Deutschland

Jugendliche bleiben auf der Strecke: Zahl der Lehrstellen wegen Corona eingebrochen

Die Corona-Krise hat hierzulande ein bereits bestehendes Problem weiter verschärft: Es gibt zu wenige Lehrstellen.
22.02.2021 11:27
Aktualisiert: 22.02.2021 11:27
Lesezeit: 1 min
Jugendliche bleiben auf der Strecke: Zahl der Lehrstellen wegen Corona eingebrochen
Ein Lehrling im Tischlerhandwerk bohrt ein Loch in ein Brett. (Foto: dpa) Foto: Julian Stratenschulte

Deutschland steuert einer neuen Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zufolge auf eine Lehrstellen-Krise zu. Jeder zehnte ausbildungsfähige Betrieb könnte zum neuen Ausbildungsjahr weniger Lehrstellen anbieten als noch im Vorjahr, fanden die Nürnberger Wissenschaftler in ihrer Studie heraus, die am Montag in Berlin gemeinsam mit der OECD vorgestellt wurde.

«Wir sind im letzten Jahr mit einem blauen Auge davongekommen», sagte IAB-Direktor Bernd Fitzenberger der Deutschen Presse-Agentur. Die Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze habe um acht bis zehn Prozent unter dem Vorjahresniveau gelegen - und auch die Zahl der Bewerber sei gesunken. «Die Jugendlichen konnten viel schwerer erreicht werden», sagte Fitzenberger, es habe keine Praktika gegeben, Ausbildungsmessen hätten im Internet stattfinden müssen.

Die große Gefahr sei, dass die Jugendlichen auf der Strecke blieben. Nur ein Teil bleibe im Schulsystem und strebe statt einer beruflichen Ausbildung einen höheren Bildungsabschluss an. Die Erfahrung: Wenn erst einmal einige Jahre zwischen Schule und Berufsstart vergangen sind, dann ist die Chance auf eine ordentliche Ausbildung meist vertan.

Hinzu komme ein weiterer fataler Aspekt: «Die Qualität der Ausbildung im letzten Jahr hat vermutlich auch gelitten», sagte Fitzenberger. Lehrlinge konnten nicht ohne weiteres mit zum Kunden genommen werden, eine geregelte Ausbildung unter den Bedingungen von Kurzarbeit und Homeoffice sei schwierig. «Wo nicht gekocht wird, kann man auch nicht kochen lernen», sagte Fitzenberger.

Der IAB-Experte befürchtet nicht nur, dass viele Jugendliche auf der Strecke bleiben und ihre Karrierechancen nachhaltig geschädigt werden - mit gesellschaftlichen Folgen wie häufiger Arbeitslosigkeit als Langzeiteffekt. Die nicht ausgebildeten Fachkräfte fehlten auch dem Arbeitsmarkt der Zukunft. «Arbeitsmarkt und Konjunktur werden sich nach der Krise sehr schnell erholen. Dann werden die Fachkräfte fehlen», sagte Fitzenberger. Erfahrungen aus der Finanzkrise von 2009 zeigten: «Es besteht die Gefahr, dass Jugendliche, die jetzt keine Ausbildung beginnen können, dies später auch nicht mehr nachholen.»

Fitzenberger sprach sich dafür aus, dringend die Ausbildungsprämie zu verlängern und deren Bekanntheitsgrad zu erhöhen. «Wir müssen über eine Verlängerung reden», sagte er. Finanzielle Anreize alleine reichten jedoch nicht zur Lösung des Problems. Es müssten auch Praktika und Berufsberatung an den Schulen wieder ermöglicht werden. «Sonst verlieren wir die Jugendlichen für das Ausbildungssystem», so der Wissenschaftler.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen Jetzt die besten Dividenden-Aktien kaufen: Diese Titel überzeugen Experten von Morningstar
19.12.2025

Dividenden gelten für viele Anleger als stabiler Ertragsanker in unsicheren Marktphasen. Doch woran lässt sich erkennen, welche...

DWN
Politik
Politik E-Autos: Kfz-Steuerbefreiung bei Elektroautos bis 2035 verlängert
19.12.2025

Elektroautos sollen länger steuerfrei bleiben – doch die neuen Regeln haben einen Haken. Ein Beschluss im Bundesrat verschiebt Fristen,...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Finanzierung bis 2027: EU einigt sich auf 90 Milliarden Euro – Moskau spottet
19.12.2025

Die EU hat sich nach zähem Ringen auf eine Ukraine-Finanzierung bis 2027 geeinigt. Ein zinsloser Kredit über 90 Milliarden Euro soll...

DWN
Politik
Politik Pendlerpauschale rauf, Mehrwertsteuer runter: Bundesrat billigt Steuerpaket
19.12.2025

Der Bundesrat hat ein Steuerpaket auf den Weg gebracht, das Pendler, Gastronomie und Ehrenamt spürbar berührt. Hinter der Entlastung...

DWN
Finanzen
Finanzen Schluss mit Spekulation: In welche Kryptowährung investieren?
19.12.2025

Tausende Kryptowährungen konkurrieren um Aufmerksamkeit. Doch nur wenige haben echtes Potenzial. Diese Analyse zeigt, wie sich seriöse...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bundesbank dämpft Erwartungen für 2026: Konjunkturflaute lässt Wachstum nur langsam zurückkehren
19.12.2025

Nach Jahren der Konjunkturflaute soll 2026 endlich wieder Bewegung in Deutschlands Wirtschaft kommen – doch der Aufschwung bleibt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Autohäuser betrogen: Fake-Autos, echter Millionenschaden – Razzia in mehreren Bundesländern
19.12.2025

Fünf Verdächtige, mehrere Bundesländer, ein Schaden in Millionenhöhe: Autohäuser sollen auf scheinbar seriöse Angebote hereingefallen...

DWN
Finanzen
Finanzen Hexensabbat: Großer Verfallstag an den Terminbörsen lässt Kurse tanzen
19.12.2025

Wenn an den Terminbörsen der Hexensabbat naht, steigt die Nervosität: Kontrakte laufen aus, Volumen schießt hoch, Kurse zucken. Anleger...