E-Sport („elektronischer Sport“) hat sich innerhalb weniger Jahre zum Millionen-Business entwickelt. Wer vor 1980 geboren wurde, kann mit dem Computerspiel-Wettkampf wahrscheinlich gar nichts anfangen, und wessen Geburtstag vor 1990 liegt, dem wird die Materie auch eher fremd sein. Doch verfolgen weltweit hunderte Millionen Fans die digitalen Schlachten, und dürfen sich die top Spieler über siebenstellige Gehälter freuen. Durchschnittliche Profis in Deutschland bekommen weit weniger, verdienen mit Gehältern im oberen fünfstelligen Bereich jedoch auch nicht schlecht.
Worum es beim E-Sport geht? Ganz einfach: Um das wettkampfmäßige Austragen von Computerspielen. Wenn in Europa, Nordamerika und vor allem Asien die Einzel- und Team-Wettbewerbe stattfinden, sind die großen Eventhallen ausverkauft, sitzen Millionen vorm TV- und vor allem vorm Computer-Bildschirm.
Kommerz – ohne Scheinheiligkeit
Für die Erlaubnis, solche Wettkämpfe ausrichten zu dürfen, zahlen die Veranstalter den Lizenzinhabern der Spiele hohe Gebühren. Gleichzeitig sind die Events natürlich auch Werbung für eben diese Spiele. Das derzeit beliebteste ist „League of Nations“, im Jahr 2009 von „Riot Games“ entwickelt (die amerikanische Spiele-Schmiede befindet sich mittlerweile im Besitz des chinesischen Internet-Giganten „Tencent“ – was könnte ein vielsagenderes Zeichen der Zeit sein?). Weltweit sollen deutlich mehr als 100 Millionen Menschen dem Spiel frönen – mit steigender Tendenz.
Beim E-Sport ist also das Spielgerät selbst ein wichtiger beziehungsweise der entscheidende Umsatzbringer – in gewisser Weise verdeutlicht dieser Umstand, wie kommerzialisiert das Ganze ist (man halte sich nur mal vor Augen, wie gering der Anteil am Gesamtumsatz ist, der beim Fußball auf den Verkauf der Bälle entfällt). Andererseits: Kaum jemand in der Szene macht einen Hehl daraus, dass es sich im Endeffekt primär um ein Geschäft handelt. Insofern könnte man auch argumentieren, dass die Protagonisten des E-Sports und diejenigen, die über ihn berichten oder anderweitig in seinem Umfeld agieren, ehrlicher sind als diejenigen, die im Bereich anderer Sportarten aktiv sind – also Sportarten, bei denen unablässig Tradition und alte Zeiten beschworen werden, obwohl jeder weiß, dass es letztlich auch bei Ihnen nur noch um eines geht: das schnöde Mammon. Tatsache ist: So gut wie alle -E-Sport-Spieler und ihre Fans – übrigens fast ausschließlich männlichen Geschlechts – wurden in einer Zeit sozialisiert, in der der Neoliberalismus regierte. Vor 1980 wurde kaum einer von ihren geboren, und auch nur wenige vor 1990. Apropos Lebensalter: Für einen professionellen Spieler ist spätestens mit 35 Schluss, in der Regel schon mit 30 – dann nämlich nimmt die Reaktionszeit entscheidend ab.
Doro Bär im Big-Brother-Haus
Die Teams werden übrigens nicht nur von Spiele-Herstellern gesponsert, sondern auch von großen Unternehmern wie der Telekom. Eine Besonderheit ist, dass die Spieler häufig zusammen in sogenannten Gaming-Häusern leben. Dort trainieren sie gemeinsam, dort können von ihnen Fotos und Filme für Social Media und YouTube gemacht werden. Eine Art Big Brother-Haus, mögen Spötter sagen. Übrigens: Fußball-Bundesligist (beziehungsweise -Zweitligist) Schalke 04 hat auch ein League-of-Legends-Team. Es trainiert im Gaming-Haus der Versicherung R+V und tritt in der Champions League an. Wobei sich das Haus nicht in Gelsenkirchen befindet, sondern im mondäneren Berlin. Staatsministerin Dorothea „Doro“ Bär (CSU) zerschnitt bei der Eröffnung höchstpersönlich das Band.
In der chinesischen zehn-Millionen-Metropole Hangzhou entsteht derzeit ein eigener E-Sports-Stadtteil. Über eine Viertel Milliarde Dollar investiert die öffentliche Hand (!) in das Projekt, für das unter anderem eine Arena, ein Freizeit-Park sowie ein Krankenhaus – dessen Ärzte auf die Behandlung E-Sport-typischer Leiden spezialisiert sind – vorgesehen sind.
So weit ist man in Deutschland noch lange nicht, wird wahrscheinlich auch nie so weit kommen. Aber auch hierzulande sind die Wachstumsraten des digitalen Sports rasant. Nationale E-Sport-Hauptstadt ist übrigens Berlin. Hier sitzen die meisten Spiele-Entwickler, hier finden – in der Mercedes-Benz-Arena – die großen Events statt.
Wachstum dank Corona
Konkurrenz soll der Bundeshauptstadt in Kürze von Hamburg erwachsen. Unter anderem ist der Immobilien-Entwickler Tomislav Karajica dabei, Europas größtes „Gaming Haus und E-Sport-Hotel“ aufzubauen, die Eröffnung ist fürs Frühjahr 2022 geplant. Die sieben Teams des „Unicorns of Love“-Clans (Organisationen, die E-Sport-Teams betreiben nennen sich „Clans“) der Familie Mallant sollen hier einziehen. Das „League of Legends“-Teams von Vater Jos und den beiden Kindern Fabian und Vivien schaffte es letztes Jahr in Schanghai unter die besten 16 der Welt. „Uns gibt es schon seit 2013“, sagt Unicorn-Managerin Vivien Mallant im Gespräch mit den Deutschen Wirtschaftsnachrichten und betont: „Wir arbeiten nachhaltig“. Die Branche sei noch nicht durchprofessionalisiert; keine Überraschung angesichts der Tatsache, dass es 19-Jährige gibt, die einen eigenen Clan besitzen. „Es ist ein bisschen so wie zu Zeiten der Dotcom-Blase“, sagt Mallant, „viele Teams sind schon pleitegegangen, und viele Teams werden noch pleitegehen“. Aber um eine Blase handele es sich nicht, und Covid19 werde dem E-Sport sogar weiteren Auftrieb verleihen: „Natürlich ist die Szene finanziell getroffen – viele Sponsoren halten sich zurück, viele Deals sind geplatzt. Aber: Die Leute haben in der Pandemie weniger zu tun, verbringen mehr Zeit in ihren eigenen vier Wänden. Das heißt, sie beschäftigen sich mehr mit Computer-Spielen. Auch wenn´s paradox klingt: Langfristig wird unsere Branche, wird unser Sport von Corona sogar profitieren.“