Unternehmen

Deutsche Biotechs: Spektakuläre Erfolge von Biontech und Curevac drohen zur Eintagsfliege zu verkommen

„Wir sind mächtig stolz, auch als Bundesregierung, dass wir solche Forscher in unserem Land haben.“ Das hat Bundeskanzlerin Angela Merkel über die Gründer des Mainzer Unternehmens Biontech gesagt, das einen Impfstoff gegen COVID19 entwickelt hat. Das hört sich zwar schön an. Doch klagt die Biotech-Branche in Deutschland grundsätzlich darüber, dass sie zu wenig unterstützt wird.
19.01.2021 17:21
Aktualisiert: 19.01.2021 17:21
Lesezeit: 3 min
Deutsche Biotechs: Spektakuläre Erfolge von Biontech und Curevac drohen zur Eintagsfliege zu verkommen
Die Zentrale von Biontech in Mainz. (Foto: dpa) Foto: Arne Dedert

„Die Biotechnologieindustrie hat im vergangenen Jahr gezeigt, wie wichtig sie für unsere Gesundheit ist, sei es durch diagnostische Tests, den ersten zugelassenen Corona-Impfstoff oder vielversprechende Therapie-Kandidaten“, erklärte Oliver Schacht, der Vorstandsvorsitzender des Fachverbandes BIO Deutschland.

„Es ist großartig, dass wir 2020 auch erstmals eine derart großvolumige Finanzierung unserer Unternehmen sehen. Ich denke, in den letzten Monaten ist deutlich geworden, dass die Investition in Biotechnologie eine Investition in unsere Zukunft ist“, sagte der Funktionär.

Schacht spricht für einen Wirtschaftsverband, der rund 330 Mitglieder hat und damit etwa die Hälfte aller Biotech-Unternehmen in Deutschland repräsentiert. Die Branche ist im Pandemiejahr 2020 in das Bewusstsein der Bevölkerung gerückt, weil mit dem Mainzer Medikamentenentwicklern Biontech aus Mainz und Curevac aus Tübingen deutsche Unternehmen Impfstoffe gegen COVID19 produziert haben.

Die Entwicklung der Impfstoffe war nicht zuletzt der Grund, warum sich die gesamte Biotech-Branche hierzulande gut entwickelt hat – zumindest, wenn man die Statistiken liest: So haben die deutschen Unternehmen im vergangenen Jahr mehr als drei Milliarden Euro an Finanzierung eingesammelt und damit einen neuen Rekord aufgestellt.

Zum Vergleich: Im Vorjahr waren es lediglich 1,3 Milliarden Euro gewesen. Das bedeutet, die Volumina sind im Vergleich zum Vorjahr um 40 Prozent gewachsen – also nahezu explodiert.

Wie aus den aktuellen Statistiken von BIO Deutschland hervorgeht, haben 2020 die beiden Impfstoff-Entwickler Biontech aus Mainz und Curevac aus Tübingen, die Hälfte dieser Mittel auf sich vereinigt.

Doch lassen sich diese Zahlen auch noch anders lesen: 2,1 Milliarden Euro der Gesamtmittel wurden an der US-Tec-Börse Nasdaq eingesammelt. Dazu hat auch wieder zu einem Teil Curevac beigetragen – und zwar mit seinem Initial Public Offering (IPO) Ende August. Den Rest der Volumina steuerte die Biotech-Firma Immatics bei, die dort im Juli ihr Glück versuchte. Dieser Hersteller konzentriert sich auf die Entwicklung von Therapien gegen Krebs.

Corona lässt 60 Prozent der deutschen Biotechs kalt

Entsprechend ist die Stimmung unter den deutschen Firmen: Der Verband berichtet, dass die Unternehmen die aktuelle und zukünftige Geschäftslage weitgehend stabil einschätzen. Allerdings gebe es kaum Veränderung bei den Plänen zur Beschäftigung und Investitionen in Forschung und Entwicklung.

Insgesamt gaben rund 60 Prozent der Unternehmen an, dass ihre Geschäftslage nicht durch die Pandemie beeinflusst sei, 40 Prozent hingegen spüren die Krise. Bei den einen Firmen habe die Krise das Business nach vorne geschoben, während sie bei den anderen Schäden verursacht habe.

Die Aussagen der deutschen Manager zeigen, dass mit der Impfstoff-Entwicklung gegen COVID19 durch Biontech und Curevac Deutschland zwar weltweit medienwirksame Erfolge gelungen ist. Doch gibt es ansonsten kaum Bewegung in der Branche, die international stark hinter den internationalen Giganten Gilead Sciences und Amgen aus Kalifornien sowie Novo Nordisk aus Dänemark hinterherhinkt, deren Marktkapitalisierung im zwei- bis dreistelligen Milliarden-Dollar-Bereich liegen.

Zum Vergleich: Biontech erreicht derzeit 24 Milliarden Dollar, und Curevac liegt bei knapp 18 Milliarden Dollar. Morphosys, das zu den Gründungsmitgliedern von BIO Deutschland gehört, erreicht nicht einmal umgerechnet vier Milliarden Dollar. Die Aktie des Herstellers, der sich auf die Entwicklung von Mitteln zur Behandlung von Krebs konzentriert, ist im MDAX notiert.

Wachstumsaussichten für Biotechs weltweit grundsätzlich gut - auch ohne Pandemie

Grundsätzlich sind die Voraussetzungen für die Biotech-Unternehmen, die Medikamente entwickeln, günstig, auch wenn sich dies für den einzelnen Patienten nicht nett anhört. Denn Schätzungen zufolge wird es im Jahr 2050 zwei Milliarden Menschen auf der Erde geben, die über 60 Jahre alt sind. Damit besteht auch die Gefahr, dass sich die Zahl von Erkrankungen erhöht, die in diesem Alter auftritt. Dazu gehören beispielsweise Krebs oder Alzheimer.

Deswegen rechnet die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) damit, dass sich in den kommenden 30 Jahren die Kosten für das Gesundheitswesen erhöhen. Derzeit liegen sie durchschnittlich bei sechs Prozent am Bruttoinlandsprodukt (BIP), dürften dann aber auf 9,5 Prozent steigen.

Davon wollen natürlich auch die deutschen Biotech-Firmen profitieren, die aber grundsätzlich darüber klagen, dass sie der deutsche Staat zu wenig unterstützt:

„Wir müssen jetzt weiter an Rahmenbedingungen arbeiten, die mehr forschenden Unternehmen ermöglichen, große Finanzierungsrunden zu realisieren. Nur so können wichtige Innovationen wie Impfstoffe, Krebstherapien oder nachhaltige Produkte für unserer Gesellschaft zur Verfügung gestellt werden“, erklärte Schacht, der Chef von BIO Deutschland.

"Wenn wir die Produkte, die deutsche Biotechnologie-Unternehmen entwickeln, auch in Deutschland produzieren und Patientinnen und Patienten zugutekommen lassen wollen, müssen wir bei den Rahmenbedingungen vor allem für Eigenkapital-Investitionen nachbessern," fügte seine Kollegin Viola Bronsema hinzu - die Geschäftsführerin des Verbandes.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

 

 

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis aktuell weiter auf hohem Niveau: Kurs steigt deutlich über 4.100 Dollar – Blick geht zur Fed
25.11.2025

Der Goldpreis zieht weiter an und überschreitet wieder wichtige Marken. Doch hinter dem jüngsten Sprung stehen mehr als nur kurzfristige...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Großprojekt Suedlink: Baubeginn trotz jahrelanger Debatten
25.11.2025

Nach jahrelangen Diskussionen fällt heute im thüringischen Wasungen der offizielle Startschuss für den Bau der Stromautobahn Suedlink,...

DWN
Politik
Politik Putins Risikooffensive: Warum 2027 zum Wendepunkt für Europa werden kann
25.11.2025

Ein zunehmend risikofreudiger Kreml und eine bröckelnde amerikanische Schutzgarantie treffen auf ein Europa, das gefährlich unvorbereitet...

DWN
Politik
Politik G20 in Afrika: Geschlossenheit trotz US-Abwesenheit – Signal für Frieden und Entwicklung
24.11.2025

Beim ersten G20-Gipfel auf afrikanischem Boden bleibt der Platz der USA demonstrativ leer – doch die übrigen Mitglieder setzen ein...

DWN
Panorama
Panorama Abnehmwirkstoff ohne Alzheimer-Erfolg: Novo-Nordisk-Studie enttäuscht Anleger
24.11.2025

Der Pharmakonzern Novo Nordisk hat mit seinem Abnehmmittel Semaglutid in einer Alzheimer-Studie einen Rückschlag erlitten. Die...

DWN
Finanzen
Finanzen Marktrisiko: Weshalb Topinvestoren jetzt Alarm schlagen
24.11.2025

Die jüngsten Kursstürze an den Märkten zeigen, wie angespannt die Lage geworden ist. Während Anleger nervös auf jede Bewegung...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Konjunkturtrübung: Ifo-Index sinkt überraschend – Hoffnungen auf Erholung schwinden
24.11.2025

Die Stimmung in den deutschen Chefetagen hat sich unerwartet eingetrübt: Im November fiel das Ifo-Geschäftsklima auf 88,1 Punkte und...

DWN
Finanzen
Finanzen Bayer-Aktien auf Jahreshoch: Pharma-Erfolg mit dem Gerinnungshemmer Asundexian
24.11.2025

Nach Jahren des Abstiegs erlebt die Bayer-Aktie einen überraschenden Kursschub. Ein neuer Studienerfolg weckt Hoffnung auf...