Politik

Lassen Mitglieder der Bundesregierung kritische Journalisten ausspähen?

Einem Bericht zufolge ließ Bundesgesundheitsminister Jens Spahn Journalisten „ausforschen“. Der Deutsche Journalisten-Verband ist empört.
04.05.2021 21:58
Lesezeit: 2 min
Lassen Mitglieder der Bundesregierung kritische Journalisten ausspähen?
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Jens Spahn (CDU), Bundesgesundheitsminister, unterhalten sich am Rande der Plenarsitzung im Deutschen Bundestag (4. März 2020). (Foto: dpa) Foto: Bernd von Jutrczenka

Ein Enthüllungsbericht des „Tagesspiegels“ lässt offenbar tief in die Methoden von Mitgliedern der Bundesregierung blicken, wenn es darum geht, gegen Vertreter der Medien vorzugehen. Der Bericht trägt den Titel: „Jens Spahn ließ Journalisten ausforschen. ,Ein Bundesminister sollte die Pressefreiheit achten‘.“

Das Blatt wörtlich: „Journalistenorganisationen kritisieren Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) für seinen Umgang mit Pressevertretern, die zu seinen privaten Immobiliengeschäften recherchieren. Spahn hatte über seine Anwälte vom Grundbuchamt beim Amtsgericht Schöneberg verlangt, Namen und Anfragen unter anderem von Journalisten von ,Spiegel‘, ,Bild‘, ,Stern‘ und ,Tagesspiegel‘ herauszugeben. Das Grundbuchamt war dem gefolgt.“

Dieser Befund gehe aus einem Schreiben von Spahns Rechtsanwälten an das Amtsgericht Schöneberg vom Dezember 2020 hervor, das dem Tagesspiegel vorliegt. „Dem Amtsgericht ist das Grundbuchamt zugeordnet, das die Akten zum privaten Immobilienbesitz des Ministers verwaltet, einschließlich der Kaufverträge (…) Der Minister lässt bestreiten, dass er mit diesen Maßnahmen Recherchen der Presse ausforschen wolle. Sein Mandant betreibe keinerlei ,Investigationen‘.“

Doch der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) sieht das etwas anders. DJV-Präsident Frank Überall meint: „Beides geht nicht (…) eine eilfertige Behörde und ein Minister, der peinlich bemüht ist, private Immobiliengeschäfte im siebenstelligen Bereich unter der Decke zu halten.“

Der Bundesvorsitzenden der Deutschen Journalistinnen- und Journalistenunion Tina Groll zufolge seien die Vorgänge „verstörend“. „Ein Bundesminister sollte die Pressefreiheit und die Aufgabe der Presse, kritisch zu berichten, respektieren und achten“, sagte Groll dem „Tagesspiegel“.

Das Blatt wörtlich: „Dem Amtsgericht ist das Grundbuchamt zugeordnet, das die Akten zum privaten Immobilienbesitz des Ministers verwaltet, einschließlich der Kaufverträge. Dem Schreiben zufolge fordern Spahns Anwälte dazu auf, den gesamten Schriftverkehr mit dem Tagesspiegel sowie „sämtliche etwaige weitere Presseschreiben“ mit den dazugehörigen amtlichen Antwortschreiben herauszugeben. Ausdrücklich wollte Spahn die Namen von Pressevertretern wissen, die nach seinen zwei Schöneberger Wohnungen sowie der im vergangenen Jahr erworbenen Villa in Dahlem gefragt haben (,Um wen handelt es sich?‘).“

Angesichts dieser Enthüllung drängt sich die Frage auf, ob weitere Mitglieder der Bundesregierung in den vergangenen Jahren den einen oder anderen Auftrag erteilt haben, unliebsame Journalisten auszuforschen.

Über das Verhältnis von einigen Journalisten zur Bundesregierung hatte der „Tagesspiegel“ bereits im Jahr 2017 in einem Bericht mit dem Titel „Geheimgespräche mit Journalisten - Regierung will ,eigene politische Vorstellungen verwirklichen‘“ berichtet.

Das Verwaltungsgericht Berlin teilt mit:

„Das Bundeskanzleramt ist nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin verpflichtet, einem Pressevertreter Auskunft über sogenannte Hintergrundgespräche zu geben

Der Kläger, Journalist einer Tageszeitung, begehrt vom Bundeskanzleramt Auskunft darüber, welche Hintergrundgespräche unter Beteiligung des Bundeskanzleramts im Jahr 2016 stattgefunden haben. Hintergrundgespräche sind solche zwischen Vertretern dieses Amtes und Journalisten, über die zwischen den Teilnehmern Vertraulichkeit verabredet wurde. Konkret erfragt der Kläger Datum, Veranstaltungsort, Teilnehmer und Themen sowie Informationsinhalte der Hintergrundgespräche. Außerdem möchte er wissen, an welchen Hintergrundgesprächen im Jahr 2016 die Bundeskanzlerin teilgenommen hat.

Die 27. Kammer des Verwaltungsgerichts hat der Klage stattgegeben. Der Kläger könne die begehrten Informationen auf Grundlage des aus Art. 5 Grundgesetz folgenden presserechtlichen Auskunftsanspruchs verlangen. Der Auskunftserteilung stünden die von der Beklagten geltend gemachten schutzwürdigen Interessen öffentlicher Stellen oder Privater an der Vertraulichkeit dieser Informationen nicht entgegen. Es sei auch davon auszugehen, dass die Informationen bei der Beklagten vorhanden seien. Im Presserecht könne zum Informationsbestand einer Behörde auch das nicht verschriftlichte dienstliche Wissen von Mitarbeitern gehören. Der für die Zusammenstellung der betreffenden Informationen erforderliche Verwaltungsaufwand sei nicht unverhältnismäßig.

Die Kammer hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Berufung zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zugelassen.

Die schriftlichen Urteilsgründe liegen noch nicht vor.

Urteil der 27. Kammer vom 13. November 2020 (VG 27 K 34.17).“

Geklagt hatte die Zeitung „Der Tagesspiegel“, die sich in einem Artikel zum Urteilsspruch äußert.

+++Dieser Artikel wurde erstmals am 25. Februar 2021 veröffentlicht. Es erfolgt eine erneute Veröffentlichung anlässlich des Internationalen Tags der Pressefreiheit+++

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Teamführung 2026: Was Führungskräfte jetzt wirklich brauchen
28.12.2025

Viele Führungskräfte starten 2026 mit neuen Vorsätzen – doch der Alltag frisst schnell jede Veränderung. Welche Self- und...

DWN
Immobilien
Immobilien Über den Wolken: Sky City 1000 – eine Zukunftsvision gegen Wohnraummangel
28.12.2025

Die japanische Hauptstadt Tokio wächst – schneller als die Stadt es verkraftet. Allein 2024 kamen zehntausende Menschen hinzu, im...

DWN
Technologie
Technologie Batteriespeicher: Warum RWE den Takt für Europas Netze vorgibt
28.12.2025

Ein deutscher Energiekonzern baut in Wales den größten Batteriespeicher Großbritanniens und verschiebt damit die Kräfteverhältnisse in...

DWN
Panorama
Panorama DWN-Wochenrückblick KW 52: Die wichtigsten Analysen der Woche
28.12.2025

Im DWN Wochenrückblick KW 52 fassen wir die zentralen wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen der vergangenen Woche zusammen....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Jahreswagen, Vorführwagen, Tageszulassung: So sparen Sie beim Autokauf
28.12.2025

Wer beim Auto kaufen sparen will, muss nicht zwingend zum alten Gebrauchten greifen. Jahreswagen, Vorführwagen und Tageszulassung wirken...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Föderale Modernisierungsagenda: 200-Punkte-Programm für Bürokratieabbau – ist das der große Wurf?
28.12.2025

Bund und Länder haben ein Paket beschlossen, das den Staat schlanker und schneller machen soll. Über 200 Maßnahmen zielen auf Bürger,...

DWN
Politik
Politik Steuern, Deutschlandticket, Musterung – die Änderungen 2026 im Überblick
27.12.2025

2026 bringt spürbare Änderungen bei Lohn, Rente, Steuern und Alltag. Manche Neuerungen entlasten, andere verteuern Mobilität oder...

DWN
Panorama
Panorama Keine Monster, keine Aliens: Prophezeiungen für 2025 erneut widerlegt
27.12.2025

Düstere Visionen und spektakuläre Vorhersagen sorgen jedes Jahr für Schlagzeilen – doch mit der Realität haben sie meist wenig zu...