Politik

„Fortsetzung der Ära Merkel ohne Merkel“: Internationale Pressestimmen zur Wahl Laschets

Ein roter Faden zieht sich durch viele Berichterstattungen zur Wahl Armin Laschets als CDU-Vorsitzender – er stehe für die Fortsetzung der Politik Angela Merkels, so die Kommentatoren.
18.01.2021 10:59
Lesezeit: 5 min

Der Finanzdienstleister Solvecon kommentiert:

Die Wahl des Vorsitzenden der CDU hat eine tragende Bedeutung hinsichtlich der politischen Rolle der CDU für Deutschland und auch für Europa. Am Samstag setzte sich Armin Laschet gegen Friedrich Merz durch. Die CDU-Basis bewegt sich mit dieser Entscheidung aus meiner Sichtweise grundsätzlich weiter auf dem von Kanzlerin Merkel eingeschlagenem Kurs. Situative Politikgestaltung und stärker verwaltende, denn gestaltende Ausrichtung steht damit voraussichtlich auf der Agenda.

Wir bewegen uns in Zeiten größter Umbrüche seit Beginn der 50er Jahre. Da bedarf es stark gestaltender und mutiger politischer Kräfte, um eigene Interessen zu verteidigen und auszubauen (z.B. außenpolitische Emanzipation), um Strukturen zu schaffen (u.a. Europa, Verteidigung, Bildung, aktive Industriepolitik), die den Ansprüchen der Zukunft gerecht werden. Das erfordert proaktive Politik, die der französische Präsident Macron (z.B. Europa) lebt.

Politik, die maßgeblich nur reagiert, die in den kleinen politischen Themen laut ist, aber in den großen Themen leise, wird nicht helfen. Wir wünschen Herrn Laschet viel Erfolg.

Deutschland wünschen wir eine angemessene Infrastruktur und massive Bildungsoffensive. Wir wünschen Deutschland ein konkurrenzfähiges Steuersystem und konkurrenzfähige Energiepreise im internationalen Vergleich (nicht gegeben), um Beschäftigung und Zukunft des Standorts zu gewährleisten. Wir wünschen Kontinentaleuropa mehr Einigkeit und Eigenständigkeit im Sinne von Souveränität.

Die polnische Wirtschaftszeitung Dziennik kommentiert:

„Armin Laschet ist Vorsitzender der CDU geworden. Diese Wahl bedeutet eine Fortführung der Linie von Angela Merkel. Aber es ist noch nicht klar, wer Kanzlerkandidat der Union wird. Laschet wäre eine natürliche Wahl, aber eine starke Position in diesem Rennen hat auch Markus Söder, der Chef der bayerischen CSU, der zuletzt sein persönliches Profil und seine Popularität im Kampf mit der Pandemie ausgebaut hat. In der Vergangenheit ist es schon vorgekommen, dass ein Politiker der CSU, und nicht der größeren CDU, für die Union ins Rennen um das Kanzleramt ging.

Schließlich kann man auch nicht ausschließen, dass Gesundheitsminister Jens Spahn Kanzlerkandidat wird. Die endgültige Entscheidung darüber soll Ende März oder Anfang April fallen. Dann werden auch regionale Wahlergebnisse vorliegen. Und man wird besser einschätzen können, wie unser Nachbarland mit der Pandemie zurechtkommt, was sich unmittelbar auf die Popularität von Spahn auswirken wird.“

Die tschechische Zeitung Lidove noviny kommentiert:

„Charakteristisch für die Ära Merkel sind große Koalitionen, die es bis dahin nur ausnahmsweise gab. Wird diese Linie fortgeführt, wenn Angela Merkel nicht mehr Bundeskanzlerin sein wird? Sicherlich haben die großen Koalitionen Deutschland besser durch verschiedene Erschütterungen wie die Finanz-, Migrations- und Corona-Krise geführt als andere Regierungen in anderen Ländern. Doch zugleich haben sie scharfe Debatten verhindert und die Opposition an den Rand gedrängt. Wenn Friedrich Merz den Kampf um die CDU-Spitze gewonnen hätte, dann hätte er diesen Trend unterbrechen und die Christdemokraten zum Erbe Helmut Kohls zurückführen können. Der Sieger und neue Parteivorsitzende Armin Laschet verkörpert indes eher eine Fortsetzung des "Merkelismus" ohne Merkel, also ein Festhalten am Status quo.“

Die britische Financial Times kommentiert:

„Die CDU und Deutschland - und tatsächlich auch Europa - sind besser dran ohne Merz als Anführer. Seine wirtschaftlichen und sozialen Ansichten stammen aus einer anderen Ära. Obwohl er weitgehend pro-europäisch ist, hätte eine von Merz geführte Wahlkampagne, bei der strenge fiskalische und geldpolitische Ansichten entfaltet würden, um Wähler der euroskeptischen nationalistischen AfD zurückzugewinnen, nichts Gutes bedeutet.

Der frankophile Laschet könnte Merkels vorsichtigen pro-europäischen Kurs fortsetzen und möglicherweise die angespannten französisch-deutschen Beziehungen wiederbeleben. Doch zuerst muss Laschet sich das Vertrauen seiner Partei und des Landes verdienen. Er hat am Samstag eine unbequeme Wahrheit ausgesprochen: Viele Deutsche fühlen sich vor allem zu Angela Merkel und erst danach zur CDU hingezogen. Ohne sie sind der Erfolg der Partei und sein Erfolg keineswegs sicher.“

Die Schweizer Neue Zürcher Zeitung kommentiert:

„Mit Laschet bekam die AfD ihren Lieblingsgegner. Seine Wahl könnte sich als Aufforstungsprogramm für die rechte Opposition erweisen, die ihn als blauäugige Fortsetzung der Merkelschen Politik zeichnen wird. (...) Der neue Vorsitzende muss ein tiefsitzendes Misstrauen aus dem Weg räumen. Ein Politiker, dem mehrheitlich keine höheren Weihen zugetraut werden, ist keineswegs der natürliche Kanzlerkandidat. Kann Laschet die programmatischen Lücken einer zeitgeistig gewendeten CDU schliessen? Hat er ein Angebot für die Konservativen im Köcher? Er wäre klug beraten, die konservative Kernklientel, anders als Angela Merkel, nicht dauerhaft zu vergrätzen. Klar ist seit dieser Krönungszeremonie: Niemand sollte den Machtwillen Armin Laschets unterschätzen.“

Die Wirtschaftszeitung Hospodarske noviny aus Tschechien kommentiert:

„Mit dieser Wahl haben die deutschen Christdemokraten bewiesen, dass sie sich nicht von der aktuellen politischen Mode haben anstecken lassen, den lautstärksten Bewerber zu wählen, nur um sich damit in einer immer stärker polarisierten Welt Gehör zu verschaffen. Diese eskalierende Spaltung der Gesellschaft hat in vielen Staaten die Bekämpfung der Corona-Pandemie und der tiefen wirtschaftlichen Krise behindert. Daher ist die Fähigkeit, Brücken zu bauen, in diesen Zeiten die wichtigste Eigenschaft eines politischen Anführers. Wie das in der Praxis funktionieren wird, können wir von Mittwoch an in den Vereinigten Staaten beobachten. Dort tritt (mit Joe Biden) ein neuer Präsident sein Amt an, der im Laufe seiner Karriere die Gräben eher zugeschüttet als vertieft hat.“

Die dänische Tageszeitung Jyllands-Posten kommentiert:

„Angela Merkel tritt bald nach 16 Jahren als Bundeskanzlerin ab, aber mit der Wahl von Armin Laschet zum neuen CDU-Vorsitzenden wird sie ihre Partei gelassen von der Seitenlinie verfolgen können. Die deutsche Politik wird weiter von der Mitte aus gesteuert werden, Europa wird immer noch sehr großgeschrieben, der Ton gedämpft sein. Keine zu scharfen Kanten und gar keine Polarisierung. Konsens ist König. Laschet ist natürlich er selbst, etwas jünger, aber in Stil, Erscheinungsbild und politischer Weltanschauung ist er eine Art Klon von Merkel. "Keine Experimente" ist weiter topmodern in der deutschen Politik. Wenn Angela Merkel das Gegenbild von Donald Trump ist, dann ist es Laschet ebenso. Deutschland wird voraussagbar und vertrauenswürdig sein.“

Die Budapester Tageszeitung Magyar Nemzet kommentiert:

„Die jeweilige Berliner Staatsführung ist sich über die Rolle Deutschlands in Europa im Klaren. Sie weiß, dass das, was für Europa gut ist, für Deutschland gut ist. (...) Man hat es dort mit Großmeistern der Kompromisssuche zu tun, den Ausbau pragmatischer Beziehungen hält man dort hoch in Ehren, sei es in Bezug auf die USA, China, Russland oder Ungarn. (...) Mit Laschet dürfte in Deutschland eine Merkel-Ära ohne Merkel kommen, zusammen mit deren kühlem Pragmatismus, Berechenbarkeit und Unaufgeregtheit. Von Ungarn aus besehen hätte es auch schlechter kommen können. Die minimalen Windstöße in den bilateralen Beziehungen wuchsen sich nie zu tobenden Stürmen aus, weil dies in niemandes Interesse lag. Nicht einmal in dem der (wegen ihres Umgangs mit der Flüchtlingskrise 2015) viel gescholtenen Angela Merkel.“

Die Moskauer Zeitung Kommersant kommentiert:

„Der neue Parteivorsitzende wird als energischer, positiver und lächelnder Mensch charakterisiert. (...) Aber diese ganzen positiven Eigenschaften garantieren Herrn Laschet überhaupt nicht den direkten Weg zum Sitz des Kanzlers. Diesmal gibt es mindestens einen starken Konkurrenten - Bayerns charismatischen, harten und ambitionierten Ministerpräsidenten Markus Söder. (...)

Für Moskau ist die Wahl Laschets im Vergleich zu den beiden anderen Kandidaten die beste überhaupt. Nicht nur, weil mehr als 1000 Unternehmen seines Bundeslandes wirtschaftliche Verbindungen mit Russland haben.

Armin Laschet hat sich vor allem nicht nur einmal für die Notwendigkeit eines Dialogs mit Russland ausgesprochen. Das unterscheidet ihn von Norbert Röttgen, der ein scharfer Kritiker der russischen Politik ist, und von Herrn Merz, der der transatlantischen Zusammenarbeit den Vorrang gibt.“

Die niederländische Zeitung «de Volkskrant kommentiert:

„Ob Laschet auch Kanzlerkandidat wird, hängt unter anderem von der Entwicklung der Corona-Pandemie, den Ergebnissen seiner Partei bei den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg sowie davon ab, wie viel Lärm die benachteiligten Partei-Konservativen in den kommenden Wochen veranstalten. Und von den Ambitionen seiner Konkurrenten. (...)

Doch es ist auch gut denkbar, dass Laschet nach dem bislang größten politischen Sieg seines Lebens das Podium nicht einfach so anderen überlässt. Darauf deutet die Geste vom Samstag in Richtung seines Rivalen Friedrich Merz hin, dem er eine wichtige Position versprach. Denn Laschet weiß, dass er die größte Chance hat, regieren zu können, wenn er den konservativen Flügel integriert.“

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