Deutschland

Wirtschaftsweise senken Konjunkturprognose, fordern verstärktes Impfen

Eine dritte Infektionswelle könnte die erwartete wirtschaftliche Erholung in Deutschland aufschieben, sagt der Wirtschaftsweise Volker Wieland und fordert verstärktes Impfen.
17.03.2021 11:51
Aktualisiert: 17.03.2021 11:51
Lesezeit: 2 min

Die Wirtschaftsweisen blicken skeptischer auf die Konjunktur in Deutschland. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) werde in diesem Jahr nur um 3,1 Prozent zulegen, erklärte der Sachverständigenrat, der die Bundesregierung berät, am Mittwoch. Bisher hatten die vier Ökonomen noch 3,7 Prozent Wachstum erwartet, nach einem Einbruch von 4,9 Prozent im Corona-Jahr 2020.

"Das größte Risiko für die Konjunktur in Deutschland stellt eine mögliche dritte Infektionswelle dar", sagte Gremiumsmitglied Volker Wieland. Dies gelte für den Fall, dass es zu Einschränkungen oder Betriebsschließungen in der Industrie komme. Die Aussetzung des Impfstoffes von Astrazeneca dürfte die Konjunktur nur vorübergehend bremsen. Die Wirtschaft werde ihr Vorkriseniveau zum Jahreswechsel 2021/22 erreichen und im nächsten Jahr um vier Prozent wachsen.

Die Ökonomen sind mit ihrer Prognose etwas optimistischer als die Bundesregierung, die für 2021 mit 3,0 Prozent Wachstum rechnet. Wirtschaftsminister Peter Altmaier hofft, dass die Konjunktur rasch anzieht. "Ein schneller Impf-Fortschritt und der konsequente Einsatz von Schnelltests sind in dieser Phase der Pandemie zwei entscheidende Hebel, damit es auch für die gesamte Wirtschaft bergauf gehen kann", sagte der CDU-Politiker.

Die Experten halten die Wirtschaft trotz der Virus-Pandemie für recht robust. Vor allem die Industrieproduktion laufe vergleichsweise gut, da anders als im Frühjahr 2020 die internationalen Lieferketten bisher weitgehend intakt seien und die Nachfrage nach Waren aus Deutschland dank der anziehenden globalen Konjunktur steige.

"Im Gegensatz dazu ist die wirtschaftliche Lage bei den personennahen Dienstleistungen weiterhin sehr angespannt." Deshalb dürfte das BIP im ersten Quartal um etwa zwei Prozent sinken, nach 0,3 Prozent Wachstum Ende 2020. Im Zuge der zu erwartenden Lockerungen werde sich die Lage dann bald bessern.

Weiterlesen: Wirtschaft kritisiert Lockdown-Verlängerung: Einzelhandel und Gastgewerbe werden im Regen stehen gelassen

Sollte sich der Lockdown um ein Quartal verlängern, dürfte das erwartete Wirtschaftswachstum von 3,1 Prozent um bis einen Prozentpunkt niedriger ausfallen, sagte die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer. Wenn sich der Lockdown nur um einen Monat verlängere, sei der dämpfende Effekt entsprechend geringer. Das Ratsmitglied Achim Truger sprach sich dafür aus, die staatlichen Hilfen für von der Krise besonders betroffene Firmen "nicht zu früh" zurückzufahren.

Die Volkswirte plädieren für verstärktes Impfen. "Damit Deutschland das EU-Ziel, 70 Prozent der erwachsenen Bevölkerung zu impfen, bis Ende September 2021 erreicht, muss die aktuelle Anzahl der täglichen Impfungen in den Impfzentren um 50 Prozent gesteigert werden", sagte die Wirtschaftsweise Veronika Grimm. Auch Haus- und Fachärzte sollten einbezogen werden.

Die Verzögerung der Impfkampagne durch die Aussetzung des Vakzins von Astrazeneca habe "ganz klar wirtschaftliche Auswirkungen". Daher müssten wohl Hilfsmaßnahmen verlängert werden und es könnte zu mehr Insolvenzen kommen, sagte Grimm. Sie betonte aber zugleich, ein Ausfall von Astrazeneca könnte mittelfristig durch andere Impfstoffe kompensiert werden, wenn Vakzine etwa von Johnson & Johnson im Jahresverlauf zur Verfügung stünden. Länder wie Großbritannien und die USA seien Deutschland beim Impfen und Testen voraus, kritisierte Wieland. "Wir müssen die Dinge bei uns beschleunigen und verbessern."

Nach dem Ausscheiden von Lars Feld gehören zum Rat nur noch Grimm, Schnitzer, Truger und seit 2013 als Dienstältester Wieland an. Die vier müssen noch einen Chef oder eine Chefin wählen. Die Ökonomen wollten nicht verraten, warum dies bisher noch nicht gelungen ist. Vorsitzender des Gremiums war zuletzt Feld, der Ende Februar nach zwei Amtszeiten ausschied. CDU/CSU wollten ihm eine dritte Amtszeit gewähren, was die SPD aber blockierte.

Weiterlesen: Die neuen Priester? Wie Wissenschaftler uns gehorsam machen

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Steuern, Deutschlandticket, Musterung – die Änderungen 2026 im Überblick
27.12.2025

2026 bringt spürbare Änderungen bei Lohn, Rente, Steuern und Alltag. Manche Neuerungen entlasten, andere verteuern Mobilität oder...

DWN
Panorama
Panorama Keine Monster, keine Aliens: Prophezeiungen für 2025 erneut widerlegt
27.12.2025

Düstere Visionen und spektakuläre Vorhersagen sorgen jedes Jahr für Schlagzeilen – doch mit der Realität haben sie meist wenig zu...

DWN
Unternehmen
Unternehmen E-Mail-Betrug im Mittelstand: Die unterschätzte Gefahr im Posteingang – und welche Maßnahmen schützen
27.12.2025

E-Mail-Betrug verursacht im Mittelstand mehr Schäden als Ransomware. Stoïk, ein auf Cybersecurity spezialisiertes Unternehmen, zeigt,...

DWN
Technologie
Technologie China überholt Europa: Wie europäische Energieprojekte den Aufstieg befeuerten
27.12.2025

Europa hat in den vergangenen Jahrzehnten erheblich zum Aufbau der chinesischen Industrie beigetragen, ohne die langfristigen Folgen zu...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Hoffnung auf den Aufschwung: Kann 2026 die Wirtschaftswende bringen?
27.12.2025

Nach mehreren Jahren der Stagnation und anhaltend schlechter Stimmung in vielen Branchen richtet sich der Blick der deutschen Wirtschaft...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Handelspolitik ist von Unsicherheit geprägt: Experten erwarten weniger Investitionen
27.12.2025

Die Unsicherheiten in der Handelspolitik lassen die Investitionen schrumpfen und führen zu Wachstumsverlusten. Zölle schaden der...

DWN
Finanzen
Finanzen KI-Blase: Warum der Hype um die Nvidia und Co. gefährlich werden könnte
27.12.2025

Die weltweite Euphorie rund um künstliche Intelligenz treibt Aktien wie Nvidia und Microsoft in immer neue Höhen und heizt die Diskussion...

DWN
Finanzen
Finanzen Inflationskrise USA: Warum 2026 zum gefährlichsten Jahr werden könnte
26.12.2025

Die Warnung eines führenden Ökonomen zeichnet ein düsteres Bild für die USA. Die Rückkehr einer hartnäckigen Inflationswelle könnte...