-Kapazitäten der Stromproduzenten sind auch diesmal der Grund, allerdings aus etwas anderen Gründen. Starker Wind und Regenfall haben die Leistung aus Wasser- und Windkraftwerken deutlich erhöht, ohne dass die Nachfrage entsprechende angestiegen wäre.

Im Oktober erreichte die durchschnittliche Füllkapazitäts-Auslastung norwegischer Wasserkraftwerke ein Rekordhoch von 95 Prozent, wie Reuters unter Berufung auf Daten der Ernergiebehörde NVE berichtete. Dadurch sanken die Spotpreise am Strom-Markt auf 10,45 Euro pro Megawattstunde, mittlerweile ist der Preis an einigen Orten sogar im negativen Territorium angekommen. Zum Vergleich: Der durchschnittliche Preis 2019 lag bei etwa 40 Euro.

Die Wasserkraftbetreiber konnten ihre Leistung bei solchen Wassermengen nicht herunterfahren. In normalen Zeiten können sie ihren Elektrizitäts-Output durch Koordinierung von Wasser-Zustrom und -Speicherung innerhalb gewisser Grenzen steuern und damit teilweise der Nachfrage anpassen. In diesem Herbst hätte es dann aber zu enormen Flutungen kommen können.

Die Nachfrageseite tat ihr Übriges: Der Energiebedarf im Süden Norwegens war aufgrund ungewöhlich hoher Spätherbst-Temperaturen rückläufig. Außerdem wurde mehr Nuklearstrom aus dem Nachbarland Schweden importiert als üblich.

Einschätzungen von Energie-Experten zufolge sollen mit dem einsetzendem Winter und folglich fröstelnden skandinavischen Wetter die Preise für Elektrizität allerdings wieder deutlich steigen und die momentane Anomalie am heimischen Strom-Markt vorerst beenden.

Das Grundproblem erneuerbarer Energien

Norwegens inländische Stromerzeugung geschieht zu nahezu 100 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen, der überwiegende Teil davon (rund 91 Prozent) ist Wasserkraft, Strom aus Windrad-Anlagen macht nur rund 7 Prozent aus.

Am Beispiel Norwegens zeigt sich ein Grundproblem der Erneuerbaren Energien – die ungleichmäßige Leistung. Während zum Beispiel die Auslastung von Kohlekraftwerken relativ einfach an den Energie-Bedarf der Wirtschaft angepasst werden kann, ist das bei Wasser- und vor allem Windkraft und Solarenergie nicht so einfach möglich. Damit sich der Betrieb lohnt, müssen Zeiten einer nahezu Nullproduktion durch Zeiten großer Überschüsse ausgeglichen werden. Diese Überschüsse müssen dann aber entweder auf überschüssige Nachfrage stoßen oder gespeichert werden. Die Speicherung erneuerbarer Energien bleibt ein großes Problem, weshalb die Überschüsse unmittelbar das Preisniveau für Elektrizität/Strom massiv senken bzw. bei Unterschüssen massiv erhöhen. Die Nennleistung erneuerbarer Energien hat mit der tatsächlich erbrachten Leistung wenig zu tun und dieser Umstand ermöglicht häufig erst Anomalien wie negative Strompreise.

Neben der fehlenden Leistungs-Konstanz kommen noch die enormen Kosten für die Integration in das Stromnetz dazu (allen voran notwendige Back-up-Kapazitäten). In Deutschland ist der Ausbau erneuerbarer Energien auch aus diesem Grund mit stetig steigenden Strompreisen verbunden. Die Erneuerbaren sind hierzulande nur dank der "EEG-Umlage" wettbewerbsfähig. Im Gegensatz zu Norwegen sind die klimatischen Bedingungen in Deutschland aber gar nicht prädestiniert für den Einsatz von Windrädern, Wasserkraft und Co.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Rheinmetall-Aktie stabil: Analystenkommentar von Bank of America bewegt Rüstungsaktien
05.12.2025

Am Freitag geraten deutsche Rüstungsaktien in Bewegung: Ein US-Großbank-Analyst sortiert seine Favoriten neu. Welche Titel profitieren,...

DWN
Politik
Politik Neuer Wehrdienst: So soll das Modell ab 2026 greifen
05.12.2025

Ab 1. Januar soll der neue Wehrdienst starten: mit Pflicht-Musterung, frischer Wehrerfassung und ehrgeizigen Truppenzielen. Die Regierung...

DWN
Finanzen
Finanzen Tesla-Aktie im Fokus: Teslas Model 3 Standard startet in Deutschland – Experten hinterfragen Musks Einfluss
05.12.2025

Tesla bringt das Model 3 als neue Standard-Version nach Deutschland und senkt den Einstiegspreis deutlich. Weniger Komfort soll mehr...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Eurozone: Wirtschaft in der Währungsunion überrascht mit stärkerem Quartal
05.12.2025

Die Eurozone-Wirtschaft hat im Sommer mehr Dynamik gezeigt als gedacht. Neue Daten von Eurostat korrigieren das Wachstum nach oben, doch...

DWN
Unternehmen
Unternehmen CSRD-Berichtspflicht: EU bremst, der Druck auf Unternehmen wächst – was nun zu tun ist
05.12.2025

Die EU zieht die Reißleine: Statt 2025 gilt die CSRD-Berichtspflicht nun zwei Jahre später. Doch während Brüssel bremst, wächst in den...

DWN
Politik
Politik Radikaler Bruch in der EU-Energiepolitik: Europa kappt endgültig die russischen Gasadern
05.12.2025

Die EU hat eine historische Entscheidung getroffen. Spätestens 2027 soll russisches Gas vollständig aus Europa verschwinden. Der...

DWN
Politik
Politik NATO-Kommandostruktur wird an Bedrohungslage angepasst
05.12.2025

Die NATO ordnet ihre Führung im Norden neu: Zuständigkeiten wandern über den Atlantik. Hinter der Anpassung der NATO-Kommandostruktur...

DWN
Technologie
Technologie Cloudflare-Störung: Netzwerk für Cyberabwehr verursacht Probleme bei Unternehmen
05.12.2025

Eine weltweite Cloudflare-Störung hat am Freitag zahlreiche Webseiten und Apps aus dem Tritt gebracht. Fehlermeldungen, leere Seiten und...