Um sich gegen eine Verengung von Debatten in der Wissenschaft einzusetzen, hat sich ein Netzwerk von rund 70 Wissenschaftlern zusammengeschlossen. Initiiert wurde das «Netzwerk Wissenschaftsfreiheit» unter anderem von der Migrationsforscherin Sandra Kostner von der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd, wie aus einer Mitteilung des Netzwerks hervorgeht. In einem Manifest auf ihrer Homepage schreiben die Mitglieder, sie wollten die «Freiheit von Forschung und Lehre gegen ideologisch motivierte Einschränkungen» verteidigen. Zudem beklagen sie den Versuch, «Forschung und Lehre weltanschaulich zu normieren und politisch zu instrumentalisieren». Wissenschaftliche Debatten würden immer häufiger im Keim erstickt.
In der Liste der Mitglieder finden sich überwiegend Wissenschaftler aus dem deutschsprachigen Raum, darunter etwa auch der Historiker Andreas Rödder oder der Jurist Reinhard Merkel. Das Netzwerk der überwiegend dem konservativen Spektrum zuzuordnenden Forscher möchte künftig eigene Debattenformate organisieren. Dabei sollen sich Wissenschaftler «frei von Sorgen vor moralischer Diskreditierung, sozialer Ausgrenzung oder beruflicher Benachteiligung» äußern können, hieß es.
In dem Manifest, welches auf der Homepage des Netzwerks Wissenschaftsfreiheit zu finden ist, heißt es weiter in Auszügen:
Wir beobachten, dass die verfassungsrechtlich verbürgte Freiheit von Forschung und Lehre zunehmend unter moralischen und politischen Vorbehalt gestellt werden soll. Wir müssen vermehrt Versuche zur Kenntnis nehmen, der Freiheit von Forschung und Lehre wissenschaftsfremde Grenzen schon im Vorfeld der Schranken des geltenden Rechts zu setzen. Einzelne beanspruchen vor dem Hintergrund ihrer Weltanschauung und ihrer politischen Ziele, festlegen zu können, welche Fragestellungen, Themen und Argumente verwerflich sind. Damit wird der Versuch unternommen, Forschung und Lehre weltanschaulich zu normieren und politisch zu instrumentalisieren. Wer nicht mitspielt, muss damit rechnen, diskreditiert zu werden. Auf diese Weise wird ein Konformitätsdruck erzeugt, der immer häufiger dazu führt, wissenschaftliche Debatten im Keim zu ersticken.
Hochschulangehörige werden erheblichem Druck ausgesetzt, sich bei der Wahrnehmung ihrer Forschungs- und Lehrfreiheit moralischen, politischen und ideologischen Beschränkungen und Vorgaben zu unterwerfen: Sowohl Hochschulangehörige als auch externe Aktivisten skandalisieren die Einladung missliebiger Gastredner, um Druck auf die einladenden Kolleginnen und Kollegen sowie die Leitungsebenen auszuüben. Zudem wird versucht, Forschungsprojekte, die mit den weltanschaulichen Vorstellungen nicht konform gehen, zu verhindern und die Publikation entsprechend missliebiger Ergebnisse zu unterbinden. Von besonderer Bedeutung sind dabei die mittelbaren Wirkungen dieser Druckmaßnahmen: Sie senden das Signal, dass man auf den ‚umstrittenen‘ Gebrauch seiner Forschungs- und Lehrfreiheit künftig besser verzichte. Die Etikettierung als „umstritten“ stellt dabei den ersten Schritt der Ausgrenzung dar.
Wir beobachten damit die Entstehung eines Umfelds, das dazu führt, dass Hochschulangehörige ihre Forschungs- und Lehrfreiheit selbst beschränken, weil sie antizipieren, mit Äußerungen, Themenstellungen oder Veranstaltungen als Person diskreditiert zu werden. Solche präventiven Einschränkungen erfolgen vor allem dann, wenn die Betroffenen die Erfahrung gemacht haben, dass denjenigen, die ins Visier des ideologischen Aktivismus geraten, wegen des Risikos, selbst zur Zielscheibe zu werden, niemand beispringt.
Wenn Mitglieder der Wissenschaftsgemeinschaft aus Furcht vor den sozialen und beruflichen Kosten Forschungsfragen meiden oder sich Debatten entziehen, erodieren die Voraussetzungen von freier Wissenschaft. Eine solche Entwicklung wirkt sich negativ auf die Leistungsfähigkeit der Hochschulen und damit auf den Wissenschaftsstandort Deutschland und seine internationale Reputation aus.