Politik

Nord Stream 2: Keine US-Sanktionen gegen Merkel, sondern „nur“ gegen deutsche Firmen

Im Streit um die deutsch-russische Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 will der US-Kongress Sanktionen gegen Regierungen und Behörden europäischer Partnerstaaten wie Deutschland ausschließen. Gegen Unternehmen, die an dem Projekt beteiligt sind, sollen die angedrohten Strafmaßnahmen allerdings ausgeweitet werden.
04.12.2020 12:18
Aktualisiert: 04.12.2020 12:18
Lesezeit: 2 min
Nord Stream 2: Keine US-Sanktionen gegen Merkel, sondern „nur“ gegen deutsche Firmen
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht am Dienstag (08.11.2011) bei der symbolischen Eröffnung der Ostsee-Pipeline Nord Stream in Lubmin. (Foto: dpa) Foto: Stefan Sauer

Im Streit um die deutsch-russische Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 will der US-Kongress Sanktionen gegen Regierungen und Behörden europäischer Partnerstaaten wie Deutschland ausschließen. Gegen Unternehmen, die an dem Projekt beteiligt sind, sollen die angedrohten Strafmaßnahmen allerdings ausgeweitet werden. Das geht aus dem Entwurf für das Gesetzespaket zum US-Verteidigungshaushalt hervor, auf den sich Demokraten und Republikaner in beiden Kammern im US-Kongress am Donnerstag (Ortszeit) einigten. Sanktionen gegen Unternehmen sollen demnach erst verhängt werden dürfen, nachdem potenziell betroffene Regierungen von EU-Mitgliedstaaten, der Schweiz, Norwegen und Großbritannien konsultiert wurden.

Bekannt war bislang, dass sowohl das Repräsentantenhaus als auch der Senat - die beiden Kammern im US-Kongress - Sanktionen gegen die an der Pipeline beteiligten Unternehmen verschärfen wollten. In den beiden Gesetzesentwürfen, die nun für das Paket zum Verteidigungshaushalt zusammengeführt wurden, war zuvor aber keine Rede davon gewesen, dass europäische Partner konsultiert werden müssten oder dass Sanktionen gegen Regierungen oder Behörden in Europa nicht zulässig wären. Nach einer Verabschiedung durch beide Kammern muss US-Präsident Donald Trump das Gesetz unterzeichnen, damit es in Kraft tritt.

Vor knapp einem Jahr waren die Bauarbeiten an Nord Stream 2 gestoppt worden, nachdem die USA ein Sanktionsgesetz (Peesa) gegen die Spezialschiffe in Kraft gesetzt hatten, die die Rohre verlegen. Die beiden Schweizer Verlegeschiffe wurden abgezogen. Der russische Präsident Wladimir Putin kündigte an, die Arbeiten eigenständig zu Ende bringen - unabhängig von ausländischen Partnern. Nach den Sanktionen können gegen betroffene Personen Einreiseverbote in die USA verhängt werden. Etwaiger Besitz betroffener Personen oder Firmen in den Vereinigten Staaten kann eingefroren werden.

Im Oktober veröffentlichte das US-Außenministerium neue Richtlinien, wonach auch die Bereitstellung bestimmter Dienstleistungen und Einrichtungen für die Verlegeschiffe bestraft werden könnte. Der neue US-Gesetzesentwurf (Peesca) sieht nun eine weitere Verschärfung der Strafmaßnahmen vor. Demnach sollen auch Unternehmen, die Schiffe für andere Aktivitäten im Zusammenhang mit Verlegearbeiten stellen, mit Strafen belegt werden. Dabei kann es sich etwa um das Ausheben von Gräben für die Pipeline handeln. Auch Firmen, die betroffene Schiffe versichern oder ihnen ihre Hafenanlagen zur Verfügung stellen, drohen Sanktionen. Das gleiche gilt für Unternehmen, die Zertifizierungen für die Pipeline vornehmen, damit diese in Betrieb gehen kann.

Dem Entwurf hinzugefügt wurde nun, dass sich der US-Außenminister vor der Verhängung von Sanktionen gegen Unternehmen aus EU-Mitgliedsstaaten, der Schweiz, Norwegen und Großbritannien mit den Regierungen dieser Länder beraten müsse. In seinem Bericht an den Kongress - der Grundlage für die Verhängung von Sanktionen ist - müsse der Minister etwaige Bedenken dieser Regierungen anführen. Außerdem heißt es, dass gegen die aufgeführten europäischen Regierungen und ihre Körperschaften Sanktionen nicht anwendbar seien.

Die US-Regierung hatte erst im vergangenen Monat deutlich gemacht, dass sie die Pipeline kurz vor Fertigstellung noch stoppen wolle und den Sanktionsdruck auf beteiligte europäische Unternehmen erhöhe. "Diese Pipeline findet nicht statt", sagte ein hochrangiger US-Regierungsvertreter damals der Deutschen Presse-Agentur in Washington. Die Regierung habe Unternehmen und Personen identifiziert, denen erste Strafmaßnahmen drohten. In der deutschen Wirtschaft und Politik lösten die neuen Drohungen Empörung aus.

Der US-Regierungsvertreter betonte, Befürworter von Nord Stream 2 sollten nicht darauf hoffen, dass es einen Regierungswechsel in Washington geben werde. Er verwies darauf, dass sowohl Peesa als auch Peesca parteiübergreifend unterstützt werden und verpflichtende Sanktionen vorsehen. "Das bedeutet, dass die Sanktionen unabhängig davon umgesetzt werden, wer im Oval Office sitzt."

Durch die zwei jeweils rund 1200 Kilometer langen Leitungen von Nord Stream 2 sollen künftig jedes Jahr 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas von Russland nach Deutschland gepumpt werden - unter Umgehung der Ukraine. Die etwa 9,5 Milliarden Euro teure Pipeline ist zu 94 Prozent fertig. Die USA laufen aber seit Jahren Sturm dagegen und begründen dies mit zu großer Abhängigkeit ihrer europäischen Partner von russischem Gas. Unterstützt werden sie von osteuropäischen Staaten wie Polen und den baltischen Ländern. Kritiker werfen den USA dagegen vor, nur ihr Flüssiggas in Europa besser verkaufen zu wollen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft China-Zölle auf EU-Weinbrand kommen nun doch – das sind die Folgen
04.07.2025

China erhebt neue Zölle auf EU-Weinbrand – und das mitten im Handelsstreit mit Brüssel. Betroffen sind vor allem französische...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Gaspreise steigen wieder: Was das für Verbraucher und Unternehmen bedeutet
04.07.2025

Nach einem deutlichen Preisrückgang ziehen die europäischen Gaspreise wieder an. Was das für Verbraucher und Unternehmen bedeutet –...

DWN
Panorama
Panorama Schwerer Flixbus-Unfall auf der A19 bei Röbel: Was wir wissen und was nicht
04.07.2025

Ein Flixbus kippt mitten in der Nacht auf der A19 bei Röbel um. Dutzende Menschen sind betroffen, ein Mann kämpft ums Überleben. Noch...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Solarausbauziel in Deutschland bis 2030 zur Hälfte erfüllt
04.07.2025

Deutschland hat bereits einen großen Schritt in Richtung Solarenergie gemacht – doch der Weg ist noch weit. Trotz beachtlicher...

DWN
Politik
Politik One Big Beautiful Bill: Das steckt hinter Trumps Steuererleichterungen
04.07.2025

Am amerikanischen Unabhängigkeitstag setzt Donald Trump ein innenpolitisches Zeichen: Mit dem "One Big Beautiful Bill" will er seine...

DWN
Panorama
Panorama Waldbrand Sachsen: Gohrischheide - über 1.000 Einsatzkräfte im Einsatz
04.07.2025

Hitze, Trockenheit und starker Wind: In Sachsen und Thüringen kämpfen Einsatzkräfte gegen massive Waldbrände. Besonders die...

DWN
Politik
Politik Rentenkasse: Neue Mütterrente wohl erst ab 2028 umsetzbar
04.07.2025

Die Ausweitung der Mütterrente sorgt für Diskussionen: Einigkeit herrscht über das Ziel, Uneinigkeit über das Tempo. Millionen Mütter...

DWN
Finanzen
Finanzen Sparen für Kinder: Welche Anlagen sich wirklich lohnen
04.07.2025

Eltern wollen ihre Kinder finanziell absichern, doch viele verschenken Chancen. Statt renditestarker Anlagen dominiert Vorsicht, oft ohne...