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Deutscher Mähdrescher-Hersteller: "In Russland wollen wir die wirtschaftliche Erfolgstory fortschreiben"

Die Spannungen zwischen der EU und Russland haben wieder zugenommen, weil Brüssel die Sanktionen gegen Moskau wieder verschärft hat. Doch der deutsche Hersteller von Technik für die Landwirtschaft, Claas, setzt weiter unbeirrt auf sein Werk im Süden Russlands. Die DWN im Interview mit dem Sprecher, Wolfram Eberhardt.
15.03.2021 14:00
Lesezeit: 4 min
Deutscher Mähdrescher-Hersteller: "In Russland wollen wir die wirtschaftliche Erfolgstory fortschreiben"
Eine Maschine des Herstellers aus Nordrhein-Westfalen. (Foto: dpa)

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Die EU und die USA haben gerade Anfang März wegen der zunehmenden Repressionen gegen den Oppositionellen Alexej Nawalny die Sanktionen gegen Russland erneut verschärft. Brüssel hat eine Liste von Staatsfunktionären veröffentlicht, gegen die unterschiedliche Maßnahmen eingeleitet werden – beispielsweise wird ihnen ihr Vermögen eingefroren. Zusätzlich ist Washington in ähnlicher Weise den Europäern gefolgt.

Wie beobachten Sie dies?

Wolfram Eberhardt: Dass die Lage derzeit bei den europäisch-russischen und den deutsch-russischen Beziehungen schwierig ist, steht außer Frage. In solch einer angespannten Situation kann die Wirtschaft unter Umständen die Funktion eines Brückenbauers übernehmen, und zwar gerade die Landtechnik. Sie kümmert sich um das Elementarthema Ernährung und ist deshalb politisch eher unverdächtig.

Dazu gehört auch unser Unternehmen, das stark in Russland engagiert ist: So haben wir vor einigen Jahren unsere Fabrik in Krasnodar in Südrussland, die wir 2003 in Betrieb genommen hatten, noch einmal deutlich erweitert. Die Investitionssumme lag bei 120 Millionen Euro. Wir wollen die russische Landwirtschaft mit entwickeln, die ein riesiges Potenzial hat, wenn es um die Größe und die Qualität der Böden geht.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Können Sie sich denn den Problemen im Alltag tatsächlich entziehen? Das muss doch eine Belastung sein. Wie sieht der Kontakt zu den russischen Kolleginnen und Kollegen aus?

Wolfram Eberhardt: Natürlich ist das nicht immer einfach. Das ist auch in der Atmosphäre zu spüren. Dazu kommen die Einschränkungen durch die Corona-Krise, die bewirken, dass man sich weniger trifft und im Reisen eingeschränkt ist. Doch gibt es auch regionale Unterschiede im Land. Es ist nicht dasselbe, ob sie in Moskau oder in anderen Teilen des Landes ein Werk unterhalten. Unsere Fabrik befindet sich im Süden Russlands und ist dort einer der bedeutendsten Arbeitgeber und ein wichtiger Technologiebringer. Wir haben dort wichtige Ausbildungsinitiativen gestartet, von denen die gesamte Region profitiert. Dies wird auch regional in der Politik so gesehen. Im guten Verhältnis zu unseren russischen Counterparts spüren wir keinerlei Einschränkungen. Hier – im alten Industriezentrum Krasnodar – sieht auch der Gouverneur der Region, welchen Wertbeitrag eine solche High-Tech-Fabrik für sein Gebiet leistet.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Wie sieht dieser Wertbeitrag für Russland denn konkret aus?

Wolfram Eberhardt: Grundsätzlich leistet unsere Fabrik für Russland einen wichtigen Beitrag zur Modernisierung der Landwirtschaft, die dort ein bedeutsames Wachstumsthema ist. Man sieht dies auch daran, dass sich das Land in der jüngsten Vergangenheit im Weltvergleich zu einem bedeutenden Produzenten von Getreide entwickelt hat. Sicherlich hat Russland im Zuge der Ukraine-Krise noch einmal ein größeres Augenmerk darauf gerichtet. Das Land besinnt sich auf seinen eigenen Stärken und will nicht zuletzt deswegen seine eigenen landwirtschaftlichen Potenziale verstärkt nutzen.

Wir veröffentlichen keine Umsätze auf Landesebene. Doch kann ich sagen, dass wir in Russland im vergangenen Jahr noch einmal deutlich gewachsen sind. Dazu hat auch die Modernisierung der Fabrik im Jahr 2015 beigetragen. Wir haben dort die Kapazitäten dort deutlich gesteigert – ebenso die Zahl der Mitarbeiter. In den vergangenen Jahren wuchs ihre Zahl Schritt für Schritt auf über 600. Zum Vergleich: Wir beschäftigen insgesamt weltweit über 11.000. Darüber hinaus war für unsere Fabrik wichtig, dass wir mit der russischen Regierung ein Special Investment Contract abschliessen können – und zwar als erster westlicher Produzent überhaupt.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Ein Special Investment Contract? Was ist das?

Wolfram Eberhardt: Dabei handelt es sich um ein besonderes Förderungsinstrument der russischen Regierung. Dieses Dokument regelt vor allem den Lokalisierungsgrad in der Produktion und welche Pflichtbaugruppen selbst hergestellt werden müssen. Im Gegenzug gewährt die Regierung beispielsweise den russischen Landwirten Subventionen bei der Finanzierung beziehungsweise bei der Investition in eine moderne Landmaschine. Wir verfügen in unserer Fabrik in Krasnodar über eine hohe Fertigungstiefe, die auf dem Level unseres Stammwerks in Harsewinkel in Nordrhein-Westfalen ist. Dazu gehört insbesondere eine Lackiererei und Metallverarbeitung. Die lokalen Hersteller verfügen in der Regel über einen bevorzugten Zugang zu staatlichen Förderprogrammen.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Gab es im Corona-Jahr 2020 besondere Belastungen für Sie?

Wolfram Eberhardt: Es war ein herausforderndes Jahr, dennoch konnten wir im vergangenen Jahr einen neuen Höchststand beim Umsatz verbuchen. Der Erlös ist auf weltweit vier Milliarden Euro gestiegen - aller Schwierigkeiten zum Trotz. Zunächst war der Ausblick im Frühjahr während der ersten Corona-Phase noch nicht so optimistisch. Denn generell wusste niemand so genau, in welche Richtung sich die Märkte bewegen. Doch hat sich relativ schnell herausgestellt, dass Landwirtschaft auch zu Corona-Zeiten weiter verhältnismäßig gut funktioniert. Die Nachfrage ist sehr stabil geblieben. Die Landwirte haben - weltweit betrachtet - auskömmlich gearbeitet. Darüber hinaus haben sich Restriktionen kaum auf die Produktion der Landwirtschaft ausgewirkt. Wir sind am stärksten in Nordamerika und in Osteuropa gewachsen - und zwar gerade auch in Russland. Von bekamen wir starke Impulse.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Also haben sich die Restriktionen bei Ihnen in der Landwirtschaft kaum ausgewirkt?

Wolfram Eberhardt: Richtig. Das Thema Social Distancing spielt bei uns nur eine sehr geringe Rolle. Ein Landwirt, der seinen Traktor über ein großes Feld fährt, muss sicherlich nur selten eine Maske aufsetzen.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Sie haben gesagt, Russland habe auch von der Ukraine-Krise profitiert. Könnten Sie dies noch einmal erläutern?

Wolfram Eberhardt: Als die Ukraine-Krise begann, war davon Deutschland und die deutsche Landwirtschaft zunächst negativ betroffen. Denn Russland hat weniger aus Deutschland importiert. In Russland hat man sich im Zuge des Konfliktes wieder mehr auf die eigenen Stärken besonnen. Dazu gehört auch die Landwirtschaft. Das Thema stand lange Zeit nicht so im Fokus. Man wusste zwar, dass man industriell aufholen und sich modernisieren muss, ohne aber konkrete Entscheidungen zu treffen.

Dann hat das Land im Zuge der Ukraine-Krise begonnen, konkrete Projekte zu starten. Zum einen, um sich selbst zu versorgen, und zum anderen, um darüber hinaus durch den Export von Getreide wichtige Einnahmen für den Staatshaushalt zu erzielen.

Und die Ergebnisse dieser Entwicklung können sich durchaus sehen lassen: Mittlerweile ist Russland ein ganz starker Player beim internationalen Getreideexport geworden. Aktuell werden hier 72 Millionen Hektar landwirtschaftlich genutzt. In Deutschland sind es rund 16 Millionen Hektar. Insgesamt sind aber etwa 122 Millionen Hektar für den Ackerbau geeignet. An diesen Zahlen sieht man, dass Russland über ein unvermindert großes landwirtschaftliches Potenzial verfügt, bei dem mit Sicherheit noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Doch ist der Modernisierungsdruck unvermindert groß. Das muss man klar hinzufügen.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Was muss konkret modernisiert werden?

Wolfram Eberhardt: Sie brauchen moderne Technik, um mehr Ertrag pro Hektar Land zu erzielen. Sie brauchen moderne Mähdrescher, moderne Traktoren und müssen digitale Anwendungen einführen. Zusätzlich müssen sie die Maschinen untereinander vernetzen – also das umsetzen, was wir vielerorts längst tun. Darüber hinaus benötigen die russischen Landwirte innovative Farmmanagement- und Telemetrie-Systeme. Damit können sie noch einmal große Produktivitätsreserven heben.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Wie dürfte sich Claas im laufenden Jahr entwickeln und welche Rolle wird wohl Russland dabei spielen?

Wolfram Eberhardt: Wir gehen insgesamt von einer positiven Entwicklung aus, was den Umsatz und den Ertrag betrifft. Natürlich bleiben wir angesichts der Pandemie vorsichtig, die sich immer unvorhergesehen entwickeln kann. In Russland wollen wir auf jeden Fall die wirtschaftliche Erfolgstory der vergangenen Jahre weiter fortschreiben.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Herr Eberhardt, herzlichen Dank für das Gespräch.

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