Die Ludwig-Maximilians-Universität München hatte mit dem Kommunikationswissenschaftler Thomas Hanitzsch in Bezug auf die Pandemie-Berichterstattung ein Interview geführt. In dem Interview kritisiert der Wissenschaftler „eine auffällige Konvergenz der Themensetzungen“ durch die Medien.
Auf die Bemerkung, dass Medienwissenschaftler beobachten, wie die bundesdeutschen Journalisten derzeit erstaunlich zahm gegenüber der Politik sind, antwortet er: „Ja, vollkommen richtig. Die Medien sind nicht nur zahm, sie folgen sehr bereitwillig der politischen Rhetorik. Das macht mir schon ein bisschen Bauchschmerzen. Da würde ich mir schon ein paar kritische Nachfragen mehr in den Medien wünschen, ein bisschen mehr kritische Distanz. Natürlich ist die Berichterstattung ereignis- und entscheidungsgetrieben: Politikerinnen und Politiker haben etwas besprochen, etwas entschieden, das kommt dann in den Nachrichten. Aber als nach Ostern zum Beispiel die Abstimmung der Bundesregierung und der Länder anstand, wie es mit dem Lockdown weitergehen soll, da vermittelte die Vorberichterstattung einen Eindruck, als stünde eine Art Länderspiel bevor. Es hat sich sehr vieles auf die Akteure konzentriert und viel zu wenig auf Sachfragen, auf die Beschlüsse an sich, auf die Kriterien und die Rolle der Experten. Es gab eine umfangreiche Berichterstattung über die Stellungnahme der Leopoldina, die Wissenschaftsakademie spielt zwar in diesem ganzen Konzert eine relativ wichtige Rolle, ist aber eben auch nur eine Stimme. Da hätten die Medien die widerstreitenden Stimmen und gegenläufigen Argumentationen transparenter machen können.“
Auf die Frage, was denn im Rahmen der Berichterstattung fehlte, sagte er: „Von Anbeginn an hat mir beispielsweise die Diskussion über soziale Ungleichheiten, die sich im Lockdown verstärken, und die Lage der Familien gefehlt. Es ging um die Rettung von Unternehmen, um große Rettungsschirme, die die Regierung aufspannt. Aber der Blick auf die anderen Facetten des Themas fehlte mir: Was bedeutet es für Arbeitnehmer, wenn gut die Hälfte aller Unternehmen in Kurzarbeit geht? Was für die Familien, die Kinder haben, die nicht in die Schule oder die Kita können? Was ist mit den sozialen Ungleichheiten, die dadurch entstehen, dass die Kinder jetzt zuhause bleiben müssen und eben nicht alle Familien gleich gut mit den Coronafolgen zurechtkommen? Das alles ist so ein bisschen unter die Räder geraten. Ich hätte mir da von den Journalistinnen und Journalisten mehr kritische Kontrolle gewünscht, wo doch der Journalismus ein Korrektiv der Politik sein sollte. Stattdessen haben die Medien sehr stark im Gleichklang mit der Politik agiert.“
Eine Antwort könnte vielleicht gefunden werden, wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel Auskünfte über ihre mutmaßlichen „Geheimgespräche“ mit Journalisten gibt. Das Verwaltungsgericht Berlin teilt am 16. November 2020 mit: „Das Bundeskanzleramt ist nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin verpflichtet, einem Pressevertreter Auskunft über sogenannte Hintergrundgespräche zu geben Der Kläger, Journalist einer Tageszeitung, begehrt vom Bundeskanzleramt Auskunft darüber, welche Hintergrundgespräche unter Beteiligung des Bundeskanzleramts im Jahr 2016 stattgefunden haben. Hintergrundgespräche sind solche zwischen Vertretern dieses Amtes und Journalist“. Wenn identifiziert werden könnte, welche Journalisten sich im Jahr 2016 zu „Geheimgesprächen“ mit der Kanzlerin getroffen haben, ließe sich vielleicht eine strukturelle Methode erkennen, aus der man Rückschlüsse auf die aktuelle unkritische Berichterstattung im Land ziehen könnte. Die Bundeskanzlerin ist dem Urteil vom 16. November 2020 noch nicht gefolgt. Geklagt hatte die Zeitung „Der Tagesspiegel“, die sich in einem Artikel zum Urteilsspruch äußert. Der Tagesspiegel hatte bereits im Jahr 2017 getitelt: „Geheimgespräche mit Journalisten - Regierung will ,eigene politische Vorstellungen verwirklichen‘.“
„Forschung & Lehre“ berichtet: „Die Berichterstattung in Sondersendungen zur Corona-Pandemie bediente sich teilweise erzählerischen Inszenierungen, die eher in Hollywood-Blockbustern als in Dokumentationen üblich sind. Zu diesem Schluss kommen die beiden Kulturwissenschaftler Dr. Dennis Gräf und Dr. Martin Hennig von der Universität Passau in ihrer jüngsten Studie. Anhand der Sendungen ,ARD Extra – Die Coronalage‘ und ,ZDF Spezial‘ haben die Forscher darin die mediale Konstruktion der Lage Deutschlands in der Corona-Krise wissenschaftlich analysiert, teilte die Uni Passau mit. Die Sendungen enthielten teilweise Fiktionalisierungsstrategien, die auf "die Bildwelten apokalyptischer Endzeiterzählungen verweisen", schlossen die Forscher. Das seien beispielsweise Bilder von verwaisten Orten und Geschäften oder das ,aus Virenthrillern gespeiste Motiv des zeitlichen Wettlaufs um die Entwicklung eines Impfstoffes‘, die für Dokumentationen eher unüblich seien. Die Inszenierungen der durch die Krise hervorgerufenen Probleme durch krisenhafte Bildsprache hätten diese "im Zusammenspiel zu einer vollständig negativen Weltsicht übersteigert.“
Die „Bayerische Staatszeitung“ bemerkte im Gespräch mit dem Medienwissenschaftler Michael Meyen: „Kritiker werfen Ihnen vor, sich beim Thema Corona nicht auf Medienkritik zu beschränken, sondern ins Verschwörerische abzudriften“. Daraufhin antwortete Meyen: „Sie spielen auf den SZ-Artikel vom Mai an. Das ist ein schönes Beispiel dafür, wie Kritiker delegitimiert werden. Man reißt Zitate aus dem Zusammenhang und verdreht sie, man schreibt etwas von ,fragwürdigen Thesen‘ und wirft mir vor, einem ,Verschwörungstheoretiker‘ Interviews gegeben zu haben. Das erinnert an die sogenannte Kontaktschuld (HIER). Ich habe auf Unterlassung geklagt und in zwei Instanzen verloren. Für meine Reputation ist das nicht gut, an meinem Standpunkt hat das aber nichts geändert. Wir dürfen niemanden ausschließen. Das Gespräch ist die Seele der Demokratie.“
Der Medienwissenschaftler Klaus Meier hatte im Gespräch mit „Deutschlandfunk Nova“ gesagt, dass die Medien im Verlauf der Pandemie die Meinungen von Politikern und Virologen abbildeten, während „Forschende aus anderen Wissenschaften“ selten zu Wort kamen.
Medienwissenschaftlern zufolge hat sich in der Bevölkerung der Eindruck verfestigt, dass ein Teil der Medien den Auftrag habe, die Verfehlungen der Bundesregierung im Verlauf der Corona-Krise zu vertuschen. Verfassungsrechtler hatten sich ebenfalls kritisch zu Wort gemeldet, doch die verfassungsrechtliche Kritik an den Corona-Maßnahmen wurde schnell heruntergespielt und unterdrückt. Besonders fraglich ist aus der rechtlichen Perspektive, dass die Bundesregierung bei einer Reihe von Corona-Maßnahmen den Bundestag umgeht.
„Im Verfassungsrecht gilt der so genannte Wesentlichkeitsgrundsatz. Das heißt, dass alle Entscheidungen, die von wesentlicher Bedeutung für das Gemeinwesen sind, vom parlamentarischen Gesetzgeber selbst geregelt werden müssen. Seit März wird eine Corona Verordnung nach der anderen ohne Beteiligung des Parlaments erlassen. Dass die Einschränkungen für die Bevölkerung von wesentlicher Bedeutung sind, ist offenkundig. Die Regierung beruft sich darauf, dass sie nach den Vorschriften der §§ 28-32 IfSG dazu berechtigt wäre, ohne dass Parlament zu entscheiden. Diese Vorschriften geben eine solche Ermächtigung aber schlicht nicht her. Die Regelungen sind nach dem Wortlaut nur an ,Kranke, Krankheitsverdächtige und/oder, Ansteckungsverdächtige' gerichtet, und nur dann dürfen nach § 28 Abs. 1 S. 2 IfSG etwa ,Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen' beschränkt oder verboten werden. Die Corona-Verordnungen nehmen aber Millionen von Betroffenen in Anspruch, die weder krank noch krankverdächtig sind (es sei denn das unterstellt man jedem). Rechtlich sind das so genannte ,Nicht-Störer‘“, so die Rechtsanwaltskanzlei Greier.
Der Vizepräsident des Deutschen Bundestages, Wolfgang Kubicki (FDP) sagte in einem Interview mit den Deutschen Wirtschaftsnachrichten: „Ich halte die Maßnahmen in Teilen für rechtswidrig. Die jüngsten Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte in Niedersachsen und im Saarland, die am selben Tag beziehungsweise einen Tag nach der Runde der Regierungs-Chefs ergangen sind, weisen in diese Richtung. In beiden Fällen wurde die Sperrstunde ab 23 Uhr als rechtswidrig moniert und aufgehoben. Wenn aber bereits die Sperrstunde infektionsrechtlich nicht begründet werden kann, dann kann die komplette Sperrung der Gastronomie-Betriebe noch weniger begründet werden. Ich gehe davon aus, dass eine Reihe von obergerichtlichen Entscheidungen dieses Maßnahmenpaket perforieren wird. Das ist übrigens das Risiko, das die Regierungen hier selbst eingegangen sind. Mit einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage, die durch die Parlamente geschaffen wird, wäre das Risiko der Verfassungswidrigkeit deutlich geringer als mit einer Verordnung durch die Exekutive.“
„Der Mainzer Staatsrechtler Friedhelm Hufen hält die von den Regierungschefs von Bund und Ländern verabredeten harten Anti-Corona-Maßnahmen für klar verfassungswidrig. Die flächendeckende Schließung der Gastronomie sowie von Hotels und Kultureinrichtungen werde wahrscheinlich von Gerichten schnell wieder gekippt, sagte er in einem Interview mit den Zeitungen der Verlagsgruppe Rhein-Main (Freitag), das als Video vorab im Internet veröffentlicht wurde. Statt ganze Branchen zum Stillstand zu bringen, müsse die Kontrolle von Verstößen im privaten Bereich verstärkt werden“, so die Nachrichtenagentur epd wörtlich.
Aus der Webseite der Kanzlei „etl Rechtsanwälte“ geht hervor, dass die deutschen Gerichte bisher 350 Gerichtsentscheidungen zum Corona-Virus gefällt haben. Mehrere Rechtsanwaltskanzleien berichteten bereits zu Beginn der Corona-Pandemie, dass die Maßnahmen „verfassungswidrig und nichtig“ waren. Die „Anwaltskanzlei Gall“ wörtlich: „Shut-Down und Kontaktverbote sind vor allem durch Rechtsverordnungen der Landesregierungen auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes angeordnet worden. Sie sind gegen die gesamte Bevölkerung gerichtet und haben eine weitreichende Aufhebung des grundrechtlichen Schutzes des Grundgesetzes zur Folge. Als verfassungsrechtlich rechtswidrige staatliche Maßnahmen sind diese Rechtsverordnungen jedoch nichtig und entfalten keine rechtliche Wirksamkeit.“
+++Dieser Artikel wurde erstmals am 17. Januar 2021 veröffentlicht+++