Deutschland

Steinmeier kritisiert Merkel: „Sie sind Teil des Problems“

Lesezeit: 2 min
27.06.2012 13:44
Bei der Regierungserklärung zum EU-Gipfel hat Angela Merkel noch einmal unterstrichen, dass Eurobonds keine Lösung seien, Einnahmen aus der zukünftigen Finanztransaktionssteuer aber solidarisch genutzt werden könnten. Frank-Walter Steinmeier ließ es sich indes nicht nehmen, die Bundeskanzlerin und die Bundesregierung für ihr bisheriges Beharren auf Sparpolitik zu kritisieren.
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Kurz vor der Abreise Angela Merkels zu einem Treffen mit Francois Hollande wird im Bundestag noch einmal über den kommenden EU-Gipfel diskutiert. In Ihrer Regierungserklärung wies Angela Merkel darauf hin, dass sie die grundsätzlichen Vorschläge der vier EU-Präsidenten teile, wenn es um Bausteine wie die Forderung der EU in nationale Haushalte eingreifen zu können, die geplante Bankenunion und eine demokratischen Legitimation für eine Übertragung nationaler Entscheidungsrechte auf die europäische Ebene geht. Sie kritisierte jedoch an den Plänen der Präsidenten, dass „Haftung und Kontrolle in einem klaren Missverständnis“ stehen. „Ich widerspreche entschieden der Auffassung, dass vorrangig von Vergemeinschaftung geredet wird und erst später von Verpflichtungen“. Im Rat werde viel zu viel über gemeinschaftliche Haftung gesprochen.

Es gebe keine schnellen und einfachen Lösungen, sagte Angela Merkel. „Es gibt nicht den Befreiungsschlag."Aber der Teufelskreis aus Schuldenmachen und Regelnbrechen müsse beendet werden. In diesem Zusammenhang bekräftigte sie noch einmal ihre Position, dass Eurobonds und gemeinschaftlich ausgegebene bills „falsch und kontraproduktiv“ seien und wies darauf hin, dass die verfassungsrechtlich in Deutschland auch nicht möglich sei. „Kontrolle und Haftung müssen Hand in Hand gehen“ und erst wenn die Kontrolle gesichert sei, wäre eine Haftung möglich. Zusätzlich dazu betonte die Bundeskanzlerin, dass es weder in Deutschland zwischen Bund und Ländern, noch in den USA bezüglich der Bundesstaaten eine gesamtschuldnerische Haftung gebe. Viel wichtiger sei eine Stärkung der Durchgriffsrechte der EU in die nationalen Haushalte.

Nichtsdestotrotz dränge die Zeit, „die Welt wartet auf unsere Entscheidungen“, die Welt wolle wissen, wohin es mit der EU geht. Für sie stehe außer Frage, dass eine Angleichung der Wettbewerbsfähigkeit bedeutend ist. Aber „Eurobonds halte ich für den falschen Weg“, fügte sie hinzu. Könnten „Einnahmen der Finanztransaktionssteuer für mehr Solidarität genutzt werden“. Die „Fehler der Vergangenheit dürfen auf keinen Fall widerholt werden“ und ein Erzwingen der gleichen Zinssätze für jedes Mitgliedsland durch Eurobonds „wäre eine solche Wiederholung“, die die Märkte auch nicht akzeptieren.

„Ich erwarte in Brüssel kontroverse Diskussionen und alle oder zumindest viele Augen“ werden sich wieder auf Deutschland richten. Aber die Kräfte Deutschland dürften nicht überfordert werden, denn dies hätte „unabsehbare Folgen für Deutschland und Europa“, so Angela Merkel. Mit „Augenwischerei und Scheinlösungen“ auf dem Gipfel könnten diejenigen, die das Vertrauen in Europa verloren haben, nicht überzeugt werden. Man müsse nun das nachholen, „was vor 20 Jahren noch nicht möglich war“, ergänzt sie, „die Wirtschafts- und Währungsunion vollenden“.

Die Reaktion von dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Frank-Walter Steinmeier folgte prompt nach einem selbstgefälligen Applaus der CDU/CSU-Fraktion. Er kritisierte, dass die Bundesregierung seit langer Zeit nur auf Sparpolitik setzte und erst auf Druck der SPD und anderer Länder nun auch einen Blick auf das Wachstum wirft. „Konsolidierung und Wachstum ist der neue Zwang, und den gebe es nicht ohne die SPD“. Allerdings „geht es eben in Europa nicht nur um Wachstumsraten – jeder spürt es: es geht ums Ganze“, so Frank-Walter Steinmeier. „Sie müssen den Menschen in Deutschland reinen Wein einschenken. „Es ist kein Ende in Sicht und die Krise erreicht auch uns“. Mit Blick auf die bisherigen Entwicklungen in der Schuldenkrise, richtete sich der SPD-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag auch ganz klar an die Kanzlerin: „Sie waren bisher nicht Teil der Lösung, sondern Sie sind und waren Teil des Problems.“


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