Politik

„Weil die Türkei unser Nachbar ist und nicht Dänemark“: Griechenland verfünffacht Militärausgaben

Die Nato hat offenbar ein kleines Problem. So wird Griechenland seine Ausgaben für Rüstung im kommenden Jahr verfünffachen, weil die angespannten Beziehungen zum Nachbarn Türkei - ebenfalls Nato-Mitglied - jederzeit eskalieren können.
15.12.2020 14:04
Aktualisiert: 15.12.2020 14:04
Lesezeit: 2 min
„Weil die Türkei unser Nachbar ist und nicht Dänemark“: Griechenland verfünffacht Militärausgaben
04.04.2018, Griechenland, Ikaria: Dieses vom griechischen Verteidigungsministerium zur Verfügung gestellte Foto zeigt Panos Kammenos (l), Verteidigungsminister von Griechenland, der mit griechischen Soldaten während eines Militärmanövers spricht. (Foto: dpa) Foto: Uncredited

Die griechische Regierung sieht im Haushalt für das kommende Jahr Rüstungsausgaben in Höhe von 2,5 Milliarden Euro vor. Die geplanten Ausgaben sind damit fünfmal so hoch wie im laufenden Jahr. Mit der Verabschiedung des Haushalts wird am späten Dienstagabend nach einer Parlamentsdebatte gerechnet. Griechischen Medien zufolge steht der Entschluss schon fest, weil der konservative Premier Kyriakos Mitsotakis im Parlament über eine klare Mehrheit verfügt.

Mitsotakis hatte eine Erhöhung der Rüstungsausgaben aufgrund der angespannten Lage im östlichen Mittelmeer bereits angekündigt. Dort streitet sich Griechenland mit der Türkei um Erdgasvorkommen in Regionen, die beide Länder jeweils für sich beanspruchen. Bei einem Berlin-Besuch im März dieses Jahres hatte Mitsotakis auf die Frage von Journalisten, warum sein Land so viel für Rüstung ausgebe, geantwortet: "Weil die Türkei unser Nachbar ist und nicht Dänemark."

Athen plant unter anderem, 18 französische Kampfflieger des Typs Rafale zu kaufen - kommende Woche wird zur Unterzeichnung des Vertrags die französische Verteidigungsministerin Florence Parly in der griechischen Hauptstadt erwartet. Darüber hinaus sollen vier neue Fregatten sowie Munition und anderes Zubehör gekauft werden. Griechenland hat selbst während der schweren Finanzkrise an hohen Rüstungsausgaben festgehalten. 2019 lag Athen im Vergleich mit anderen Nato-Partnern bei den Ausgaben im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt mit 2,3 Prozent auf Platz drei hinter den USA und Bulgarien.

Der türkische Präsident Recep Erdogan kündigte derweil bei einer Siegesparade in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku an, dass beide Staaten „künftig noch an vielen anderen Fronten“ kämpfen würden. „Der Kampf im politischen und militärischen Bereich wird von jetzt an an vielen anderen Fronten fortgesetzt werden“, zitiert ihn der EUObserver.

Erdogans Gedicht löst diplomatische Krise mit dem Iran aus

Ein vom türkischen Präsidenten bei eben jener Siegesparade vorgetragenes Gedicht hat eine diplomatische Krise zwischen dem Iran und der Türkei ausgelöst. In dem Gedicht "Aras, Aras" wird auf die Teilung des Siedlungsgebietes der Aseris entlang des Flusses Aras Bezug genommen, der heute die iranisch-aserbaidschanische Grenze bildet. Der Iran sah in Erdogans Vortrag einen Angriff auf seine Souveränitätsrechte über seine Nordprovinzen. In einem Krisentelefonat räumten die Außenminister beider Staaten nach iranischen Angaben am Samstagabend die Differenzen aus.

Die Nordgrenze des Irans wurde nach der Niederlage Persiens gegen Russland 1828 im Frieden von Turkmantschai festgelegt. Sie verläuft entlang des Flusses Aras und durchschneidet das Siedlungsgebiet des Turkvolkes der Aseris. Das Gebiet nördlich des Flusses wurde damals Russland zugesprochen und gehört heute zu Aserbaidschan, das von der Türkei jüngst im Krieg gegen Armenien um Berg Karabach unterstützt wurde. Das Gebiet südlich des Aras gehört zum Iran.

Erdogan hatte bei der aserbaidschanischen Siegesparade nach dem Krieg um Berg Karabach am Donnerstag in Baku aus dem Gedicht zitiert. Aus Protest dagegen bestellte das iranische Außenministerium am Freitag den türkischen Botschafter ein. Die Türkei reagierte mit den Einbestellung des iranischen Botschafter wegen Beleidigung Erdogans.

"Wusste er (Erdogan) denn nicht, dass er mit diesem Gedicht die Souveränität des Irans infrage stellt", fragte Irans Außenminister Mohammed Dschawad Sarif. "Keiner" dürfe so über die iranischen Provinzen Ost- und West-Aserbaidschan und Ardabil sprechen, die "eine iranische Festung und ein unzertrennlicher Teil des Landes" seien.

Erdogans Sprecher Fahrettin Altun warf dem Iran am Samstag eine verzerrende Darstellung vor und erklärte: "Wir verurteilen die aggressiven Bemerkungen zu unserem Präsidenten und unserem Land unter dem Vorwand eines Gedichtes." Am Samstagabend telefonierten dann die Außenminister Mohammed Dschawad Sarif und Mevlüt Cavusoglu miteinander. Dabei wurden laut der iranischen Nachrichtenagentur IRNA die Differenzen ausgeräumt. Laut IRNA sagte Cavusoglu, dass Erdogan die territoriale Integrität des Irans achte und ihm nicht bewusst gewesen sei, wie das Gedicht im Iran aufgenommen werden könne.

Im Iran leben mehr als elf Millionen Aseris in den Provinzen Ost- und West-Aserbaidschan, Ardabil im Nordosten des Landes sowie Sandschan, Hamedan und Ghaswin in West- und Zentraliran. Neben persisch sprechen sie Aseri, das der türkischen Sprache ähnlich ist. Viele Aseris im Iran betreiben Geschäfte, darunter die meisten Supermärkte im Land. Ernsthafte Diskussionen über einen Anschluss der Aseri-Provinzen an die Republik Aserbaidschan gibt es nicht.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Technologie
Technologie Digitalisierung: Was Deutschland von Estland lernen sollte
24.11.2025

Deutschland steckt im digitalen Stau: Ämter arbeiten auf Papier, Gründer warten wochenlang, Unternehmen verlieren Zeit und Geld. Estland...

DWN
Politik
Politik Deutschland investiert am meisten in Soziales – IW-Studie zeigt EU-Spitzenplatz
24.11.2025

Deutschland führt europaweit bei den Sozialausgaben: Laut einer aktuellen Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft fließen...

DWN
Panorama
Panorama Artenschutz-Gipfel eröffnet: 185 Staaten verhandeln über das Überleben bedrohter Arten
24.11.2025

In Usbekistan hat eine internationale Artenschutzkonferenz begonnen, bei der Vertreter aus 185 Staaten über strengere Regeln für den...

DWN
Politik
Politik US-Sanktionen: Warum Russlands Schattenflotte außer Kontrolle gerät
24.11.2025

Der Druck aus Washington entfaltet weltweit Wirkung, weil Russlands Ölexporte unter den US-Sanktionen einbrechen und zugleich der...

DWN
Finanzen
Finanzen Hensoldt-Aktie: Möglicher Ukraine-Frieden belastet Aktienkurs – wo ist der Boden?
24.11.2025

Die Hensoldt-Aktie ist zum Handelsauftakt der neuen Börsenwoche weiter unter Druck geraten. Im Ringen um einen Friedensplan für ein Ende...

DWN
Finanzen
Finanzen Rheinmetall-Aktie bleibt unter Druck: Rüstungskonzern mit vielen Unsicherheiten – was das längerfristig für Anleger bedeutet
24.11.2025

Die Rheinmetall-Aktie rutscht zum Wochenauftakt im frühen Börsenhandel weiter ab. Der Rüstungskonzern plant in Hamburg ein...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Keine Lust aufs Lernen: Beschäftigte wenden sich Weiterbildungen ab
24.11.2025

Immer weniger Beschäftigte in Deutschland planen, sich beruflich weiterzubilden. Laut einer aktuellen Erhebung der Bertelsmann-Stiftung...

DWN
Politik
Politik Regierungsfrust wächst: Umfrage zeigt historischen Tiefstand der Zufriedenheit
24.11.2025

Die Zustimmung zur Arbeit der Bundesregierung ist laut einer aktuellen Insa-Erhebung so niedrig wie noch nie. Nur 22 Prozent der Befragten...