Politik

„Anker der Stabilität“: Putin und Biden wollen drohendes Ende der atomaren Abrüstung verhindern

Kurz vor dem Auslaufen des New Start-Vertrages zur gegenseitigen Rüstungskontrolle steuern die Vereinigten Staaten und Russland auf eine Verlängerung des Regelwerks zu. Verhandlungen der Trump-Administration mit Russland hatten seinerzeit keinen Erfolg.
22.01.2021 11:00
Aktualisiert: 22.01.2021 11:01
Lesezeit: 2 min
„Anker der Stabilität“: Putin und Biden wollen drohendes Ende der atomaren Abrüstung verhindern
Russlands Präsident Wladimir Putin im Jahr 2004 bei einem Raketentest. (Foto: dpa) Foto: Sergei_Chirikov

Der neue US-Präsident Joe Biden will den letzten großen atomaren Abrüstungsvertrag mit Russland verlängern. Die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, sagte am Donnerstag in Washington, sie könne bestätigen, dass die USA eine Verlängerung der Vereinbarung um fünf Jahre anstrebten. Am Mittwoch - unmittelbar nach Bidens Vereidigung - hatte Russland seinerseits eine Verlängerung um fünf Jahre angeboten. Eine konkrete Einigung haben beide Seiten aber bislang noch nicht verkündet.

Das Pentagon teilte am Donnerstagabend (Ortszeit) mit, Bidens Entscheidung, sich um eine Verlängerung zu bemühen, diene der Verteidigung des Landes. Die Amerikaner seien deutlich sicherer, wenn der Vertrag intakt sei und verlängert werde. Man könne es sich nicht leisten, die darin vorgesehenen Instrumente für Inspektionen und Meldepflichten zu verlieren. Eine Verlängerung bis 2026 gäbe beiden Seiten auch genug Zeit, neue Vereinbarungen zur Rüstungskontrolle zu sondieren, hieß es weiter aus dem US-Verteidigungsministerium.

Der New-Start-Vertrag über die Begrenzung von Atomwaffen wäre in gut zwei Wochen ausgelaufen. Das am 5. Februar 2011 in Kraft getretene Abkommen begrenzt die Nukleararsenale Russlands und der USA auf je 800 Trägersysteme und 1550 einsatzbereite Atomsprengköpfe. Es war für eine Laufzeit von zehn Jahren geschlossen worden und sah die Möglichkeit einer Verlängerung vor.

Die Regierung von Bidens Vorgänger Donald Trump hatte sich mit Moskau in zähen monatelangen Verhandlungen nicht auf eine Verlängerung einigen können. Unmittelbar nach Bidens Vereidigung schlug das russische Außenministerium am Mittwoch eine Verlängerung des Vertrags um fünf Jahre ohne Vorbedingungen vor. Die Verhandlungslinie von Trump sei aggressiv und kontraproduktiv gewesen, hieß es.

Knackpunkt der Gespräche zwischen Moskau und der Trump-Regierung soll US-Medien zufolge das „Einfrieren“ der Zahl aller nuklearer Sprengköpfe beider Länder gewesen sein, auf das die USA bestanden hatten. Der derzeit gültige Vertrag legt nur die Begrenzung der Zahl der einsatzbereiten Atomsprengköpfe fest. Zudem hatte die US-Vorgängerregierung ein multilaterales Abkommen mit Beteiligung Chinas angestrebt. Peking weigert sich bisher aber, über sein wachsendes Atomwaffenarsenal zu verhandeln.

Biden hatte vor seinem Amtsantritt erklärt, dass der Vertrag ein „Anker der strategischen Stabilität“ zwischen den USA und Russland sei und Grundlage für neue Vereinbarungen zur Rüstungskontrolle sein könne. Russland hatte sich früh für eine Verlängerung ausgesprochen und im Falle eines Scheiterns vor einem Wettrüsten gewarnt.

Würde der Vertrag ohne Verlängerung auslaufen, gäbe es erstmals seit Jahrzehnten kein Abkommen mehr, das dem Bestand an strategischen Atomwaffen Grenzen setzt. Russland und die USA besitzen zusammen rund 90 Prozent der weltweiten Atomwaffen.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte am Donnerstag in Brüssel, die Verlängerung des Abkommens könne den Beginn von Bemühungen um eine weitere Stärkung der Rüstungskontrolle markieren. Dabei werde man sich auch Waffensysteme anschauen müssen, die bislang nicht vom New-Start-Vertrag erfasst würden. Zudem müsse China miteinbezogen werden.

Die Gefahr eines auch mit Atomwaffen geführten Krieges galt während der Amtszeit von Trump als deutlich höher als in den vergangen drei Jahrzehnten. Grund war unter anderem das Ende des INF-Vertrags zum Verzicht auf landgestützte atomwaffenfähige Mittelstreckensysteme.

Die USA hatten das Abkommen im Sommer 2019 mit Rückendeckung der Nato-Partner aufgelöst, weil sie davon ausgehen, dass Russland es seit Jahren mit einem Mittelstreckensystem namens 9M729 (Nato-Code: SSC-8) verletzt. Der INF-Vertrag untersagte beiden Seiten Produktion, Tests und Besitz von bodengestützten ballistischen Raketen und Marschflugkörpern mit Reichweiten zwischen 500 und 5500 Kilometern.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen EU-Vermögensregister und Bargeldbeschränkungen: Risiko für Anleger

Das EU-Vermögensregister gehört derzeit zu den größten Risiken für Anleger. Daher ist es wichtig, sich jetzt zu überlegen, wie man...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Zeit statt Geld: Arbeitszeitguthaben in Deutschland auf Rekordniveau
08.07.2025

Immer mehr Arbeitnehmer in Deutschland nutzen Arbeitszeitkonten, um Überstunden flexibel auszugleichen. Laut einer aktuellen Studie des...

DWN
Panorama
Panorama Elterngeld im Ungleichgewicht: Väter oft mit Höchstsatz, Mütter länger in Elternzeit
08.07.2025

Das Elterngeld bleibt ungleich verteilt: Während rund ein Drittel der Väter den Höchstsatz beziehen, nehmen Mütter deutlich häufiger...

DWN
Finanzen
Finanzen Börsencrash, Blase oder Börsenrally? So brisant wird das zweite Halbjahr an den Aktienmärkten
08.07.2025

Zins-Chaos, Trump-Drohungen und eine Blase bei Rüstungsaktien: Drei Top-Strategen warnen vor einem explosiven Börsenhalbjahr – mit...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Exportflaute durch Handelsstreit: Unsicherheit belastet deutsche Firmen
08.07.2025

Trotz einer weiteren Fristverlängerung im Zollkonflikt mit den USA bleibt die Lage für deutsche Exportunternehmen angespannt. Die...

DWN
Politik
Politik Bundestag stimmt über Verfassungsrichter ab – Politische Debatte um Mehrheiten
08.07.2025

Im Bundestag steht eine wichtige Entscheidung an: Drei Kandidatinnen und Kandidaten für das Bundesverfassungsgericht sollen gewählt...

DWN
Technologie
Technologie Wettlauf der Supermächte: Wer gewinnt das Milliarden-Quantenrennen?
08.07.2025

Quantencomputer gelten als Schlüsseltechnologie der Zukunft – und könnten bestehende Sicherheitsstrukturen weltweit aushebeln. Der...

DWN
Politik
Politik Recht auf Schutz: Gericht bestätigt Anspruch afghanischer Familie auf Visa
08.07.2025

Trotz der Einstellung des Bundesaufnahmeprogramms für gefährdete Afghanen hat das Verwaltungsgericht Berlin eine klare Entscheidung...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Urlaub wird teurer: Flugkosten steigen auch bei Billig-Airlines
08.07.2025

Fliegen vom deutschen Flughafen ist deutlich kostspieliger geworden – und das nicht nur bei klassischen Airlines. Auch...