Experten rechnen mit einem starken Anstieg der Inflation, weil die USA das größte Wirtschaftspaket der Geschichte verabschiedet haben - mit 1,9 Billionen Dollar (!) will die Biden-Administration den Konsum im Land ankurbeln. Wie wirkt sich das auf den Goldpreis aus? Steht eine Gold-Rally kurz bevor?
Die Corona-Pandemie hat in den USA alle Geldschleusen geöffnet. Bedenken über eine zu große Rolle des Staates – in den USA besonders bei den Republikanern tief verankert – wurden über Bord geworfen. Binnen kurzer Zeit wurden die größten Konjunkturpakete der US-Geschichte geschnürt, um die Wirtschaft vor dem Kollaps zu bewahren. Als eine seiner letzten Amtshandlungen verabschiedete Ex-Präsident Trump im Dezember 2020 ein Hilfsprogramm über 1,4 Billionen Dollar. Insgesamt pumpte die Trump-Administration damit über 4 Billionen Dollar in die Wirtschaft, um die Folgen der Pandemie aufzufangen.
Kürzlich legte die neue Regierung um Präsident Biden nach und beschloss ein neues Rettungspaket in Höhe von 1,9 Billionen Dollar. Damit steigen die pandemiebedingten US-Staatsausgaben seit Dezember auf über 3 Billionen Dollar und seit Ausbruch der Pandemie auf gigantische 6 Billionen Dollar. Bidens jüngstes Rettungspaket ist nicht nur in absoluten Zahlen riesig, sondern auch gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP), wie The Economist analysiert. Es entspricht in etwa 9 Prozent der US-Wirtschaftsleistung vor der Krise. Damit ist das Biden-Paket fast doppelt so groß wie die Rettungsmaßnahmen der Obama-Regierung nach der Finanzkrise von 2008.
Im Maßnahmenpaket enthalten sind riesige Ausgaben für Infrastruktur und eine Erhöhung der Haushalte der Bundesstaaten. Daneben soll das Rettungspaket den Konsum der Wirtschaft nach dem Lockdown ankurbeln, etwa durch Checks über 1.400-Dollar für jeden amerikanischen Haushalt. Schon werden Befürchtungen laut, die Wirtschaft könnte überhitzen, immerhin haben US-Politiker mehr Geld ins System gepumpt als pandemiebedingt an Nachfrage weggefallen ist.
Billionenschwere Staatsausgaben heizen die Inflation an
Ein fast vergessenes Wort geistert wieder durch die Wirtschaftspresse: Inflation. Seit Jahren ist sie niedrig, obwohl die Zentralbanken seit 2008 Geld in nie dagewesenem Ausmaß in die Finanzmärkte leiten. Derzeit kauft die Federal Reserve (Fed) für 120 Milliarden Dollar pro Monat US-Staatsanleihen und Wertpapiere auf. Dennoch fiel die Inflationsrate zwischen 2018 und 2020 von 2,4 auf 1,5 Prozent. Doch die nun beschlossenen billionenschweren Rettungspakete werden die Rate wieder in die Höhe klettern lassen, meinen führende Ökonomen.
So sagte beispielsweise der ehemalige Finanzminister Larry Summers, dass Bidens Konjunkturpaket zu einer Überhitzung der Wirtschaft führen könnte und dass die Regierung die Risiken des Überhitzens unterschätze. Obwohl er nicht gegen die Idee weiterer Staatsausgaben sei, merkte Summers an, dass „wenn wir Covid hinter uns bringen, wir eine Wirtschaft haben werden, die in Flammen steht“. Olivier Blanchard, ehemaliger Chefvolkswirt des IWF, stimmte Summers auf Twitter zu und schrieb, dass das Paket „die Wirtschaft so stark überhitzen könnte, dass es kontraproduktiv ist.“
Sogar der Vorsitzende der Federal Reserve, Jerome Powell, gestand laut CNBC ein, dass er in der nächsten Zeit einen Anstieg der Inflation erwartet. „Wir erwarten, dass die Inflation durch Basiseffekte steigen wird, wenn sich die Wirtschaft wieder erholt und hoffentlich anzieht“, so Powell. „Das könnte einen gewissen Aufwärtsdruck auf die Preise erzeugen.“ Der Anstieg der Inflation sei jedoch nur „vorübergehend“ und werde wahrscheinlich nicht ausreichen, um die Zentralbank zu einer Zinserhöhung zu veranlassen.
Der Inflationsdruck durch billionenschwere Staatsausgaben hat auch in Europa spürbare Auswirkungen. Die EZB rechnet ebenfalls mit einem Sprung der Inflationsrate auf bis zu 2 Prozent im vierten Quartal dieses Jahres. Im Vergleich dazu lag die Inflation im Euro-Raum 2020 durchschnittlich bei 0,5 Prozent. Doch auch die EZB versucht die Inflationsängste zu dämpfen und betont, der Anstieg sei nur vorübergehend und die Inflationsrate werde ab 2022 wieder fallen.
Nicht Inflation treibt den Goldpreis, sondern die Angst davor
Steigende Inflation scheint in den kommenden Monaten unvermeidlich zu sein. Das sind schlechte Nachrichten für Konsumenten und für Anleger. Traditionell gilt Gold als eine Absicherung im Portfolio gegen inflationäre Zeiten. Den im Gegensatz zu Papiergeld bleibt Gold auch in Krisenzeiten wertstabil und gewinnt sogar an Wert. Doch gibt es diesen kausalen Zusammenhang zwischen einem Anstieg der Inflation und einem Anstieg der Goldpreise?
In ihrer Studie „The Golden Dilemma“ haben die Ökonomen Claude Erb vom US-„National Bureau of Economic Research“ und Campbell Harvey, Professor an der Duke University, den Zusammenhang zwischen Goldpreis und Inflation untersucht. Es stellte sich heraus, dass Gold keine starke Korrelation mit der Inflationsrate aufweist. Das heißt, wenn die Inflation steigt, bedeutet das nicht unbedingt, dass Gold eine sichere Wette ist. Doch wenn die Inflationsrate den Goldpreis nicht direkt beeinflusst, was dann?
Im Wesentlichen beeinflussen drei Faktoren den Goldpreis: Angebot, Nachfrage und Anlegerverhalten. Da das Angebot über die Jahre hinweg relativ stabil geblieben ist, bleiben nur noch Nachfrage und Anlegerverhalten. Die Nachfrage nach Gold ist seit 2010 leicht rückläufig, was vor allem auf die größten Akteure im Goldmarkt – die Zentralbanken – zurückzuführen ist. Bleibt noch das Anlegerverhalten. Genau hier liegt der Grund, warum der Goldpreis im laufenden Jahr dennoch steigen dürfte. Denn Anleger fürchten Inflation und – ob berechtigt oder nicht – haben Gold als Absicherung dagegen ins Visier genommen.
In Zeiten von Wirtschaftskrisen strömen die Anleger ins Gold. So war es zuletzt nach der Finanzkrise von 2008 zu beobachten. Der Goldpreis stieg auch dann noch, als die Wirtschaft sich schon von der Krise erholt hatte und erreichte im Jahr 2011 mit 1.895 Dollar je Feinunze einen neuen Höchststand. Das deckt sich mit den Ergebnissen der Ökonomen Erb und Harvey. Sie fanden heraus, dass der Preis steigt, wenn Investoren anfangen, Gold zu kaufen, egal wie sich die Wirtschaft gibt und welche Goldpolitik betrieben wird.
Experten rechnen mit neuem Anstieg der Goldpreise
Die Angst vor Inflation hat Auswirkungen auf den Goldpreis, und diese Angst geht in den Finanzmärkten wieder um. Die Differenz zwischen den fünf- und zehnjährigen Inflationserwartungen in den USA ist laut Bloomberg-Daten, die bis Anfang 2002 zurückreichen, so groß wie nie zuvor. Die Differenz ist ein Zeichen dafür, dass der Markt kollektiv davon ausgeht, dass das jüngste US-Rettungspaket mittelfristig den Preisdruck anheizen wird. Selbst zur Zeit der Finanzkrise von 2008, als die Zentralbanken ihre milliardenschweren Aufkaufprogramme starteten, waren die Befürchtungen vor Inflation unter Anlegern und Tradern nicht so hoch wie heute.
„Was erhält man, wenn man starke fiskalische und geldpolitische Anreize mit einer US-Wirtschaft kombiniert, die angesichts steigender Ölpreise kurz vor einem Aufschwung steht? Die Antwort: Die Befürchtung, dass die mittelfristige Inflation im Verhältnis zur längerfristigen Inflation so schnell ansteigt wie seit der Jahrhundertwende nicht mehr“, kommentiert Bloomberg-Analyst Ven Ram.
Die neu angeheizten Inflationsängste dürften dem Kurs aber neuen Auftrieb geben. Zum Höhepunkt der Pandemie in den USA im August 2020 durchbrach der Goldpreis die 2.000-Dollar-Marke. Zwischen Januar 2020 und Januar 2021 bescherte die Gold-Rally Anlegern einen Wertzuwachs von 17,7 Prozent und damit sogar mehr als der US-Aktienindex S&P 500 (plus 17,3 Prozent) im selben Zeitraum einbrachte. Seitdem verzeichnet der Goldkurs eine Korrektur und lag zuletzt bei 1.750 Dollar je Feinunze. Analysten rechnen jedoch mit einem neuen Anstieg.
„Wenn Yellen von Vollbeschäftigung bis 2022 mit einem Konjunkturprogramm in Höhe von 2 Billionen Dollar spricht, steigt die Wahrscheinlichkeit eines Inflationsanstiegs, was gut für Gold ist“, meint Tai Wong, Leiter des Derivatehandels für Basismetalle und Edelmetalle bei der Investmentbank BMO, gegenüber CNBC. BMO rechnet für 2021 dennoch nur mit einem durchschnittlichen Goldpreis von 1.800 Dollar je Feinunze. Deutlich optimistischer schätzen die Analysten von Goldman Sachs den diesjährigen Goldpreisanstieg ein. Die Investmentbank sieht immer noch Aufwärtspotenzial für Gold und prognostiziert einen Goldpreis von 2.000 Dollar je Feinunze.
Auch europäische Analysten sehen den Goldpreis vor einem Kursprung. Die London „Bullion Market Association“ (LBMA) hat kürzlich ihre jährliche Umfrage zur Goldpreisprognose veröffentlicht. Im Durchschnitt rechneten die 38 befragten Analysten für 2021 mit einem Preis von 1.973 Dollar je Feinunze. Dies entspräche einem Anstieg von etwa 11,5 Prozent gegenüber dem Durchschnittspreis von 2020. Die LBMA nannte sinkende Zinsen in den USA sowie die Geld- und Fiskalpolitik und einen schwachen Dollar als Hauptgründe.