Politik

Lagebericht Weißrussland: Opposition räumt vorläufige Niederlage im Machtkampf ein

Lesezeit: 2 min
22.02.2021 11:59
Die weißrussische Opposition hat den Machtkampf mit der Regierung eigenen Angaben zufolge vorerst verloren. Währenddessen baut Russland seinen Einfluss im Nachbarland aus.
Lagebericht Weißrussland: Opposition räumt vorläufige Niederlage im Machtkampf ein
Eine Demonstrantin in der weißrussischen Hauptstadt Minsk. (Foto: dpa)
Foto: Celestino Arce Lavin

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Nach monatelangen Protesten in Weißrussland (Belarus) räumt Oppositionsführerin Svetlana Tichanowskaja eine vorläufige Niederlage gegen Präsident Alexander Lukaschenko ein. "Ich muss zugeben, wir haben die Straße verloren", sagte sie in einem Interview mit der Schweizer Zeitung Le Temps (Genf). "Wir haben nicht die Mittel, um der Gewalt des Regimes gegen die Demonstranten etwas entgegenzusetzen." Die Regierung habe die Waffen und die Macht. "Ja, es sieht im Moment so aus, als hätten wir verloren", sagte sie.

Aber die Opposition sei dabei, Strukturen für die nächsten Kämpfe aufzubauen, so Tichanowskaja. "Unsere Strategie ist es, uns besser zu organisieren, das Regime unter ständigen Druck zu setzen, bis die Menschen wieder bereit sind, auf die Straße zu gehen, vielleicht im Frühjahr." Die Rückkehr zur Demokratie brauche mehr Zeit als angenommen.

Die Proteste der Opposition begannen vor etwa einem halben Jahr, nachdem sich Präsident Lukaschenko nach der Präsidentenwahl am 9. August 2020 mit 80,1 Prozent der Stimmen zum Sieger erklären ließ. Die Demokratiebewegung des Landes erkennt hingegen Tichanowskaja als Gewinnerin und erhob Vorwürfe des Wahlbetrugs. Sie war anstelle ihres inhaftierten Mannes angetreten.

In Weißrussland gab es am Wochenende neue kleinere Proteste nach der jüngsten Verurteilung zweier Journalistinnen. Menschen zogen in Kleingruppen mit der weiß-rote-weiße Fahne der Opposition durch die Straßen. Insgesamt hat sich die Lage jedoch deutlich beruhigt. Der Minsker Analyst Artjom Schraibman hält die Aussichten auf neue größere Proteste für ungewiss. Das hänge vor allem mit der Frage zusammen, ob die Menschen dann noch Angst vor Polizei-Gewalt hätten und wie sie die Aussichten auf Erfolg bewerteten, schrieb er im Nachrichtenkanal Telegram. "Das Wetter ist da zweitrangig."

Lukaschenko und Putin bauen Kooperation aus

An diesem Montag will Lukaschenko Russlands Präsident Wladimir Putin in der russischen Schwarzmeer-Stadt Sotschi treffen. Bei dem Gespräch geht es nach Angaben aus Moskau um die weitere Entwicklung der Beziehungen zwischen beiden Ländern, insbesondere um Wirtschafts- und Energiefragen. Die Wirtschaft von Belarus ist stark abhängig von Russland, das etwa Öl und Gas liefert. Moskau sieht seinen Nachbarn und Verbündeten auch als strategisch wichtige Pufferzone zur Nato.

Die beiden Staatschefs hatten sich das letzte Mal im September getroffen, ebenfalls in Sotschi. Dabei hatte Putin dem finanziell angeschlagenen Nachbarland einen Milliardenkredit zugesichert. Lukaschenko meinte zuletzt, darum solle es diesmal nicht gehen.

Beide Länder hatten erst am Freitag ein Abkommen unterzeichnet, nach dem Belarus seine Exporte von Ölprodukten nun über russische Häfen in der Ostsee abwickeln wird. Dieser Schritt gilt als Reaktion auf die von den benachbarten Baltenstaaten verhängten Sanktionen gegen Belarus, auf die Minsk zuvor bei seinen Exporten gesetzt hat. Mitte Dezember hatte der litauische Hafen von Klaipeda weißrussischen Ölfirmen den Export verboten.

Weißrussland wird dem Abkommen zufolge russische Häfen an der Ostsee, einschließlich Ust-Luga und St. Petersburg, nutzen können, um Heizöl, Benzin, Diesel und Gasöl zu exportieren, schreibt Hellenic Shipping News.

Im Jahr 2021 soll das Volumen der über Russland exportierten weißrussischen Ölprodukte 3,5 Millionen Tonnen erreichen, während die Exporte in den Jahren 2022 und 2023 den Planungen zufolge 3,2 Millionen Tonnen und 3,1 Millionen Tonnen betragen sollen.

"Das Abkommen wurde für drei Jahre unterzeichnet, ist jedoch prinzipiell unbegrenzt, da es eine automatische Verlängerung vorsieht", schrieb der russische Verkehrsminister Vitaly Saveliev in der Erklärung des Ministeriums.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Zu Weihnachten Zukunft schenken

Gerade zu Weihnachten wünschen sich viele Menschen, etwas von ihrem Glück zu teilen und sich für diejenigen zu engagieren, die es nicht...

DWN
Panorama
Panorama Amokfahrt von Magdeburg: Trauer, Entsetzen und offene Fragen halten Deutschland in Atem
22.12.2024

Fünf Menschen sind tot, 200 verletzt: Nach der folgenschweren Fahrt mit einem Auto über den Weihnachtsmarkt in Magdeburg stellt sich die...

DWN
Politik
Politik Donald Trump hofft: Elon Musk übernimmt (noch) nicht die US-Präsidentschaft
22.12.2024

Kritiker nennen den Tech-Milliardär süffisant «Präsident Musk». Donald Trump stellt klar, wer das Sagen hat - bestreitet aber auch...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Quiet Quitting: Der stille Job-Rückzug mit gefährlichen Folgen
22.12.2024

Ein stiller Rückzug, der Unternehmen erschüttert: Quiet Quitting bedroht die Substanz deutscher Betriebe. Warum immer mehr Beschäftigte...

DWN
Politik
Politik Steuern und Abgaben: Mehrheit der Steuerzahler zahlt 2025 noch mehr – mit oder ohne Ampel!
22.12.2024

Das „Entlastungspaket“ der Ampel ist eine Mogelpackung, denn Steuersenkungen sind nicht vorgesehen. Im Gegenteil: Ab dem 1. Januar 2025...

DWN
Technologie
Technologie DWN-Sonntagskolumne: Künstliche Intelligenz Hype Cycle - Zwischen Revolution und Enttäuschung
22.12.2024

Ist künstliche Intelligenz nur ein Hype oder der Beginn einer Revolution? Zwischen hohen Erwartungen, Milliardeninvestitionen und...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Psychische Gewalt am Arbeitsplatz: Ursachen, Folgen und Lösungen
22.12.2024

So können Unternehmen gegen verbale Übergriffe aktiv werden- Beleidigungen, Drohungen und Beschimpfungen: Rund ein Drittel der...

DWN
Politik
Politik Migrationskrise: Asyl-Rekordhoch in Deutschland und die illegale Migration an den Grenzen geht ungebremst weiter
22.12.2024

In Deutschland leben fast 3,5 Millionen Geflüchtete, von Asylsuchenden über anerkannte Flüchtlinge bis zu Geduldeten. Das ist ein neuer...

DWN
Finanzen
Finanzen Kindergeld beantragen: Tipps und wichtige Infos für 2025
22.12.2024

Wussten Sie, dass Sie Kindergeld bis zu sechs Monate rückwirkend erhalten können? Dies gilt sowohl für Ihr erstes Kind als auch für...