Politik

Wer die Menschen vor QAnon schützen will, muss sie vor der wirtschaftlichen Verzweiflung schützen

Im Gespräch mit den Deutschen Wirtschaftsnachrichten führt Kate Bitz vom Western States Center aus, was gegen QAnon-Gläubige getan werden kann. Sie erwähnt auch die wirtschaftliche Komponente, die eine Rolle beim Aufstieg von QAnon spielt.
17.01.2021 11:23
Aktualisiert: 17.01.2021 11:23
Lesezeit: 2 min
Wer die Menschen vor QAnon schützen will, muss sie vor der wirtschaftlichen Verzweiflung schützen
02.08.2018, USA, Pennsylvania, Wilkes-Barre: David Reinert hält ein «Q» hoch und wartet auf den Einlass zu einer Wahlkampfveranstaltung der Republikaner, bei der auch US-Präsident Trump spricht. (Foto: dpa)

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Es gibt eine Gruppe namens „QAnon“. Was für eine Gruppe ist das?

Kate Bitz: Es handelt sich weniger um eine Gruppe als vielmehr um eine Verschwörungstheorie, die behauptet, dass ein Großteil der Welt von kannibalistischen Pädophilen kontrolliert wird, die einen globalen Ring für den Sexhandel mit Kindern betreiben. QAnon behauptet, Präsident Trump kämpfe gegen diese sogenannte Kabale, während diese Leute gegen Trump konspirieren. In diesem Rahmen wird behauptet, dass Trump ein Held der Verbrechensbekämpfung sei. „Q“ ist eine oder mehrere Personen, die vorgeben, ein Insider der Geheimdienste zu sein, und kryptische Updates auf einem obskuren Imageboard veröffentlichen, damit Follower versuchen können, sie zu entschlüsseln. So lächerlich diese Behauptungen auch sind: Einige der Ideen hinter QAnon sind ziemlich alt, und tief in antisemitischen Verschwörungstheorien, anti-muslimischen Verschwörungstheorien und anderen Formen der Bigotterie verankert. Jeder, der bereits zu einem gewissen Grad an diese bigotten Ideen glaubt, kann davon überzeugt werden, dass QAnon real ist.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Wie beurteilen Sie die von dieser Gruppe ausgehende Gefahr?

Kate Bitz: Die Reichweite von QAnon hat sich im Jahr 2020 erheblich erweitert indem Menschen angezogen wurden, die von Verschwörungstheorien beeinflusst sind, die in Verbindung mit der Pandemie stehen. QAnon nutzt die wirtschaftliche und soziale Unsicherheit aus und manipuliert die verständliche Wut und Angst der Menschen, um sie in ein schädliches Glaubenssystem zu ziehen und als Vektor für Bigotterie zu fungieren. Die extreme Natur der QAnon-Überzeugungen kann sicherlich einzelne Gewaltakte motivieren, und QAnon-Symbole und -Slogans waren bei den Unruhen am 6. Januar im US-Kapitol sichtbar. Aber es ist natürlich sehr schwer vorherzusagen, was in Zukunft von einem so diffusen Netzwerk von Gläubigen kommen könnte.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Ist „Querdenken“ der deutsche Ableger von „QAnon“?

Kate Bitz: Nein. „Querdenken“ ist meines Erachtens eine Mischung aus verschiedenen Bewegungen, die alle im deutschen Kulturkontext entstanden sind. Deutsche QAnon-Gläubige tauchen zwar bei Querdenken-Veranstaltungen auf, aber es ist nicht der deutsche Ableger von QAnon. Die Verbreitung von QAnon in Deutschland ist jedoch ein Beispiel dafür, dass es ein transnationales rechtsextremes Gedankengut gibt, das zunehmend gemeinsame Erzählungen und Überzeugungen hat. Die Vermischung von QAnon und Querdenken ist ein Beispiel für diese Dynamik.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Was kann getan werden, um die von dieser Gruppe ausgehende Gefahr zu verhindern?

Kate Bitz: Bei „Western States Center“ unterstützen wir zivilgesellschaftliche Akteure dabei, gegen white nationalism und Verschwörungstheorien in ihren Gemeinden und Subkulturen vorzugehen. Als ich zum Beispiel feststellte, dass QAnon mit Gruppen, die gegen sehr realen Kindesmissbrauch in meiner Stadt arbeiten, an Einfluss gewinnen wollte, habe ich mich an diese Organisatoren gewandt und sie gewarnt, dass QAnon tatsächlich eine gefährliche Verschwörungstheorie ist. Aber es ist schwer, diese Ideen loszuwerden, wenn sie erst einmal greifen.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Welche Konsequenzen könnten sich ergeben, wenn es bald zu einem massiven wirtschaftlichen Einbruch kommt? Würde „QAnon“ stärker werden?

Kate Bitz: Unabhängig davon, was als nächstes mit der Wirtschaft passiert, setzen Verschwörungstheorien wie QAnon für die kommenden Jahre Extremismus und politische Gewalt in Gang. Amtsträger von der Bundes- bis zur Gemeindeebene und alle, die den Autoritarismus ablehnen, müssen konzertierte Anstrengungen unternehmen, um die Demokratie zu schützen und Blutvergießen zu verhindern. Und wenn die wirtschaftlichen Störungen anhalten, besteht die reale Möglichkeit, dass diese Verschwörungsgruppen die mit diesen Problemen verbundenen Ängste weiterhin ausnutzen und stärker werden. Viele Menschen in den USA befinden sich derzeit in einer schrecklichen Situation. Seit diesem Monat war fast ein Drittel der Menschen in meiner Stadt bei ihren Stromrechnungen im Rückstand. Zivilgesellschaft und Regierung müssen zusammenarbeiten, um die Menschen vor wirtschaftlicher Verzweiflung zu schützen, Gewalt zu verurteilen und das Vertrauen in unsere Demokratie wiederherzustellen, wenn wir verhindern wollen, dass realitätsferne Ideen wie QAnon greifen.

Kate Bitz ist Programm-Managerin und Organisatorin am Western States Center/USA

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Thyssenkrupp-Umbau betrifft Tausende – Betriebsräte fordern Klarheit
01.07.2025

Angesichts weitreichender Umbaupläne bei Thyssenkrupp fordern die Beschäftigten klare Zusagen zur Zukunftssicherung. Betriebsräte pochen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Neues Werk für NATO-Kampfjet: Rheinmetall startet Produktion in NRW
01.07.2025

Der Rüstungskonzern Rheinmetall hat in Weeze (Nordrhein-Westfalen) eine hochmoderne Fertigungsanlage für Bauteile des Tarnkappenbombers...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Investitionsstau: Kaputte Straßen, marode Schulen – Kommunen am Limit
01.07.2025

Viele Städte und Gemeinden stehen finanziell mit dem Rücken zur Wand: Allein die Instandhaltung von Straßen, Schulen und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Alt gegen Jung: Wie die Generation Z das Arbeitsleben umkrempelt – und was zu tun ist
01.07.2025

Alt gegen Jung – und keiner will nachgeben? Die Generationen Z und Babyboomer prallen aufeinander. Doch hinter den Vorurteilen liegen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Arbeitsmarkt ohne Erholung im Juni: Warten auf den Aufschwung
01.07.2025

Die erhoffte Belebung des Arbeitsmarkts bleibt auch im Sommer aus: Im Juni ist die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland nur minimal um...

DWN
Politik
Politik Schlachtfeld der Zukunft: Die Ukraine schickt ihre Kampfroboter ins Gefecht
01.07.2025

Die Ukraine setzt erstmals schwere Kampfroboter an der Front ein. Während Kiew auf automatisierte Kriegsführung setzt, treiben auch...

DWN
Immobilien
Immobilien Wohnen bleibt Luxus: Immobilienpreise steigen weiter deutlich
01.07.2025

Die Preise für Wohnimmobilien in Deutschland sind erneut gestiegen. Laut dem Statistischen Bundesamt lagen die Kaufpreise für Häuser und...

DWN
Politik
Politik Trump und Musk im Schlagabtausch: Streit um Steuerpläne und neue Partei eskaliert
01.07.2025

Die Auseinandersetzung zwischen US-Präsident Donald Trump und dem Tech-Milliardär Elon Musk geht in die nächste Runde. Am Montag und in...